Die Sachbearbeiter des Krieges und die Friedenskünstler

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Die Sachbearbeiter des Krieges und die Friedenskünstler

Es waren etwa 2.000 Menschen, die an der Demonstration gegen die ‚Sicherheits‘konferenz (SIKO) in München teilnahmen. Am selben Tag demonstrierten etwa 15.000 Menschen, die dem Noch-Linken Abgeordneten Dieter Dehm und dem ehemaligen CDU-Abgeordneten Jürgen Todenhöfer zuhörten. Viele Menschen dort haben sich über die Corona-Politik der letzten Jahre politisiert und sehen einen Zusammenhang zwischen dem Krieg gegen das Virus (Macron) und dem Krieg gegen Russland.

Und dann kamen am letzten Wochenende in Berlin etwa 40 – 50.000 Menschen in Berlin zusammen. Sie eint das „Manifest für Frieden“, das Sahra Wagenknecht (Noch-LINKE) und Alice Schwarzer (Zeitschrift Emma) initiiert hatten und das mittlerweile von fast 700.000 Menschen unterstützt wird.

Das ist nach zwei Jahren Corona-Ausnahmezustand und einem Jahr Kriegsbeteiligung an der Seite der Ukraine recht viel. Dementsprechend groß war das Denunziationsgewitter, das über sie alle niederging.

Die Berichterstattung darüber hat kriegstaugliches Reichsenderniveau erreicht.

Die BILD lässt am 26.2.2023 die FDP in großen Lettern zu Wort kommen:

„FDP fordert Konsequenzen nach Russland-Demo. SPD und Grüne sollen Linkspartei boykottieren! FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai (46) sagte nach der Demonstration zu BILD: „Für SPD und Grünen ist die Linkspartei stets eine strategische Machtreserve und Option. Damit muss Schluss sein. Wir brauchen in Deutschland auch eine Brandmauer zu den linken Putin-Freunden.“

Aber auch das politische Arsenal wird gefechtsbereit gemacht. Der Münchner Politikwissenschaftler Alexander Stephan durfte ein Gegenmanifest veröffentlichen, das vor Gift und Dummheit, die sich wie ein Hufeisen in der Mitte treffen, nur so trotzt:

Nun erheben Friedenskünstler um Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer erneut ihre Stimme. Sie wollen die bisherigen Anstrengungen der Bundesregierung und das Engagement von Millionen Deutschen unterminieren. Hunderttausende ukrainische Frauen und ihre Kinder hierzulande, deren Männer, Brüder und Väter gerade auf dem Schlachtfeld kämpfen, staunen nur vor diesen Ideologen, die „den Frieden“ per Manifest bestellen – koste es, was es wolle. Zudem ist es erschreckend, aus der Mitte unserer Gesellschaft zuzusehen, wie dabei die rechts- und linkspopulistischen Pole in Deutschland den Kreis schließen.

 

Nun ja, die Erstunterzeichner wissen jedenfalls in ihrer Mehrheit, was ihnen ihr Job wert ist:

„Neben Initiator Stephans, dem CDU-Politiker Roderich Kiesewetter und dem Ex-FDP-Politiker Hildebrecht Braun gibt es sieben weitere Erstunterzeichner, die überwiegend in Politikwissenschaft und Militärforschung tätig sind.“ (Telepolis vom 21. Februar 2023)

Da ist also von „Friedenskünstler um Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer“ die Rede, die den Kriegs- pardon schwerbewaffneten friedenschaffenden Willen der Bundesregierung „unterminieren“. Aber vielleicht ist das „Gegenmanifest“ auch nur eine freiwillige Jobsicherung oder eine andere Form der Hufeisentheorie, der zufolge rechte Gesinnung und Beruf hervorragend aus- und zusammenkommen.

