Ehrbarer Antisemitismus? Von Markus Mohr (Teil II)

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Ehrbarer Antisemitismus?

Mit Hass und Verachtung überbietet Wolfgang Pohrt alle …. (Teil II)

Im ersten Teil des Beitrages „Ehrbarer Antisemitismus“ wurde der Aufgalopp zu der Antisemitismusmarkierung gegen Kriegsgegner in den ersten Wochen des Golfkrieges 1991 skizziert.

Dieser Teil widmet sich den Montagen und Techniken, die im Anschluss von Wolfgang Pohrt und Eike Geisel zeitgenössisch gegen Friedensbewegung und Autonome in Stellung gebracht wurden.

Die Fußnotennummerierung vollzieht sich durch alle Folgen fortlaufend. Ich danke Klaus Wernecke für Kritik und Anregungen zu diesem Text

Mit „Haß und Verachtung“

Eben alle diese Stellungnahmen werden sicher auch dem Herausgeber der Monatszeitschrift konkret Hermann Gremliza und dessen Autor Wolfgang Pohrt bekannt gewesen sein, als die März 1991-Ausgabe vorbereitet wurde. In seinem Leitkommentar öffnete Gremliza mit durchaus elegant-gedrehten Formulierungen die Schleusen zur Kriegsbefürwortung. Er zeigte sich davon überzeugt, „dass hier einmal aus falschen Gründen und mit falschen Begründungen das Richtige getan zu werden scheint.“ Dabei erschien ihm als das „Richtige“ die Absicht, „dass der Irak der Fähigkeit beraubt werden muß, Israel – wie von Saddam angekündigt – anzugreifen und zu liquidieren.“ Eigentümlicherweise konfigurierte Gremliza dabei seine Pro-Kriegs-Position in direkter Referenz zu keinem Geringeren als dem in dieser Angelegenheit so vielfältig wie umtriebig agierenden Henryk M. Broder. Dabei nahm er das gegen ihn von Broder vor Jahren erhobene Verdikt einer mutmaßlichen „antisemitischen Virulenz“ auf, um sich damit sogar selbst als „Antisemit“ zu markieren. Gleichwohl geht dieser ziemlich tückische, weil selbstbezüglich-identitäre Zugriff am Ende der Kolumne für Gremliza irgendwie gut aus: Er glaubt fest daran, sich wenigstens hier mit „Henryk“ darin gemein machen zu können, „die aktuelle Gefahr für Israel“ dadurch abzuwenden, „Saddam seiner deutschen Chemie entwaffnet“ wird. (27)

In einem weiteren Beitrag in dem Heft ließ es der Konkret-Redakteur Wolfgang Schneider an Invektiven gegenüber der Friedensbewegung nicht fehlen: „Grassierende deutsche Friedenssehnsucht“ gehörte dabei noch zu den freundlicheren Aburteilungen der unzurechnungsfähigen, sprich kranken Aktivisten. Schneider zeigte sich davon überzeugt, dass sich deren „Wahn“ gerade nicht aus Argumenten, sondern „aus einem trüben Gemisch von schlechtem Gewissen, Selbstmitleid und dem Verlangen nach Revanche, von Schuldgefühlen, Angst und Rachebedürfnissen“ gespeist haben soll.

Er konstatierte hier eine „Weigerung (…) für das eigene Tun einzustehen und die Folgen der NS-Massenmorde zu tragen.“ Unter Verweis auf eine von Schneider affirmativ von dem Faschisten Michael Kühnen herangezogene Bemerkung zu den „hinter den USA stehenden Kräften des Zionismus“ entdeckte Schneider sogar noch eine „Übereinstimmung zwischen den Parolen rechtsradikaler und linker Gruppen.“ Eben diese sei in Deutschland gerade nicht zufällig, liege „ihnen doch gleichermaßen das Bedürfnis zugrunde, den Amerikanern den 8. Mai 1945 und den Juden Auschwitz heimzuzahlen.“ Wie bitte? Auch linke Gruppen in der BRD des Jahres 1991 wollen den „Juden Auschwitz“ heimzahlen? Starke These! Dazu addierte Schneider noch die „Eindrücke“, die der stellvertretende Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde in München, Wolf S. Bruer, „von der Stimmung auf den Anti-Kriegs-Demonstrationen während der ersten Woche des Golfkriegs“ in dem Satz zusammengefasst hatte: „Wenn es diese Scheiß-Juden nicht gäbe, gäbe es keine Probleme da unten.“ Alles in allem zeigte sich Schneider von den „ungeheuren Verleugnungsleistungen“ der deutschen Nachkriegslinken überzeugt, in der „ihr ganzes Elend“ offen zu Tage trete, kurz: „ihr völliges Versagen vor der Aufgabe, zu begreifen, was in Deutschland zwischen 1933 und 1945 geschehen ist und welche Konsequenzen daraus gezogen werden sollten.“ (28)

Da hat Schneider wahrlich eine ganze Kaskade von starken Behauptungen zusammengetragen, die sich auch deshalb nicht leicht widerlegen lassen, da sie sowohl aus seinem subjektiven Belieben als auch aus den „Eindrücken“ des stellvertretenden Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde in München generiert worden sind. Wenn letzterer die „Stimmung auf den Anti-Kriegs-Demonstrationen“ mit dem markanten Begriff der „Scheiß-Juden“ resümiert, gilt das dann im unbegrenzten Additionsverfahren für alle daran beteiligten Aktivisten? Und was sagt es eigentlich über den langjährigen Konkret-Redakteur Schneider selbst aus, wenn ihm erst zu Beginn des Jahres 1991 ein „völliges Versagen“ der Linken dämmert, „zu begreifen, was in Deutschland zwischen 1933 und 1945 geschehen ist und welche Konsequenzen daraus gezogen werden sollten“? War womöglich diese Zeit des deutschen Faschismus niemals so recht Thema in der Zeitschrift konkret?

