Der Nationalsozialistische Untergrund: Was wusste der Staat vom braunen Terror? |ZDF-Dokumentation

Veröffentlicht von

Am 20.1.2015 zeigte das ZDF um 0:45 Uhr die Dokumentation ›Der Nationalsozialistische Untergrund: Was wusste der Staat vom braunen Terror?‹ von Rainer Fromm.
Rainer Fromm gehört zu den wenigen Fernsehjournalisten, die genau das tun, was eigentlich mit ›Presse- und Meinungsfreiheit‹ gemeint ist: Der offiziellen Version der Ermittler und der Generalbundesanwaltschaft mißtrauen, die Festlegung des Oberlandesgerichtes in München  hinterfragen, und durch eigene Recherchen die präsentierten Ermittlungsergebnisse überprüfen.

Dabei geht es um folgende Version, die bis heute von der Generalbundesanwaltschaft, den Ermittlern und den meisten Medien geteilt wird:

  • Der NSU bestand aus drei Mitgliedern – zwei sind tot und das letzte befindet sich in Obhut des Staates.
  • Die Frage nach der Beteiligung ›Dritter‹ wird auch im Prozess in München nicht erörtert.
  • Und zu guter Letzt: die Beteiligung staatlicher Behörden am Zustandekommen und Gewähren-lassen des NSU (in Gestalt von V-Leuten, Ermittlungssabotage und Vernichtung von Beweismitteln), wird ebenso wenig Gegenstand des Prozesses in München sein.

Um so mehr ist der aktuelle Beitrag von Rainer Fromm zu würdigen, der zu dem Schluss gelangt:

»Nach zweijähriger Dokumentenrecherche und der Auswertung von 30.000 Seiten Ermittlungsakten hält ZDF-Autor Rainer Fromm die Drei-Täter-These der Bundesanwaltschaft für ›widerlegt‹.« (zdf.info-Ankündigungstext)
 

Quelle: Migazin
Quelle: Migazin

 
Die Dokumentation ist jetzt dort zu sehen:
https://www.youtube.com/watch?v=3CmuJFQslpY&x-yt-cl=84411374&x-yt-ts=1421828030

Die meisten Quellen und Belege, die der Film für die Tatorte (Köln 2004, Kassel 2006 und Heilbronn 2007) zugänglich macht, sind nicht neu. Sie lagen bereits Mitte 2012 vor – ohne dass sie in der medialen Berichterstattung Erwähnung gefunden hatten. Dennoch belegen sie noch einmal eindringlich, dass an allen genannten Tatorten die offizielle Version die unwahrscheinlichste ist.
In diesem Sinne ist der Film sehenswert und wichtig, da er viele Indizien und Zeugenaussagen, die gegen die offizielle Version sprechen, noch einmal zusammengetragen und visualisiert hat.
“In der mit den neuen Erkenntnissen erweiterten Dokumentation veröffentlicht das ZDF exklusive Video- und Fotodokumente des Nationalsozialistischen Untergrunds und seiner Mittäter. Beispielhaft hierfür stehen Sequenzen aus Überwachungsvideos, die Böhnhardt und Mundlos unmittelbar vor und nach dem Keupstraßen-Attentat in Köln 2004 zeigen. Bilder, die nie Gegenstand der Öffentlichkeitsfahndung nach den Terroristen wurden. Der frühere CDU-Obmann im NSU-Ausschuss, Clemens Binninger, glaubt nicht mehr an Zufälle: “Da hat man so verkürzt ermittelt, wo ich mich frage, warum?”.
Das ZDF Videomaterial zeigt exklusiv Uwe Mundlos auf einer Veranstaltung nordrhein-westfälischer Neonazis und dokumentiert so die weite Vernetzung zu Neonazikreisen auch in West-Deutschland.
Besonders dubios erscheint die Rolle des Kölner Rechtsextremisten Johann H. Nach den Phantomzeichnungen der Opfer könnte Johann H. der Mann gewesen sein, der die Bombe in der Kölner Probsteigasse (Sprengstoffanschlag in der Kölner Probsteigasse 2001, d.V.)   gelegt haben soll. Die Dokumentation veröffentlicht die Bilder, die nach Zeugenaussagen gefertigt wurden. Sie zeigen einen jungen Mann mit blonden, lockigen halblangen Haaren. Der mutmaßliche Bombenleger sieht keinem der bekannten NSU-Täter ähnlich. Der Bericht zeigt bisher unveröffentlichte Videobilder von Johann H. auf einer Neonazi-Veranstaltung. Sein Aussehen entspricht der Täterbeschreibung der Zeugen. Eine Einschätzung, die nach einem dem ZDF vorliegenden Dokument auch der Verfassungsschutz teilt. Johann H. ist Kölner Neonazi und wegen Sprengstoffvergehen bereits einschlägig verurteilt.
Diese Spur wurde jahrelang nicht ernsthaft geprüft, wie die Opferanwältin Christina Clemm bestätigt: “Es wurde nicht recherchiert, jedenfalls nicht nach unserer Kenntnis.” Die Vermutung liegt nahe, dass hier ein möglicher Täter geschützt wird.
Der Kasseler NSU-Mord 2006 wirft nach Auswertung der Ermittlungsunterlagen weitere Widersprüche auf. So hielt sich der V-Mann-Führer Andreas T. zum Tatzeitpunkt am Tatort auf. Dem ZDF liegen Dokumente vor die belegen, dass der Geheimdienstmitarbeiter entgegen seinen bisherigen Aussagen auch beruflich mit der Mordserie an ausländischen Geschäftsleuten betraut war.
Ebenso dokumentiert der Film, wie engmaschig der NSU auch mit V-Leuten des Inlandsgeheimdienstes und der Polizei noch während seiner Raubüberfälle und Mordtaten umrahmt war. Für den Hamburger NSU-Opferanwalt Thomas Bliwier steht nach drei Jahren NSU-Ermittlungen ein erstes Resümee fest: “Natürlich steckt eine Menge Staat im NSU.” (aus dem zdf-info Ankündigungstext)
 
Eine aktualisierte Recherche zu der “Menge Staat im NSU” findet sich hier: Der Staatsanteil am NSU.
Wolf Wetzel
 

Visits: 360

6 Kommentare

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert