Blut an den Händen und ein eingeübter Unterwerfungsakt von Seiten der Staatskirche
Wir müssen uns nicht erpressen lassen.
Zu den Vorwürfen, die die Jüdische Gemeinde Frankfurt erhoben hat, habe ich ausführlich geschrieben:
Über das Kreuz mit der Symbolpolitik
Nun hat sich auch die angesprochene Evangelische Kirche geäußert und zwar so:
„Stellungnahme der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach:
Kritisiertes Plakatmotiv für Gaza-Solidaritätskonzert in der Frankfurter Katharinenkirche wird nicht mehr verwendet

Mit großer Betroffenheit hat die Evangelische Kirche in Frankfurt und Offenbach auf die öffentliche Kritik an dem Werbeplakat für ein Gaza-Solidaritätskonzert in der Frankfurter Katharinenkirche reagiert. Das von den Veranstaltenden gewählte Motiv mit roten Händen, das Anlass zur Kritik gegeben hat, wird ab sofort nicht mehr genutzt.
Das Benefizkonzert, das vom Künstlerkollektiv Make Freedom Ring unter anderem gemeinsam mit dem Musiker Michael Barenboim zugunsten der Hilfsorganisation medico international organisiert wird, ist für den 28. April in der Katharinenkirche geplant. Make Freedom Ring ist ein Netzwerk von Kulturschaffenden, das sich für Menschenrechte engagiert und Spenden für humanitäre Zwecke sammelt.
Zur Bewerbung der Veranstaltung wurde ein Plakatmotiv verwendet, das rote Handabdrücke zeigt. Dieses Bild kann jedoch auch in einem antisemitischen Kontext verstanden werden – insbesondere im Zusammenhang mit den Lynchmorden an zwei israelischen Reservisten im Jahr 2000. Auf diese Problematik hatte zunächst die Jüdische Gemeinde Frankfurt hingewiesen.
Unmittelbar nach Bekanntwerden der Kritik hat Stadtdekan Holger Kamlah Gespräche unter anderem mit der Jüdischen Gemeinde Frankfurt sowie mit medico international aufgenommen, um die aufgetretene Irritation offen und respektvoll zu klären. Infolge dieses Austauschs haben sich die Veranstaltenden entschlossen, das kritisierte Motiv nicht weiter zu verwenden.
Die Evangelische Kirche in Frankfurt und Offenbach erklärt hierzu wörtlich:
„Wir haben die Kritik an dem Plakatmotiv sehr ernst genommen und umgehend den Dialog unter anderem mit der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, dem hessischen Antisemitismusbeauftragten und medico international gesucht. Es wird inzwischen von den Veranstaltenden nicht mehr zur Bewerbung des Konzertes genutzt.
Uns wurde rasch deutlich, dass das Motiv der roten Hände von vielen – insbesondere von der Jüdischen Gemeinde Frankfurt – als Symbol mit antisemitischer und gewaltverherrlichender Konnotation wahrgenommen wird, da es in der Vergangenheit zur Rechtfertigung von Gewalt gegen Israelis missbraucht wurde.
Dass das verwendete Plakatmotiv eine derart problematische Bedeutungsebene hatte, war uns nicht bewusst. Für diese Unachtsamkeit bitten wir aufrichtig um Entschuldigung. Wir bedauern zutiefst, dass es Schmerz und Empörung ausgelöst hat.
Als Evangelische Kirche distanzieren wir uns mit aller Deutlichkeit von jeder Form des Antisemitismus und lehnen jede Symbolik ab, die Gewalt verherrlicht oder mit extremistischen Bewegungen assoziiert wird. Die Entscheidung, medico international die Katharinenkirche als Veranstaltungsort zur Verfügung zu stellen, fußte auf unserer Überzeugung, dass deren humanitäres Engagement – insbesondere die medizinische Versorgung notleidender Menschen im Gazastreifen – wichtig und unterstützenswert ist. Zugleich haben wir gegenüber den Verantwortlichen nochmals deutlich darauf hingewiesen, dass sich bei der Veranstaltung die Inhalte eindeutig auf den humanitären Zweck konzentrieren müssen.
Die Evangelische Kirche steht für Dialog, gegenseitige Achtung und ein friedliches Miteinander in unserer Stadtgesellschaft. Unser Einsatz gegen Antisemitismus ist unmissverständlich – ebenso wie unsere Unterstützung für humanitäre Hilfe dort, wo sie dringend benötigt wird.“
Diese Antwort strotzt vor Worthülsen und geradezu orwellsche Anwandlungen.