So intonierte die Redaktion der Zeitschrift konkret ihre Kriegsunterstützung und brachte sich nebenbei selbst wie Gremliza mit gedrechselten Pro-Krieg-Formulierungen zuzüglich des Selbstbekenntnisses als „Antisemit“ in entsprechend erregte Stimmung. In der gleichen Ausgabe ließ die Redaktion die von Pohrt verfasste ultimative Pro-Krieg-Stellungnahme drucken. Was auch immer man daran auch heute noch aussetzen muss, sie ist ganz vom Geist der Überbietung aller in der Golf-Kriegs-Debatte vorangegangenen Positionen gekennzeichnet. Wo Biermann und Enzensberger gegenüber der Friedensbewegung und Autonomen im Sound lediglich andeutend raunten und die Exponenten der sozialliberalen Intelligenzija für ihre USA- und Israel-Bekenntnisse gemeine Worte über die Kriegsgegner gar nicht benötigten, schaltete Pohrt mit aller Aggression und rhetorischen Macht auf Angriff. Im Grunde wurde dabei niemand verschont. Der Bundesregierung, „von der man so wenig hört“, attestierte er, dass man von ihr den Eindruck haben könnte, „sie sei schon außer Landes geflüchtet“, und darüber hinaus werde die Bundeswehr „an Feigheit nur noch von den Reportern der ARD und des ZDF übertroffen.“

 

Ach, hätte es Pohrt hiermit bewenden lassen. Stattdessen schob er mit allem ihm zur Verfügung stehenden „Hass und Verachtung“ sowohl die Friedensbewegung wie auch die Autonomen nicht nur vor die Kulisse des Nationalsozialismus, die Autonomen wurden gleich zu Nazis selbst erklärt. Der Friedensbewegung wusste er eine „völkische Generalmobilmachung“ zu unterstellen, die „sich in nichts von der Technik und vom Vokabular der NS-Propaganda unterscheidet.“ Pohrt sagte der Friedensbewegung auf den Kopf zu, dass sie es „dem Weltpolizisten USA (verübelt), daß er ihren Eltern per Krieg das friedliche Massenmorden in Auschwitz ausgetrieben hat“. Hiesige Fernseh-Kommentatoren, „die in ihrer sinnverlassen-autistischen Art unentwegt irgendwelche absurden Friedensvorschläge machen“, markierte Pohrt als „auf frischer Tat ertappte Feiglinge und Verräter“, denen es allerdings nicht anstehe, „auch noch das Maul aufzureißen.“ Und auch die Autonomen würden mit der ihnen von Pohrt untergeschobenen „Nazi-Parole ‘Kein Blut für Öl’“ lediglich den Zusammenhang von „Militanz und völkisches Bewußtsein demonstrieren“. Von ihm als „piepsstimmig“ bezeichnete „Erzieherinnen, Lehrerinnen und Mütter“, die „Kinder und Enkel der Massenmörder von einst“, die öffentlich ihre Angst vor dem Krieg zum Ausdruck brachten, unterschob Pohrt einen „krankhaften Egoismus“, dem er nur „Verachtung und Haß“ entgegenbringen könne. Und von hier marschierte er in aller Unbefangenheit zu seinen eigenen Gewaltphantasien durch, als er seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, „daß der Staat die vielen weißen Friedenstücher als Kapitulationserklärung anderer Art begreifen und darin eine Einladung sehen werde, das ganze Pack hinter Gitter zu verfrachten.“ Auch an die alte Debatte in der APO im Juni 1967 nach der Ermordung von Benno Ohnesorg erinnerte Pohrt in seiner Brandrede, als er das damals von Habermas gegen Dutschke gebrauchte „Wort vom Linksfaschismus“ aufgriff, sich dabei aber jegliche noch Habermas durchaus eigene Differenzierung ersparte. (29) Pohrt klar und unmissverständlich:

„Die Vorsilbe Links“ könne man sich sparen, denn die Regel laute doch hier: „Je weiter links einer stand, ein desto engagierterer Nazi ist er nun, alle politischen Gliederungen sind erhalten geblieben, haben aber das Vorzeichen gewechselt, man braucht keine Phantasie mehr, um sich die Antiimpis oder die Autonomen als“  als Volkssturmabteilungen der Hitlerjugend oder als Verbände der Aktion Werwolf vorzustellen.“

Was für eine von Pohrt erstellte traurige Bilanz in Bezug auf die Geschichte der außerinstitutionellen Linken! Während es die rebellierenden Studenten aus dem West-Berlin im Sommer des Jahres 1967 mit ihren Aktionsvorstellungen für Habermas immerhin noch zu der Inkarnation eines „linken Faschismus“ brachten, verblieb für Autonome nur noch die Negativmarkierung als „Volkssturmabteilungen der Hitlerjugend“ – und das sogar, sofern Pohrt hier mal nicht geflunkert hat, frei von aller Phantasie. Ein bisschen verblüffend war diese Konstellation schon: Da reihte sich also Pohrt gemeinsam mit den Hitlerjungen a.D. Wehler und Habermas an der Seite des Staates Israels ein, während Autonome als eine zentrale Innovation für die Protestgeschichte der 1980er Jahre in der BRD, die also niemals die faire Chance bekommen hatten, jemals in den Dienst der Hitlerjugend einzutreten, genau dazu erklärt wurden. Da weiß man nicht viel, aber doch eines: Die Rezeption der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert hat in der fabelhaften Ideenwelt Pohrts, der doch als ein ganz anständiger Mitläufer von vorbildlichen Studentenkrawallen in Frankfurt Ende April des Jahres 1969 gegen die Ausweisung des Genossen Ahmad Taheri gelten kann, immer so einige Überraschungen bereitgehalten. (30)

Hier ist sich Pohrt in seinem Traktat nicht zu fein, direkt auf die von etwa 100 Organisationen durchgeführte Großkundgebung der bundesdeutschen Friedensbewegung am 26. Januar 1991 in Bonn gegen den Golfkrieg zu sprechen zu kommen, an der sich ca. 200.000 Leute beteiligt haben. Hier weiß er zu berichten:

„Man faßt es einfach nicht, daß in Israel Auschwitzüberlebende mit der Gasmaske nachts unter Sirenenalarm in den Schutzraum flüchten müssen, während die Kinder und Enkel der Massenmörder von einst hier gemütlich über das Verhältnis von erster und vierter Welt räsonieren oder sich fröhlich auf der Bonner Hofgartenwiese tummeln und nicht die Verteidigung der Bedrohten, sondern Frieden mit einem Aggressor fordern.

Von dieser Beschreibung ist es für Pohrt in einer Situation, in der er seinem Gefühl Ausdruck verleiht, dass „unter anderem die Existenz des Staates Israel“ auf dem Spiel stehe, nur noch ein intellektueller Katzensprung zu der „Neuauflage der Friedensbewegung“, den Beschluss zu fassen, „daß die hiesige Linke im weitesten und im engen Sinn wirklich für alle Zeiten moralisch erledigt“ sei. (31)

Am Schluss seiner Abhandlung und quasi als Krönung seiner Gewaltphantasien wünschte er sich ganz im Geiste von Wolf Biermann noch, dass Israel die Absicht Bagdads, es mit Chemiewaffen auszulöschen, „gegebenenfalls hoffentlich mit Kernwaffen zu verhindern wissen wird.“ (32)

Aus diesem Text von Pohrt heulen ganz offenkundig die Wölfe. Es handelt sich hier um einen eigentümlich seltsamen, irrlichternden, geradezu pornographischen Text. Seine Argumentationstechnik, wenn man sie so nennen will, besteht darin, durch Assoziationen Dinge und Sachverhalte zu montieren, die nicht zusammenpassen – eben das ist das Handwerkszeug des deutschen Irrationalismus.

