Marie-Agnes Strack-Zimmermann meets Joseph Goebbels im Darkroom
Gestern erlebte ich einen der aufregendsten Tage meines Lebens. Dank einer besonderen Einladung des Inspekteurs Luftwaffe hatte ich die Gelegenheit, in einem Eurofighter mitzufliegen. Der Flug fand beim Taktischen Luftwaffengeschwader 31 „Boelcke“ in Nörvenich bei Köln statt, und ich kann nur sagen: Top Gun-Feeling pur!
Bevor ich in den Jet steigen konnte, wurden natürlich alle nötigen medizinischen Checks durchgeführt – die ich glücklicherweise bestanden habe.
Manche fragen sich: Warum setze ich mich in Panzer und Kampfjets der Bundeswehr? Die Antwort ist einfach. Ich bin fest davon überzeugt, dass ich nur so authentisch und glaubhaft für die Interessen der Soldatinnen und Soldaten eintreten kann. Und ja, ein kleines bisschen Spaß hat es natürlich auch gemacht.
Ein großes Dankeschön geht an alle, die diesen unvergesslichen Flug möglich gemacht haben. Allen Soldatinnen und Soldaten, die tagtäglich Ihren Dienst für uns verrichten, zolle ich Respekt. Es war mir eine Ehre und ein Privileg, diese Erfahrung zu machen. (MASZ)
Man könnte meine, dass das ein 25-Jähriger geschrieben hat oder auch ein Influencer, der von der Bundeswehr bezahlt wurde und weiß, dass man im Flow sein, cool und trendy daherkommen muss. Dann ist es egal, welche Scheiße man vertritt und verkauft.
Stimmt alles nicht: Die Person ist 65 Jahre alt und eine Frau. Das macht den Krieg doch so richtig weiblich.
Es handelt sich um die FDP-Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die auch ihre 80-jährige „Zurückhaltung“ abgelegt hat, wie ihr sozialdemokratischer Kriegs-Kollege Lars Klingbeil.
Sie ist Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages und wird seit einem Jahr nicht müde, uns gegen die Russen zu verteidigen, die nun zum dritten Mal über uns herfallen wollen.
Man könnte sagen, dass das doch einfach nur zum Geschäft gehört, vor allem dann, wenn man eine Rüstungslobbyistin ist, die das vielleicht sogar umsonst macht. Deshalb ist sie auch im „Förderkreis Deutsches Heer“ und Mitglied der „Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik“. Die wurden solange, um nicht zu sagen Jahrzehnte benachteiligt, gemobbt und klein(laut)gehalten, dass es dieser Ninja-FDP-Frau bedarf, damit die wieder Eier in den Hosen haben.
Jetzt aber darf durchgeladen werden. Man spürt den emotionalen Überschuss, die Entladung nach 80 Jahren Enthaltsamkeit.
Dass diese Frau nicht auf einem Trip ist, sondern ihr Top-Gun-Feeling sehr gut im Griff hat, kann man auf ihrer Homepage nachlesen:
„Die Bundeswehr wurde über Jahre sträflich vernachlässigt, der brutale russische Angriff auf die Ukraine hat alte Gewissheiten auf den Kopf gestellt. Die Zeitenwende und das Sondervermögen für die Bundeswehr sind richtige Signale, die jetzt bei der Truppe ankommen müssen. Der Respekt vor dem Einsatz und der Leistung unserer Soldaten gebietet maximalen Schutz durch bestmögliche Ausrüstung. In Europa muss Deutschland Führung übernehmen.“
Es ist soweit. Man darf jetzt begeistert ausrufen: „Führerin, wir folgen Dir!“ Dabei ist sie nicht allein. Ein Mann begleitet sie, lässt sie nicht alleine, der Wirtschaftsminister der Grünen und Vizekanzler Robert Habeck. Die beiden sind im Flow:
„Je stärker Deutschland dient, umso größer ist seine Rolle.“ Für diese Einschätzung habe er die Rückendeckung vom US-Präsidenten Jo Biden. Wie putzig.
Die Mär von der „sträflich vernachlässigten“ Bundeswehr, die „kaputt gespart“ worden sei, teilen sich die Deutschland-Ticket Fahrerinnen, von CSU/CDU, über FDP, SPD bis hin zur AfD.