„Hand in Hand mit Nazis“ -Die Bundesregierung und die GegendemonstrantInnen

Natürlich gehört zum Denunziationsschlagwerkzeug neben „Putinversteher“, „Putinfreund“ auch die Unterstellung, dass dieses Bündnis – irgendwie – mit Nazis oder Halb-Nazis unter einer Decke stecke. Wer sich nur halbwegs mit neonazistischen Ideologien und Organisationen auskennt, der weiß, dass Sahra Wagenknecht, Alice Schwarzer und Sevim Dagdelen nun wirklich nicht auf deren Agenda stehen. Man kann aber auch der Pressesprecherin der Berliner Polizei Anja Dierschke zuhören:

„Tatsächlich wurde auch geprüft, inwieweit eine Mobilisierung rechtsextremer Kräfte eine Rolle spielen könnte. Dazu gibt es aber tatsächlich keine Hinweise.“

Was man hingegen sehr sicher sagen und belegen kann, dass die Bundesregierung kein Problem damit hat, mit neofaschistischen Kräften in der Ukraine (um in der Region zu bleiben) zusammenzuarbeiten.

 

Es ist naheliegend, dass man diese Kräfte hier nicht als Helden feiert wie in der Ukraine, aber man tut alles,

 

 

um die Präsenz und Bedeutung neofaschistischen Ideologien (wie den Bandera-Kult) und die Bedeutung neofaschistischer paramilitärischer Einheiten (ASOW, Ajdar, Dnipro, Tornado, Kraken, SS Medvedi, C14 u.a.) zu vertuschen.

 

Ein ganz besonders schmutziges Bashing brachte das sogenannte „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) zustande. Man gab sich für diese ganz persönliche Denunziation alle Mühe. Unter dem Titel „Warum Sahra Wagenknecht eine Gefahr für die Demokratie in Deutschland ist“ lässt es riesige Luftballon platzen:

„Es wäre jedenfalls naiv zu glauben, es ginge der selbst ernannten Friedensfreundin um Frieden. Nein, Wagenknecht, die die Grenzen zwischen Diktatur und Demokratie nicht erst seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine systematisch verwischt, geht es nicht um Frieden. Es geht ihr um die Zerstörung der Demokratie. Wagenknecht ist ihre in Deutschland wohl einflussreichste Feindin.“ (RND vom 25.02.2023)

Das hat kriegstaugliches Reichsenderniveau. Dass es diese Denunziation durchaus mit dem Denunziationen vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg aufnehmen kann, ist ganz leicht nachzuvollziehen. Kein Wunder also, dass selbst die deutsch-nationale, faschistische „Dolchstoßlegende“ wieder auftaucht.

Die Dolchstoßlegende wurde mit dem Ende des Ersten Weltkrieges geschmiedet, als die deutsche Reichswehr kapitulieren musste. In dieser Erzählung wurde der Krieg nicht an der Front verloren, sondern aufgrund der vielen Weicheier zuhause. Kriegsmüde Menschen bis hin zu Politiker an der Heimatfront hätten die tapferen Soldaten an der Front verraten.

Wenn also Gabor Steingart in der Zeitschrift Focus den „Dolchstoß“ aufblitzen sieht und das in Lifesylemanier „vom deutschen Sofa“ aus, dann ist das vielleicht gar keine Entgleisung, sondern das richtige Gleis, an dem er steht:

  • Erstens befinden wir uns in einem Krieg, den wir gewollt haben.
  • Zweitens muss jetzt alles getan werden, damit er nicht an der Heimatfront verloren wird.
  • Drittens haben solche „demokratischen“ Stimmen nicht die geringsten Hemmungen (mehr), ein deutsch-nationales, faschistisches Motiv (das bis weit in bürgerliche Kreise hinein geteilt wurde) aufzugreifen, mit dessen Hilfe die Nazis an die Macht gekommen waren.

 

Der Frieden lässt sich nicht delegieren.