Kann es denn wirklich sein, dass sich die „Kinder und Enkel der Massenmörder von einst“ sich zum Protest gegen Golfkrieg einfach nur „fröhlich auf der Bonner Hofgartenwiese“ getummelt haben, um „nicht die Verteidigung der Bedrohten, sondern Frieden mit einem Aggressor“ zu fordern?

Zu vermuten steht hier, dass Pohrt mit ziemlicher Sicherheit nicht persönlich an der besagten Kundgebung der Friedensbewegung am 26. Januar 1991 in Bonn teilgenommen hat. Woher mag er hier nur sein Wissen bezogen haben, vielleicht aus der diesbezüglichen Presseberichterstattung? In der taz wurde ein Bericht von der Demonstration mit der Titelzeile aufgemacht, dass die KundgebungsrednerInnen während der Manifestation darauf „achteten, das Leid zu betonen, das der Krieg für alle Menschen bringt, in Israel wie im Irak und in Kuwait.“ (33) Die Frankfurter Rundschau zitierte in ihrem Bericht keinen Geringeren als den DGB-Vorsitzenden Heinz-Werner Meyer. Angesichts des Vorwurfes des Anti-Israelismus erklärte dieser: „Widersteht der ungeheuerlichen Behauptung die Friedensbewegung in Deutschland sei bereit dem Staat Israel an den Aggressor Saddam Hussein auszuliefern.“ Aus der Rede von Bischof Gottfried Forck zitiert der Bericht die Aussage: „Gerade weil wir als Deutsche in Auschwitz am Tod von Millionen jüdischer Menschen schuldig geworden sind, möchten wir alles tun, daß das Giftgas in den Händen von Saddam Hussein nie gegen Israel zur Anwendung kommt.“ (34)

Lässt man diese Ausssagen auf sich wirken, bekommt man doch ein den Eindruck, dass der von Pohrt behauptete Recherchebefund zu dem Inhalt der Kundgebung auf der Bonner Hofgartenwiese ein bisschen geflunkert ist, womöglich stimmt daran auch nicht einziges Wort. So gut wie alle RederInnen haben sich explizit, klar und eindeutig gegen den Giftagsbeschuss des irakischen Diktators auf Israel ausgesprochen. O-Ton Andreas Buro:

„Das Ausmaß an Emotionalität ist so groß (…) weil unsere faschistische Vergangenheit der entsetzlichen Verfolgung und Vernichtung von Juden sich so dramatisch mit Ängsten, Tabuisierungen und Verdrängungen der Gegenwart verbindet. (…) Unsere Kritiker fragen, setzt ihr mit Eurer Forderung nach Frieden und Abzug der Angriffstruppen der USA und ihrer Alliierten nicht Israels Sicherheit aufs Spiel? Wie das? Ist nicht Israel gerade erst durch die militärische Antwort der USA auf die irakische Besetzung Kuwaits gefährdet worden? Seit dieser Zeit schlagen die Scud-Raketen ein und die Angst vor Giftgas geht um. Ist überhaupt Frieden und Sicherheit für Israel dauerhaft zu bewerkstelligen, wenn nicht Friede und Sicherheit für einen eigenen Staat der Palästinenser garantiert ist? Anti-israelisch ist es, Giftgas und Waffen in die Region zu liefern. Mit vielen teilen wir die Scham und Trauer, daß dies durch deutsche Menschen und Firmen erfolgte.“

O-Ton Prof. Dr. Ulrich Gottstein (Vorstandsmitglied der deutschen IPPNW-Sektion): „Wir sind zutiefst empört, daß Israel, für das wir Verantwortung tragen, in größte Gefahren gekommen ist, dadurch, daß deutsche Industrie und andere westliche Industrie den Staat Irak zu einer Supermacht gemacht haben, von dem jetzt eine existentielle Gefährdung für Israel ausgeht. Die Bevölkerung Israels soll wissen, daß wir über die Terrorangriffe auf Tel Aviv empört und wütend sind.“ O-Ton Brigitte Erler: „Mit besonderem Entsetzen, Abscheu und Scham erfüllt uns, daß Deutsche schuld sind am Leiden und Sterben von Juden. Ich kann es noch gar nicht fassen, daß wir wieder dabei sind! (…) Wir fordern: Keine Unterstützung für den Krieg, weder finanziell noch materiell Wir fordern: Den Rückzug Iraks aus Kuwait! Wir fordern: Hände weg von Israel! Wir fordern: beendet diesen Krieg sofort.“ O-Ton Verena Krieger: „Entsetzt müssen wir (…) erleben, wie Israel als unbeteiligtes Land militärischen Angriffe und ungeheuerlichen Drohungen durch den Irak ausgesetzt ist. Bei aller Kritik an seiner Politik gegenüber dem palästinensischen Volk – in dieser Situation gebührt Israel unsere volle Solidarität. Und es ist eine zwingende Folge dieser Solidarität, daß wir für eine schnellstmögliche Beendigung des Krieges kämpfen – denn entgegen der herrschenden Logik des Krieges, die Israel praktisch zur Geisel der Alliierten macht, kann nur so die Bevölkerung in Palästina vor weiteren Bombenanschlägen geschützt werden.“ (35)

Noch nicht einmal die Pohrtsche Behauptung, auf der Hofgartenwiese hätte es ein fröhliches Stelldichein der „Kinder und Enkel der Massenmörder von einst“ gegeben ist für bare Münze zu nehmen. So erhielt dort mit Felicia Langer jemand auf einer Kundgebung das Wort, die in Polen der frühen 1940er Jahre viele Angehörige im Holocaust verloren hatte.