Ich will nicht nachtragend sein: In den 1970er Jahren wäre dies ein original NPD-Sound gewesen, der Ewiggestrigen, die in der CDU als „Stahlhelmfraktion“ gewichtigen Einfluss hatte. Nun hat Marie-Agnes Strack-Zimmermann mit diesem Bekennerschreiben deutlich gemacht, dass diese Zeiten noch lange nicht vorbei sind:
„Mir hat ein osteuropäischer Diplomat gesagt: Osteuropa hat vor nichts Angst außer vor den Russen. Deutschland hat vor allem Angst – nur nicht vor den Russen. (…) Es ist ein Kompliment, wenn knapp 80 Jahre nach Kriegsende die europäischen Staaten die Deutschen bitten, mehr zu führen, das ist Ehre, das ist Auftrag, das wurde an unserer Wiege nicht gesungen. Wir haben die verdammte Pflicht, diese Rolle anzunehmen.“ (Parteitagsrede von Marie-Agnes Strack-Zimmermann am 22.4.2023)
Was uns Frau Strack-Zimmermann auf ihrem Facebook-Account am 29. August 2023 wissen lässt, ist ein bellizistischer Striptease.
Das hat „Stahlgewitter“- Niveau und mich kribbelt es, diese taffe eiserne Lady mit Joseph Goebbels zusammenbringen. Vielleicht wäre Goebbels heute auch bereit, soviel weiblichen Kriegscharme in den Propagandaapparat einzubauen.
Das klingt nur auf den ersten Blick verwegen und unpassend. Ich will das erklären.
Joseph Goebbels wird als begnadeter Redner und sehr guter Analyst seiner Zeit gehandelt. Er konnte die deutsche Seele streicheln und bedienen. Aber er wusste auch um die neuen Techniken der Zeit. Er war also durchaus modern und verstand etwas von den aufkommenden Massenmedien, zu denen auch das Radio gehörte. „Die Wochenschau“, die zu jedem Kinobesuch dazugehörte, war Goebbels Baby. Und er wusste sehr genau und strategisch gut aufgestellt, wie er den Nationalismus, das Deutschsein und die imperialen Ansprüche perfekt zusammenführte und im „Dritten Reich“ aufgehen ließ.
Es spricht also einiges dafür, sich um eine Begegnung zwischen Joseph Goebbels und Marie-Agnes Strack-Zimmermann zu bemühen. Und so kam es dann auch.
Joseph Goebbels und Marie-Agnes Struck-Zimmermann im Darkroom
Man spürt sofort, dass die Zeit nicht stehen geblieben ist. Beide haben aus den zurückliegenden Jahrzehnten gelernt. Und man konnte mit Erstaunen feststellen, dass Joseph Goebbels up-to-date ist und die Veränderungen hervorragend auslesen kann.
Die beiden mussten nicht warm werden, um sofort ins Gespräch zu kommen:
Frau Struck-Zimmermann,
ich bin sehr angetan von der neuen Russland-Strategie.
Ich hätte es nicht besser machen können.
Wie meinen Sie das?
Nun ja, Sie also ihre Kriegskollegen haben aus den Stalingrad-Trauma gelernt. Das ist gut so. Sofort hat mir gefallen, dass es bei diesem Krieg gegen Russland nicht darum geht, noch einmal deutsche Soldaten an die Ostfront zu schicken. Das mit der Ukraine war also ein genialer Schachzug. Das muss ich Ihnen lassen. Wir haben uns ja auch oft darum bemüht, unsere Angriffsziele so zu inszenieren, dass es aussieht, als würden wir uns nur verteidigen. Sie wissen es ja sicherlich. Wir hatten uns damals auch nur verteidigt und das ziemlich geschickt. Schuld waren die „Plutokratien“, also immer die anderen, denen es nur um Geld und Macht geht. Das ist immer ganz wichtig, wenn es um mehr Macht und mehr Geld geht. Dennoch möchte ich ein wenig Wasser in den Rotwein gießen.
Na, dann mal los.
„Ich fand es von ihrer Kollegin Baerbock ungeschickt, die militärische Strategie so offenzulegen.“
Das verstehe ich nicht.
Na ja, Frau Baerbock hat ziemlich am Anfang erklärt, dass es darum gehe, Russland zu ruinieren. Das muss das Ziel sein, aber man muss es nicht so unmissverständlich sagen. Und dann fällt mir als ehemaliger Propagandaminister etwas auf, was Ihnen sicherlich helfen kann.
Also Erfahrungen auf diesem Gebiet kann man Ihnen nun wirklich nicht absprechen. Ich höre.