Unentwegt ist von Respekt, Offenheit, gegenseitiger Achtung und einem friedlichen Miteinander die Rede – während Pfarrer Waffen segnen, die ganz sicher friedlicher sind als ein Konzert zugunsten der Opfer dieser gesegneten Waffen.
Und natürlich hat man sich mit den Veranstaltern „geeinigt“ mit den Veranstaltern und hat diese im „Dialog“ dazu gezwungen, das Motiv nicht länger zu verwenden, obgleich sie eindeutig auf einen klar begründeten anderen Zusammenhang hingewiesen haben.
Wenn die Staatskirche tatsächlich „problematische Bedeutungsebenen“ beachten möchte, dann könnte sie doch bei sich, in der Kirche damit anfangen und die doch recht „problematische Bedeutungsebenen“ eines Kreuzes thematisieren. Damit hätte sie genug zu tun.
Dass es dabei extrem vordergründig um „Symbole“ geht, die man so oder so sehen kann, was im schlechtesten Fall verschiedene Interpretationen sein können, macht ein Satz der Staatskirche deutlich, der buchstäblich in das Schreiben reinhuscht:
„Zugleich haben wir gegenüber den Verantwortlichen nochmals deutlich darauf hingewiesen, dass sich bei der Veranstaltung die Inhalte eindeutig auf den humanitären Zweck konzentrieren müssen.“
Hier spürt man nichts mehr von den aufgeblasenen Worten wie „Respekt“ und „Offenheit“, sondern um eine dialogfreie Anweisung, um einen deutlichen Akt der Zensur. Angesichts eines stattfindenden Genozides, eines systematischen Aushungerns einer Bevölkerung, angesichts der Mithilfe all derer, die die Macht hätten, es zu verhindern, ist der „deutliche Hinweis“ der Kirche, nur keine politischen Zusammenhänge herzustellen, ein unverhüllter Ausdruck von Komplizenschaft.
Alle an diesem beschämenden Beispiel für Verlogenheit Beteiligten wissen, worum es geht:
Es geht um diese Hände

die einen Zusammenhang aufzeigen, der im Staate Israel genauso verfolgt wird, wie in Deutschland. Es geht um den Zusammenhang von Kriegsverbrechen und Besatzungsmacht, um das Blut an den Händen all deren sichtbar zu machen, die das ermöglichen, unterstützen und dabei Beihilfe zu einem Genozid leisten.
Das zeugt – ohne Not – von der ungebrochenen Tradition der Staatskirche, der Staatsraison zu gehorchen – wie auch immer diese vorbürgerliche Kategorie gefüllt wird.
Wann sind die deutschen Staatskirchen nicht mehr bereit, mitzumachen, wenn Beihilfe und Leugnen eines Genozid keine „rote Linie“ mehr für sie sind?
Wir müssen uns nicht alle erpressen lassen
Das Medico International das Symbol der beiden roten Hände aus dem Plakat herausgenommen hat, hat ganz sicher nichts mit Dialog zu tun. Es geht um Erpressung, denn es wäre sehr schwer, in Kürze einen anderen Veranstaltungsort zu finden – zumal jeder andere Veranstaltungsort diesen Nötigungen und Erpressungen ausgesetzt wäre.
Aber wir, alle, die dieses Konzert in einem politischen Zusammenhang sehen, über den weder die Jüdische Gemeinde, noch die Evangelische Kirche zu bestimmen haben, können das Plakat, das Symbol, das jetzt verschwunden ist, wieder sichtbar machen und vor der Katharinenkirche und in ihr „wieder auferstehen lassen“. Das wäre fast etwas zutiefst Christliches.
Wolf Wetzel
Quellen und Hinweise:
Stellungnahme des Vorstands der Jüdischen Gemeinde Frankfurt zum Veranstaltungsplakat für das Benefizkonzert „Make Freedom Ring“ in der Katharinenkirche am 28. April 2025 unterstützt von medico international: https://www.facebook.com/juedischegemeindeffm
Michael Barenboim über den Gazakrieg: Eskalation seit 78 Jahren, FR-Interview vom 25.4.2025: https://www.fr.de/kultur/musik/michael-barenboim-palaestina-muss-im-gazakrieg-staerker-in-den-fokus-93698328.html
Jutta Ditfurth und der Lappen, der Müll und die Stadt, Wolf Wetzel, 2025: https://wolfwetzel.de/index.php/2025/02/28/mutter-der-politischen-denunziation-jutta-ditfurth-ein-rundgang/
Das Schlagwort „Antisemitismus“ hat die Substanz eines Hohlkörpers, Wolf Wetzel, 2025: https://wolfwetzel.de/index.php/2025/03/26/das-schlagwort-antisemitismus-hat-die-substanz-eines-hohlkoerpers/
Views: 115