Der, der es in seiner Isolation anderen mit geballter rhetorischer Ladung schwer verübelt, dass sie das „Maul aufreißen“, reißt es selber auf, um seine ganze Verzweiflung herauszubrüllen. „Man faßt es nicht …“ stöhnt Pohrt in einer Passage in direkten Bezug zu Israel kurz auf. Doch anstatt um Hilfe zu rufen, schaltet Pohrt auf ein Maximum an Aggression und ergötzt sich an seinen Gewaltphantasien und das mit einem durchaus klaren Blick auf Ruhe und Ordnung. (36) In einigen Passagen vollzieht sich der Text im Irrealis, die Anstrengungen, die Sache selbst in vielfacher Weise zu entstellen, sind ihm deutlich anzumerken. Dabei scheint sich Pohrt an ein paar Stellen fast der Klaviatur der Karikatur zu bedienen, wenn er ausgerechnet in der Zeitschrift konkret Presseartikel aus der FAZ und aus der Bild-Zeitung lobt: „die besten – und übrigens hervorragend geschriebenen – Kommentare findet man in Bild“. Lebensbiographisch – so steht begründet zu vermuten – ist Pohrt mit diesem Text in einem politischen Sinne in die Rolle eines renitenten Kleinbürgers zurückgekehrt – eine Figur, die er noch in einem seiner frühen Texte versucht hat, gegen den Strich zu bürsten. (37)

Allerdings sind die Pohrtschen Gewaltträume eigentümlich sublimiert und damit eben auch politisch außerordentlich interessiert formuliert. Er vermeidet es klar zu sagen, dass er selber den FriedensdemonstrantInnen, immerhin die „Kinder und Enkel der Massenmörder von einst“, in die Fresse hauen will. Komisch, denn „Erzieherinnen, Lehrerinnen und Mütter“ hätten doch für die Pohrtschen Fäuste eine leichte, fast risikolose Beute sein können. Doch wenn die Kritik einmal nicht hinreicht, ruft der „Ich-hab-Polizei“-Intellektuelle Pohrt die 110 an und setzt ganz auf die bundesdeutschen Sicherheitsbehörden, die das „Pack“ in den Knast verfrachten soll. Wie das immer so ist, wenn „staubtrockene Intellektuelle blutrünstig“ werden – um hier ein zielführendes Bonmot von Ilse Bindseil in Anschlag zu bringen. Ja und überhaupt: Wurden die bundesdeutschen Sicherheitsbehörden denn so gar nicht von den „Kindern und Enkeln der Massenmörder von einst“ aufgebaut? Und was bedeutet es genau, wenn Pohrt nicht nur den Zustand einer „politisch führungslosen Nation“ beklagt, sondern darüber hinaus auch noch die Bundeswehr der „Feigheit“ überführt? Ob hier womöglich indirekt zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass sich die Bundeswehr an der guten alten Wehrmacht hätte ein Beispiel nehmen sollen, der man sicher so manches, aber Führungsschwäche, gar Feigheit so richtig nicht vorwerfen kann?

Insbesondere der Artikel von Pohrt, der zeitgleich gekürzt auch in einer Ausgabe der in Paris erscheinenden englischsprachigen International Herald Tribune publiziert worden ist, schlug in der Öffentlichkeit – umgangssprachlich formuliert – wie eine Bombe ein. Ein Beitrag in der taz versetzte Pohrt in einen für die Bundeswehr unbekannten Rang eines „Feldmarschalls für den Golfkrieg“. (38) Ein Beitrag in der linksradikalen Zeitung Prowo aus Berlin resümierte die kriegsbefürwortenden Stellungnahmen der Zeitschrift konkret als eine Wiederauflage der „Totalitarismustheorie“. (39)

Wohl kurz nach Erscheinen der Pohrt-Philippika soll auch der Staatsminister im Auswärtigen Amt Helmut Schäfer bei dem Herausgeber von konkret angerufen haben, um diesen zu sprechen. Folgt man hier der Darstellung der Zeitschrift, sollen Schäfer nach der Lektüre „die Haare zu Berge“ gestanden haben, und weiter wird aus dem Gespräch ohne Autorisierung referiert: „Das dürfe doch alles nicht wahr sein, dieser Pohrt beleidige ja den Bundeskanzler und den Außenminister und die Friedensbewegung zugleich, ja einfach alle Deutschen, und ob es denn wahr sei, daß so ein Mann in KONKRET schreiben dürfe, das gehöre doch in die `National- und Soldatenzeitung´, aber KONKRET habe doch einen Ruf zu verlieren …“ Wenn es sich denn mit dem Anruf so zugetragen hat wie dargestellt, dann ist das ein markanter Hinweis darauf, dass zumindest aus der Sicht der politischen Klasse die Zeitschrift konkret offensichtlich noch zu dem zulässigen Spielfeld der Bonner Republik gerechnet wurde, über das man die Kontrolle nicht verlieren wollte. Gremliza nutzte hier die Gelegenheit, darauf zu replizieren, dass „Genschers Staatsminister Schäfer“ am Telefon „zu einem Mann (gesprochen habe), der sich bis dahin als Staatsfeind glaubte verstehen zu können und sich nun als einer verstanden sah.“ (40)  Diese Selbstbenennung, von der offen bleiben kann, ob sie nun mit oder ohne triumphierenden Unterton geschrieben wurde, ist allerdings in Bezug auf die politische Vita des Herausgebers der Zeitschrift konkret seltsam: Gremliza, der gerade einmal im November 1989 nach jahrzehntelanger Mitgliedschaft aus der SPD ausgetreten war, soll danach in einer Art Turboverfahren zu einem „Staatsfeind“ mutiert sein? (41) So ganz überzeugend ist das nicht, zumal er doch gerade mal einen Monat zuvor seinen Autor Pohrt von der Leine gelassen hatte, um gegen das „Pack“ nach der Polizei rufen zu lassen.

Was auch immer. Wohl nicht wenige Erzieherinnen, Mütter und Lehrerinnen unter den Leserinnen der Zeitschrift konkret werden hier in Bezug auf die sie betreffende unmissverständliche Ansage die gute Gelegenheit beim Schopfe gepackt haben, ihr Abonnement zu kündigen. Gremliza erwähnte noch im Mai 1991 etwa 1.100 Abo-Kündigungen von – wie er sie despektierlich benannte – „Friedensfreunden“. (42)

Auch in der Form einer Vielzahl von Leserbriefen dokumentierten sich das Kopfschütteln und die Wut über den Frontalangriff der Zeitung auf die Linke. Das SPD-Mitglied und der Aktivist des Sozialistischen Büros Arno Klönne, der zu Beginn der 1980er Jahre ein Standardwerk zur Jugend im Dritten Reich vorlegt hatte, (43) vermerkte trocken, dass seitens einiger KONKRET-Autoren die Gelegenheit genutzt worden sei, „um die Reste von Verstand in der deutschen Linken wegzuräumen.“ Auch wenn es auch aus seiner Sicht „gute Gründe“ dafür gebe, „manche Gefühle und Argumente zu kritisieren, die bei den Protesten gegen den Krieg am Golf auch zum Ausdruck“ gekommen seien: „Aber wenn KONKRET-Autoren auf jede Unterscheidung verzichten um ‚die‘ Friedensbewegung pauschal und brutal diffamieren, dann sind sie es, die – um Pohrt zu zitieren – ‚die Technik der NS-Propaganda‘ übernehmen, unter antinazistischem Vorwand.“ (44)