Man sollte Propaganda nicht weit weg von der Wirklichkeit, sondern so nahe wie möglich an der Wirklichkeit platzieren. Wenn beides zu weit und zu oft auseinanderliegt, verliert die Propaganda ihre Schlagkraft.
Da müssen Sie jetzt aber ein bisschen konkreter werden.
Soweit ich das ab vom Schuss verfolgen kann, müsste doch Russland in dem einen Jahr, nach dessen Einmarsch 2022, schon zwanzig Mal besiegt worden sein. Zuerst behauptete man, dass die Wirtschaftssanktionen das Putin Regime zusammenbrechen lassen. Dann schrieb man sich einen inneren Staatstreich herbei, während das Gegenteil passierte. Und seit Monaten promotet man eine ukrainische Gegenoffensive, ohne tatsächliche Geländegewinne.
Aber man muss doch Hoffnung machen. Das haben Sie doch auch gemacht, mit ihrem Gerede vom „totalen Krieg“ 1943, als die Niederlage doch längst absehbar war.
Deshalb sitzen wir ja hier zusammen, um über Fehler aus der Vergangenheit zu lernen und sie nicht zu wiederholen. Wissen Sie, ich hatte meine Kämpfe mit Ribbentrop und Rosenberg. Die redeten unentwegt von Schicksalsschlachten und meldeten ständig militärische Erfolge, die nicht eintraten. Das macht die Waffe der Propaganda auf Dauer stumpf.
Ihre Überlegungen sind auf der fachlichen Ebene durchaus bedenkenswert. Mal was anders, um auch Sie aus der Reserve zu locken. Was denken Sie über die feministische Außenpolitik, die meine Kollegin Annalena Baerbock für Deutschland ausgerufen hat. Wären Sie dabei?
Nun, ich will Sie da nicht überholen, zumal ich nicht der Typ dafür bin. Aber ist der Feminismus nicht schon längst tot und wird von denen beerbt, die das Geschlecht, wie sagen sie es noch einmal … also das Geschlecht für konstruiert halten. Dann wäre doch der Feminismus ein Anachronismus.
Also, mein lieber Herr Goebbels, diese Argumentationsschlinge hätte ich Ihnen nun wirklich nicht zugetraut. Sie haben offensichtlich viel Zeit, um nachzudenken. Zurück zu meiner Frage.
Als ehemaliger Propagandaminister reizt mich das schon. Erst recht heute, wenn man von mir erwartet, dass ich etwas davon verstehe, Propaganda so anzulegen, dass sie die Wirklichkeit nicht leugnet, aber ihr auch nicht gehorcht. Dafür aber erträglich macht.
Und? Wie nahe sind wir dran?
Nun, ich würde sagen, Sie machen das ganz gut. Neulich habe ich eine Story in der liberalen Frankfurter Rundschau gelesen, über einen schwulen und eine lesbische Soldatin in der Ukraine. Sie kennen den Aufreißer?
Ja, ja, den habe ich gelesen.
Dann kommen wir zum entscheidenden Punkt. Sie und ich wissen, wie viele Schwule und Lesben an der Ukrainefront kämpfen …
Goebbels hält beide Hände flach nach oben.
Entscheidend ist doch, welche militärischen und patriotischen Ziele wir zusammen verfolgen. Und da stehen wir doch, Frau Strack-Zimmermann, in einer langen, einer sehr langen Traditionslinie … eng beieinander.
Wolf Wetzel
Publiziert im Magazin Overton am 26.9.2023:
https://overton-magazin.de/kolumnen/kohlhaas-unchained/strack-zimmermann-meets-goebbels-im-darkroom/
Quellen und Hinweise:
Strack-Zimmermann auf ihrem Facebook-Account am 29. August 2023:
Strack-Zimmermann bei Luftwaffenbesuch: „Und wenn‘s dann noch Spaß macht …“, Frank Blenz, NDS vom 8. September 2023: https://www.nachdenkseiten.de/?p=103523#more-103523
Parteitagsrede von Marie-Agnes Strack-Zimmermann am 22.4.2023 (ab 11:55 Minute): https://www.youtube.com/watch?v=_kvPCRChMlU
Deutschland muss dienend führen, Habeck, 2022: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/habeck-zu-ukraine-krieg-deutschland-muss-dienend-fuehren-17870492.html
Plötzlich ist egal, wer wen liebt, FR vom 19. Juli 2023, Nr. 165
Wolf Wetzel | 26. September 2023
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