Der Kern aller Bündnisse und Initiativen ist ein Waffenstillstand und Friedensverhandlungen. Das Problem ist nur: Die gab es. Dier ersten führten zu den Minsker Abkommen I und II (2014/15). Doch diese Abkommen wurden von u-s-krainischer Seite nur zum Schein unterschrieben. Tatsächlich ging es darum, Zeit zu gewinnen, damit die Ukraine unter Selenskyj den Krieg weiterführen kann.

Das Ziel liegt erklärterweise weit jenseits der Ukraine. Es geht darum, mit diesem Krieg auf ukrainischen Territorium „Russland zu ruinieren“ (deutsche Außenministerin Annalena Baerbock), um so für den nächsten großen Krieg (gegen die VR China) gerüstet zu sein.

Wenn man also Friedensverhandlungen fordert, dann muss man auch erklären, warum die US-Regierung, warum die EU jetzt zu etwas zurückkehren sollten, das sie nie wollten? Außerdem muss man sich selbst fragen, mit welchem Einfluss man etwas erreichen kann, was die Ukraine-Koalition von Anfang an ausschloss?

Dann nähern wir uns dem schmerzlichen Punkt für diese „Friedensinitiativen“: Wie will man Druck machen, dass die eigentlichen Akteure (dazu gehört mittlerweile Deutschland als Führungsmacht) etwas tun, was sie strikt ablehnen?

Wir werden den Frieden also nicht delegieren können. Wir können im Land des gendergerechten Imperialismus viel machen. Wir werden viel machen müssen, wenn wir etwas für das Ende dieses Krieges auf ukrainischen Boden machen wollen.

Denn der Krieg beginnt auch auf deutschen Boden, wenn militärisches Material von hier aus in die Ukraine verladen wird.

Wenn also die Rüstungstransporte so viel Ablehnung erfahren wie die Castortransporte, dann haben wir das Sofa verlassen, auf dem uns der Focus-Redakteur ausgemacht hat.

Wolf Wetzel

 

Publiziert im Magazin Overton am 28. Februar 2023: https://overton-magazin.de/kolumnen/kohlhaas-unchained/die-sachbearbeiter-des-krieges-und-die-friedenskuenstler/

 

Quellen und Hinweise:

Warum Sahra Wagenknecht eine Gefahr für die Demokratie in Deutschland ist, Markus Decker, RND vom 25.2.2023: https://www.rnd.de/politik/warum-sahra-wagenknecht-eine-gefahr-fuer-die-demokratie-in-deutschland-ist-X6HYR7QBSNBEXOUXFOLYDU63TI.html

Die Liveübertragung der Kundgebung „Aufstand für Frieden“ vor dem Brandenburger Tor ist auf dem YouTube-Kanal von Sahra Wagenknecht zu finden.

Es ist nicht von Belang, wer den ersten Schuss abgegeben hat …Wolf Wetzel: https://overton-magazin.de/kolumnen/kohlhaas-unchained/es-ist-nicht-von-belang-wer-den-ersten-schuss-abgegeben-hat/

 

 

Kein Wunder also, dass selbst die deutsch-nationale, faschistische „Dolchstoßlegende“ wieder auftaucht:

Die Sachbearbeiter des Krieges und die Friedenskünstler

Wolf Wetzel         28.2.2023

Quellen und Hinweise:

Warum Sahra Wagenknecht eine Gefahr für die Demokratie in Deutschland ist, Markus Decker, RND vom 25.2.2023: https://www.rnd.de/politik/warum-sahra-wagenknecht-eine-gefahr-fuer-die-demokratie-in-deutschland-ist-X6HYR7QBSNBEXOUXFOLYDU63TI.html

Die Liveübertragung der Kundgebung „Aufstand für Frieden“ vor dem Brandenburger Tor ist auf dem YouTube-Kanal von Sahra Wagenknecht zu finden.

Es ist nicht von Belang, wer den ersten Schuss abgegeben hat …Wolf Wetzel: https://overton-magazin.de/kolumnen/kohlhaas-unchained/es-ist-nicht-von-belang-wer-den-ersten-schuss-abgegeben-hat/

 

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