Die Redaktion entschloss sich aufgrund des Umfanges der als „heftig“ bezeichneten „Zuschriften zu Pohrt, Schneider, Gremliza“ dazu, diese in einer Extra-Broschüre zu dokumentieren, die seitens der Abonnenten „kostenlos beim Verlag“ angefordert werden konnte, während „Nicht-Abonnenten (…) eine Schutzgebühr von DM 3,-“ zu bezahlen hatten. (45) In der besagten und für eine eingeschränkte Öffentlichkeit zugänglichen Broschüre finden sich 60 zum Teil längere Zuschriften fast ausschließlich negativen Inhaltes zu den Pro-Kriegs-Argumentationen der Genannten. (46) Im Mai 1991 resümierte Gremliza diese Reaktionen dahingehend, dass auch er „in schlimmster Vorahnung nicht für möglich gehalten hatte (….) daß unter den Lesern von KONKRET so viele Antisemiten sind, wie sich jetzt in Briefen zu Wort gemeldet haben.“ Kurz. Gremliza glaubte nun nach 17 langen Jahren seiner Herausgebertätigkeit, bei seinen eigenen Lesern bzw. Ex-Lesern ein verbreitetes und tiefsitzendes „antisemitisches Syndrom“ erkannt zu haben. (47) Wenn daran auch nur ein Quäntchen Wahrheit ist, müsste sich der Herausgeber von konkret eigentlich die Rückfrage gefallen lassen, was eigentlich bei dem von ihm seit Oktober 1974 verantworteten Blatt so schiefgelaufen ist, das er damit – so ja seine eigene Angabe – eine Unzahl von Leserinnen mit einem tief sitzenden „antisemitischen Syndrom“ angelockt hat. Manche Einfälle kehren zuweilen als unbequeme Fragen zurück.

Ilse Bindseil hat in einem zeitgenössisch verfassten Beitrag herausgearbeitet, um was für einen unendlich langen Weg es sich handelt, „den es bedeutet sich vom gefürchtetsten Kritiker des bürgerlichen Staats zu seinem leidenschaftlichsten Verehrer zu entwickeln.“ An dem Pohrtschen Bekenntnissen arbeitet sie heraus, wie für diesen „im Grunde (…) ungeniert kapitalistisch amerikanisch zu sein, sogar verlässlicher, als links zu sein“ sei. Und das zumal gerade bei Deutschen, denn hier „antiamerikanisch zu sein (sei) schon so gut wie antisemitisch.“ (48)

Die von Pohrt angeschlagene Tonlage wurde im Zusammenhang mit dem Golfkrieg auch in einigen Beiträgen seines ehemaligen Arbeitskollegen an der Universität Lüneburg in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre Eike Geisel aufgenommen. Während des Golf-Kriegs hatte Geisel zusammen mit Henryk Broder an zentraler Stelle auf der Ecke Kurfürstendamm/ Tauentzienstraße eine große Tafel gemietet, um dort gegen die Friedensbewegung Slogans zu präsentieren. (49)

Unmittelbar nach Kriegsbeginn bezichtigte Geisel den SPIEGEL-Herausgeber Rudolf Augstein und den Intellektuellen Ekkehard Krippendorf der „moralischen Nachrüstungfür die Friedensbewegung. Krippendorff hatte sich in einem Beitrag „ohne Wenn und Aber für Israel“, für eine „bedingungslose Anerkennung des Staates Israel als einer aus tragischen, von uns Deutschen wesentlich mitverschuldeten Ursachen entstandenen sicheren Heimat für die verfolgten Juden“ ausgesprochen. Hier wurde von Krippendorf angeregt, eine Art Schutzschild-Delegation „für dieses lebensbedrohte Land“ zu entsenden. Er wollte das aber mit der Forderung verbunden wissen, dort „zugleich den sofortigen Rückzug aus den besetzten Gebieten“ einzufordern. (50) Eben das erschien Geisel nur als eine – wie er formulierte – „branchenübliche deutsche Tarnformel für ihr genaues Gegenteil.“ Krippendorf wolle doch hier nur, so zeigte sich Geisel überzeugt, der „neu erwachten Friedensbewegung (…) genau jenes Quantum moralischer Aufrüstung“ verschaffen, damit diese sich „in der gegenwärtigen Situation mit der Parole vom Frieden das rechte Gewissen zum neuen Antisemitismus machen“ könne. Im Grunde handelt es hier um eine mit Chuzpe bewerkstelligte schlichte, wenn auch elegant formulierte Umdrehung der Position von Krippendorf. Und bei der von Geisel generierten Formulierung, sich mit der „Parole vom Frieden das rechte Gewissen zum neuen Antisemitismus“ machen zu wollen, handelt es sich – völlig frei von der immer etwas plump wirkenden „Nazi!“-Markierung – formulierungsästhetisch um einen echten Leckerbissen. (51) Geisel hätte das alles aber auch etwas einfacher mit dem Ausruf: „Krippendorf ist ein Lügner!“ ausdrücken können, wobei ihm dann allerdings leichter die Rückfrage zu stellen gewesen wäre: Woher wollen Sie das eigentlich wissen?

Ein paar Wochen später bog Geisel in einer auf Einladung unter anderem der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste durchgeführten Diskussionsveranstaltung mit seinem diesbezüglichen Antisemitismusverdikt gegenüber der Friedensbewegung einfach ab und transformierte sie in die etwas schlichtere Formulierung eines „Ressentiments“. Nun variierte er seine Formel wie folgt:

„Im Namen des Friedens gegen Israel zu sein, ist genau das Quantum moralischer Nachrüstung, dessen die Friedensbewegung bedurfte, um sich gutes Gewissen zum Ressentiment zu machen.“ Was gilt denn nun: sich „das rechte Gewissen zum neuen Antisemitismus“ oder sich doch nur ein „gutes Gewissen zum Ressentiment zu machen“? Immerhin hatte doch die Mehrheit der Aktion Sühnezeichen auch auf ihre Weise gegen den Golfkrieg Position bezogen. Hier hätte es doch in der Logik des von Geisel gegenüber von Krippendorf angeschlagenen Tons mehr als nahegelegen, eben auch die seit mehreren Jahrzehnten in Israel tätige Aktion Sühnezeichen als antisemitisch und damit – sagen wir – als eine dem Judenmord so offen wie aufgeschlossen gegenüberstehende Organisation zu brandmarken. Warum Geisel das hier schuldig blieb, gute Frage. Womöglich Feigheit vor dem antisemitischen Feind? Man weiß es nicht. (52)

Monate später erfand Geisel den Begriff der „linken Auschwitzlüge“. Zu den Protagonisten rechnete er dazu einige, darunter den Golf-Kriegsgegner Ernst Tugendhat, der „zum wandelnden Persilschein aller linken Antisemiten“ geworden sein soll. In den „Leserbriefspalten der TAZ“ habe sich zur Verteidigung des von seinem Amt als grüner Parteivorsitzender zurückgetretenen Christian Ströbele „die Basis zum alternativen Antisemitismus“ manifestiert. Hier zeige sich der „alternative Mob“ – später von Geisel im Text auch noch um eine „autonome SA“ ergänzt – ganz in seinem Antiamerikanismus, der „das treibende Moment bei der Hervorbringung der neuen Auschwitzlüge ist.“ Geisel profilierte dabei seinen Begriff, in dem er den Neonazis – wie er formulierte – zugutehielt, die Deutschen dadurch zu entlasten, „die Zahl der von ihnen Ermordeten herunter[zu]lügen“, während „man von der alternativen und friedensbewegten Sucht nach der möglichst großen Opfermasse sagen (müsse), daß sie die wahre nazistische Vernichtungswut konserviert“ habe. So sei es ja wohl, folgt man hier Geisel weiter, um „das von Vernichtungsphantasien und (der) Lust an der Apokalypse elektrisierte Milieu“ bestellt. (53) Eieiei: Friedensbewegte Junkies getrieben durch eine „nazistische Vernichtungswut“? Das ist schon wieder eine starke These! Doch abseits aller Formulierungskünste Geiselscher Provenienz: Seine Stellungnahmen zeigen, dass hier jemand unter Abbruch aller argumentativen Vermittlungen auf Angriff gegenüber ihm missliebige Positionen geht. Eine Binse, dass mit der Hypothese im Rücken, dass die anderen sowieso immer nur die Lügner sind, sich jede Attacke rechtfertigen lässt.

Als Eike Geisel im Sommer 1997 verstarb, goutierte sein Verleger Klaus Bittermann in seinem Nachruf auf ihn noch einmal dessen mutmaßlich „großes Vergnügen“, den – wie er formuliert – „Bankrott von Intellektuellen“ bloßzustellen. Das exemplifizierte er dadurch, dass er von deren „unheilbaren Liebe für den Befreiungskampf des palästinensischen und irakischen Volkes“ fabulierte, für den diese besagten Intellektuellen entflammt gewesen sein sollen und bei dem – man ahnt es bereits – sie „sich als Nationalisten und Antisemiten entpuppten.“ (54) Der Verleger als Enthüllungsjournalist!

Jedenfalls blieb Geisel einem Kultur-Redakteur der Tageszeitung auch fast 20 Jahre nach seinem Ableben mit seinen Volten während des Golfkrieges in guter Erinnerung. Und so türmte er hier unter Berufung auf Geisel Einfall auf Einfall. Geisel sei es doch gewesen, der damals den „neuen ‚moralischen Antisemitismus‘ der deutschen Friedensquerfront“ analysiert habe. Natürlich als „Ressentiment“ der Friedensbewegten, was denn auch sonst? Und eben das habe selbstredend „alle politischen Beweggründe abgestreift“ und entspringe nur noch „den reinsten menschlichen Bedürfnissen.“ Auch so zeige sich, so der taz-Redakteur in bemühter Prosa, „die deutsche Wiedergutwerdung (…) als Banalität des Guten.“ (55)

Markus Mohr                       2021

Fussnoten

(27) Hermann L. Gremliza, Richtig falsch, in: konkret Nr. 3 vom März 1991, S. 8. Aufgrund des durch die Politik von Michael Gorbatschow ausgelösten Umbruches in Europa hatte sich Gremliza bereits in einem Kommentar im Juli 1989 dafür ausgesprochen, dass die „spätestens seit dem Korea-Krieg (…) bei weitem aggressivste imperialistische Macht“ in der BRD bleiben „und die Reste des Besatzungsrechts (…) notfalls mit aller Macht wahrzunehmen“ solle. Und zwar gerade weil er „Schlimmeres“ fürchte, unter anderem „den Abriß der Mauer, die Wiedervereinigung, »die Deutschen« und Deutschland, Deutschland über alles.“ Siehe: HL Gremliza, Ami stay here, in: konkret Nr. 7 vom Juli 1989, S. 8

(28) Wolfgang Schneider, »Lazarett Deutschland« in: konkret Nr. 3 vom März 1991, S. 10

(29) Siehe die diesbezüglichen Bemerkungen von Habermas auf dem Kongress der APO Hochschule und Demokratie in Hannover am 9.6.1967. Die noch ganz im Duktus eines skrupulösen Seminarmarxismus der späten 1950er Jahre vorgetragene Attacke von Habermas auf Dutschke findet sich in einer Sequenz in der Fernsehdokumentation von Frank Hertweck, Simone Reuter, Rudi Dutschke – Deutsche Lebensläufe, auf: 3sat vom 24.8.2003, URL: https://www.youtube.com/watch?v=zf7xoAnp978, ab: 23:40 Min.

(30) Siehe das Foto in dem Beitrag von Hans-Joachim Noack, Feuer in der Frankfurter Universität / Rektor Ruegg: Vom SDS geplantes Fanal zur Revolution, in: SZ vom 30.4.1969, S. 1/2

(31) In einem Jahre später zum Tod von Eike Geisel verfassten Nachruf machte sich der in den 1970er Jahren als Mitglied in der Jungen Union aktive Oliver Tolmein dieses Pohrtsche Bonmot zu eigen, als er schrieb, die Friedensbewegung sei nach dem Golf-Krieg „auch wegen der Intervention von Eike Geisel trotz ihrer Mobilisierungserfolge politisch und moralisch am Ende“ gewesen. Siehe: O. Tolmein, Unversöhnlich / Zum Tod des Publizisten und Übersetzers Eike Geisel, in: Jungle World Nr. 33 vom 14.8.1997 , URL: https://www.jungle.world/index.php/artikel/1997/33/unversoehnlich

(32) Vgl. W. Pohrt, Musik in meinen Ohren, in: konkret Nr. 3 vom März 1991, S. 14 /15. Zu dem Zeitpunkt, als Pohrt seinen Kommentar abschloss, stand eine nukleare Eskalation des Konfliktes begründet im Raum. US-Vizepräsident Dan Quayle schloss in einem BBC-Interview einen Atomwaffen-Einsatz der USA als Antwort auf einen C-Waffenangriff Iraks nicht aus. Siehe Reuter, Atomkrieg bleibt Option, in: FR vom 2.2.1991, S. 2

(33) Ferdos Forudastan, Die Antikriegsbewegung in Bonn / „Leid ist Leid — Stoppt den Krieg!“ / 200.000 Menschen oder mehr haben am Samstag in Bonn gegen den Golfkrieg demonstriert. Nach den Auseinandersetzungen der letzten Tage um Pazifismus und den Schutz Israels achteten die RednerInnen darauf, das Leid zu betonen, das der Krieg für alle Menschen bringt, in Israel wie im Irak und in Kuwait, in: Taz vom 28.1.1991, S. 3. URL: https://taz.de/!1735131/

(34) Roman Arens, Die Kids wollen Frieden und nichts als Frieden / Nach der Bonner Demonstration dürfte für den diffamierenden Vorwurf des Anti-Amerikanismus kein Platz mehr sein, in: FR vom 28.1.1991, S. 8

(35) Siehe: Netzwerk Friedenskooperative, Sonderausgabe Friedensforum: Dokumentation zur Demonstration am 26.1.1991 in Bonn, Februar 1991

(36) In dem Pohrt-Text existiert eine subkutan mitschwingende affirmative Referenz auf eine unbedingte vom Westen zu kontrollierende Erhaltung von Ruhe und Ordnung im nationalen wie globalen Maßstab.  Das könnte mit Bezug auf die von dem jahrelangen Pohrt-Finanzier Jan Philipp Reemtsma unmittelbar vor dem Golfkrieg veröffentlichte Position formuliert sein. In dieser hatte Reemtsma nicht nur die Linke aufgrund des Niederganges der Sowjetunion für obsolet erklärt: „Die Linke hat nicht nur welthistorisch verloren, sondern es gibt sie nicht mehr“ – sondern sich gleich auch noch mit Blick auf den sich abzeichnenden Golf-Krieg auf denkbar einfältigste Art und Weise auf die Seite der US-Regierung geschlagen: „Nehmen wir die Vorbereitungen der USA zu einem Krieg am Golf. Eine imperialistische Aggression? Sicherlich. Wäre also die Parole: >Amis raus aus Saudiarabien!<? (…) An der Parole ist aber zudem unbehaglich, daß man nicht recht weiß, was man (…) den Einwohnern der betreffenden Region wünschen möchte: von den USA oder von Saddam Hussein dominiert zu werden. Ich persönlich zöge – möglicherweise aufgrund eines klassenspezifischen sowie weltregional bedingten Vorurteils – die erste Möglichkeit vor.“ Siehe: Jan Philipp Reemtsma, … the bad and the ugly / In den Jahren 1989/90 hat die Linke ihren weltgeschichtlichen Bezugsrahmen verloren – das heißt: Es gibt sie nicht mehr, in: konkret Nr. 12 vom Dezember 1990, S. 26

(37) Vgl. den unter dem Pseudonym „Wolfgang Trakl“ von Pohrt verfassten Text, Arbeiter und Kleinbürger / Provisorische Zwischenbemerkung zu einem immer schon geklärten Verhältnis, in: diskus – Frankfurter Studentenzeitung Nr. 2/3 1974, Wiederabdruck: Thomas Atzert (Hrg) Redaktion Diskus, Küss den Boden der Freiheit – Texte der neuen Linken, S. 161 – 164

((38) Thöm, Überall Feiglinge und Verräter / Jetzt hat auch ‘Konkret’, Forum der radikalen Linken, einen Feldmarschall für den Golfkrieg: Wolfgang Pohrt, in: taz vom 25.2.1991, S. 6

(39) O.N., Rot gleich braun? / Die Totalitarismustheorie a la Konkret, in: Prowo Nr. 12 vom 8.3.1991, S. 5

(40) O.N., von konkret, in: konkret Nr. 4 vom April 1991, S. 4

(41) Vgl. Hermann L. Gremliza , No deposit, no return, in: konkret Nr. 12 vom Dezember 1989, S. 8. Gremliza hatte sich noch im Frühjahr 1981 in dem von ihm mitunterzeichneten sogenannten „Bielefelder Appell“ an prominenter Stelle als SPD-Mitglied zu erkennen gegeben. Gegen die von der Bundesregierung Helmut Schmidts geförderte Aufrüstungsspirale mit neuen US-Atomraketen wurde von ihm hervorgehoben, dass auch er „zu Beginn der siebziger Jahre (…) große Erwartungen in die Friedens- und Entspannungspolitik“ seiner Partei gesetzt habe. Hier hätten doch die erzielten „positiven Ergebnisse“ zu einem „großen Vertrauensgewinn für unsere Partei in der Bevölkerung“ geführt. Doch nun stehe mit der anstehenden Aufrüstung für die SPD sowohl „das Vertrauen und der sichtbare Fortschritt, (…) auf dem Spiel.“ Gremliza stellte nicht nur seinen guten Namen, sondern auch seine. Zeitschrift selbst als Forum zur weiteren Verbreitung dieses Appells zur Verfügung. Siehe: H.L. Gremliza, Heinrich Albertz, Karl-Heinz Hansen; Günter Jansen; Walter Jens; Dieter Lattmann; Marie Marcks; Heide Simonis, u.a., Mut für eine bessere Zukunft / Sozialdemokraten appellieren an den SPD-Parteivorstand, die SPD-Bundestagsfraktion, den SPD-Bundeskanzler, in: konkret Nr. 5 vom Mai 1991, S. 16. Siehe auch: Claus Gennrich, In der Sicherheitspolitik zieht für Bonn schwerer Sturm aus der SPD auf / Das Vorgehen der Parteilinken, in: FAZ vom 27.1.1981, S. 5

(42) Oliver Tolmein (Gesprächsleitung), Eva Groepler; Thomas Ebermann; Jan Philipp Reemtsma; Hermann L. Gremliza, Bankrott der Linken? Streitgespräch, in: konkret Nr. 5 vom 1991, S. 10-17, hier S. 17. Im Editorial der Oktoberausgabe des Jahres 1991 kam die Redaktion noch einmal auf die 1.100 Abo-Abbestellungen zurück. Sie verwies dabei auf eine schriftliche Umfrage, dass 21 Prozent der Befragten „spontan nach Erscheinen des Märzheftes (wg. Pohrt) gekündigt“ haben sollen. Als „der dickste Brocken“ sollte sich nach Auffassung der Zeitschrift aber „Anti-Antisemitismus als Kündigungsgrund“ erweisen, den 39% der Befragten angegeben haben sollen. Die Redaktion kommentierte das gallig mit „Hinweis auf die plötzliche Entdeckung ihrer Liebe zu Deutschland und das ungestüme Walten der damit verbundenen völkischen Partialtriebe, die die Damen und Herren der Friedens-, Frauen-, Radio- und sonstigen Neusozialen Bewegungen des Vierten Reiches während des Golfkrieges“ gemacht haben sollen. Tja, … Siehe: O.N., von konkret, in: konkret Nr. 10 vom Oktober 1991, S. 4

(43) Siehe Barbara Klaus/Jürgen Feldhoff (Hrsg.): Politische Autonomie und wissenschaftliche Reflexion. Beiträge zum Lebenswerk von Arno Klönne, Köln 2017

(44) Arno Klönne, (Leserbrief) in: konkret Nr. 4 vom April 1991, S. 6

(45) O.N., von konkret, in: konkret Nr. 4 vom April 1991, S. 4

(46) Christoph Speier (ViSdP), konkret „Stellt euch vor, Konkret ruft zum imperialistischen Krieg gegen den Süden auf, und kein geht hin“ / Leserinnen- und Leserreaktionen auf die Beiträge zur deutschen Friedensbewegung und zum Golfkrieg in Konkret 3/91 / dokumentation, o.O. (Hamburg) o.J. (1991)

(47) Oliver Tolmein (Gesprächsleitung) Eva Groepler; Thomas Ebermann; Jan Philipp Reemtsma; Hermann L. Gremliza, Bankrott der Linken? Streitgespräch, in: konkret Nr. 5 vom Mai 1991, S. 10ff. Etwa 10 Jahre später kam Gremliza auf sein Antisemitenverdikt gegen einen bedeutenden Teil seiner Leserschaft nochmals zurück, als er in Bezug auf einen als „gigantisch“ bezeichneten „Aufschrei im linken Lager“ darauf hinwies, dass man damals mit dem zusammengestellten „Dossier“ ein „Dokument des Schreckens“ in Händen halte. Gremliza weiter: „Wenn man bloß einen oder zwei derartige Leserbriefe liest, kann man sagen: Na ja, dies ist vielleicht etwas unglücklich formuliert, jenes hat eventuell einen antisemitischen Anklang. Betrachtet man aber die ganze Sammlung dieser Reaktionen, verbinden sie sich zu einem einzigen antisemitischen Pamphlet.“ in: Kurt-Emil Merki, Deutschlands (schlechtes) Gewissen / Hermann L. Gremliza wird am 20. November 60 Jahre alt. Er ist nicht mehr der Jüngste, aber noch immer einer der schärfsten Publizisten deutscher Sprache, in: Tagesanzeiger vom 16.11.2000, S. 68

(48) Ilse Bindseil, Wolfgang Pohrts Ideologiekritik, in: Ilse Bindseil; Monika Noll (Hg.) Frauen 2: Polemik und Politik. Freiburg, S. 113–156. Die Zitate der Reihe nach auf S. 138 und S. 145

(49) Maz, Saddam lässt am Ku’damm grüßen, in: taz-B vom 11.2.1991, S. 21. „Seit einigen Tagen flackern Sprüche der agentur antifada wie >An die deutsche Friedensbewegung: Vielen Dank für die moralische Nachrüstung! Ihr Saddam Hussein<” oder >Von den Deutschen lernen, heißt durchhalten lernen! Saddam Hussein< über die Avnet-Bildwand am Kudamm. (…) Den beiden Hauptinitiatoren, Eike Geisel und Henryk M. Broder, kam die Idee für diese Bildschirmkampagne “zwischen zwei Kaffees”, wie Geisel erzählt. >Wir haben uns überlegt, was man gegen diese moralische Einheitsfront machen könnte.< Eine gut 10.000 Mark teure Idee, an deren Kosten sich rund 20 Leute aus der Publizistenszene beteiligen.“ Siehe auch das diesbezügliche Foto im SPIEGEL Nr. 10 vom 4.3.1991, S. 239. Zu der engen Zusammenarbeit und Freundschaft zwischen Eike Geisel und Henryk Broder siehe auch das ausführliche Vorwort seines Verlegers Klaus Bittermann in dem vom ihm herausgegebenen Buch, Eike Geisel, Die Wiedergutwerdung der Deutschen / Essays & Polemiken, Berlin 2015, S. 8/9

(50) Ekkehard Krippendorf, Ohne Wenn und Aber für Israel / Auch die arrogante Politik Israels machte Saddam Hussein populär, in: taz vom 22.1.1991, S. 11, URL: http://www.taz.de/!1736103/

(51) Yaron Matras, Jochen Hippler, Gabi Gottwald, Daniel Gaede, Eike Geisel und Oliver Tolmein, „Das kann man nicht verlangen“ – Streitgespräch, in: konkret Nr. 4 vom April 1991, S. 10ff. Der Mitarbeiter der Aktion Sühnezeichen Gaede referierte auf der Veranstaltung die Position der Vorsitzenden seiner Organisation während einer am 12. Januar, also noch vor Ablauf des Ultimatums, an der US-Air-Base in Frankfurt gehalten Rede. Sie habe darauf hingewiesen, dass zwar Saddam Husseins Drohung, er werde, wenn der Irak angegriffen würde, Israel bombardieren, abzulehnen sei, dass aber eben diese Drohung auch nur möglich und so populär sein könne, weil es in Israel-Palästina Konflikte gebe, die bis heute nicht gelöst seien. Danach sei dann aber nach den Scud-Angriffen „der Konsens auch bei uns auseinander“ gegangen. Gleichwohl werde auch weiterhin von einer Mehrheit in der ASF die Position vertreten, dass dieser Krieg mit seinen unabsehbaren Folgen auch die Sicherheit Israels nicht garantieren könne. Die besagte Diskussionsveranstaltung fand am 20. Februar 1991 in Hamburg statt.

(52) Eike Geisel, Moralische Nachrüstung / Augstein und Krippendorff — zwei gute Deutsche und der Golf , in: taz vom 25.1.1991, S. 10

(53) Eike Geisel, Die Auschwitzlüge / Die Ende Mai veröffentlichten Zahlen der irakischen Opfer des Golfkrieges können die alternative und friedensbewegte Sucht nach der möglichst großen Opfermasse nicht befriedigen, in: konkret Nr. 7 vom Juli 1991, S. 16ff Siehe auch vom Tenor ähnlich lautenden Beitrag Eike Geisel, Déjá-vu: Die Achse Berlin – Bagdad, in: Broder u.a. Liebesgrüsse aus Bagdad / Die „edlen Seelen der Friedensbewegung“ und der Krieg am Golf, Berlin 1991, S. 94 – 99

(54) Klaus Bittermann, Die Banalität des Guten, in: Junge Welt vom 9.6.1998. Auch als Nachwort in: Eike Geisel, Triumph des guten Willens, Berlin 1998, S. 197 – 202, hier S. 198

(55) Ulrich Gutmair Sammelband von Eike Geisel: Der Fremde ist eine Provokation / Erinnern sei in Deutschland die höchste Form des Vergessens, schrieb Eike Geisel, in: taz vom 10.2.2016, URL: https://taz.de/Sammelband-von-Eike-Geisel/!5272665/

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