Zwischen Staatsraison und Ausnahmezustand
Einige Überlegungen zu Corona und den „Nebenwirkungen“
Corona bedeutet im poetischen Sinne Krone, Kranz, verstanden als Auszeichnung, als Schmuck. Im gesellschaftlichen Sinne bedeutet Corona Versammlung und im militärischen Verständnis versteht man unter Corona eine Einschließungslinie. Nimmt man diese doch sehr verschiedenen Bedeutungen zum Ausgangspunkt, hat man schon eine gute Basis, um das Thema vielseitig anzugehen.
Man kann nach über vier Wochen Pandemie-Erfahrung nicht behaupten, es gäbe zu wenig Informationen über das, was es mit dem Corona-Virus auf sich hat, wie man sich schützen kann, was mit der Bekämpfung der Pandemie wenig bis gar nichts zu tun hat. Der erhobene Vorwurf, es gäbe zu wenig Gegenstimmen zur offiziellen Linie, ist dann begründet, wenn man das öffentlich-rechtlich-private Medienkartell im Auge hat, das weitgehend dieselben Karten spielt. Dabei muss man aber auch berücksichtigen, dass sich sehr viele Gegenstimmen im „Netz“ artikulieren und Beachtung finden – und den offiziellen Diskurs durchaus beeindrucken können.
Dennoch formieren sich in diesem Meinungskampf scheinbar zwei Lager, die im Großen und Ganzen die Konfliktlinien kondensieren: Es gehe um Drosten versus Wodarg. Prof. Drosten, Institutsdirektor der Charité in Berlin, steht für die offizielle Linie der Bundesregierung. Dr. Wodarg steht für eine regierungskritische Haltung und betont dabei, dass viel zu oft „Sekundärinteressen aus Wirtschaft und/oder Politik“ im Spiel sind. Der folgende Beitrag möchte diese Spielfeldmarkierungen ignorieren.
Wahrscheinlich geht es vielen so: Man blickt nicht mehr durch, je mehr Meinungen, Standpunkte, Blickwinkel dazukommen. Vor lauter Wald sieht man überall nur noch Bäume und verliert den Überblick … und den (roten) Faden. Nicht wenige steigen aus, wollen nichts mehr hören, sind aber auch der „Streitkultur“, dem aneinander vorbeireden überdrüssig.
Einen roten Faden quer zu allen Markierungen zu legen, ist das Anliegen dieses Beitrages.
Corona ist keine Erfindung, keine „Männergrippe“, sondern ein Virus, der sehr echt, sehr tödlich sein kann.
Es kristallisieren sich zwei Strategien heraus, das Virus einzudämmen.
Die erste Strategie zielt darauf ab, den Infektionsverlauf, die Infektionsdynamik zu bremsen. Das schärfste Mittel ist der Lock down, die „Bleib-zuhause“-Anweisung. Man hofft so, die Anzahl der (schweren/tödlichen) Erkrankungen gering zu halten. In Spanien ist der Lock down sehr drakonisch, in Deutschland wird er nicht ganz so einschneidend gehandhabt.
Die andere Methode zielt auf eine „Herdenimmunität“, bei gleichzeitig freiwilligen Beschränkungen. Je mehr Menschen angesteckt werden, ohne dass es zu schweren Verläufen kommt, desto mehr läuft das Virus ins Leere. Diese Strategie wird in Schweden angewandt.
Beide Strategien basieren auf sehr wenig Wissen, auf entsprechende Modellrechnungen, die mit vielen Ungewissheiten „rechnen“ müssen. Das liegt „in der Natur“ der Sache, denn sonst wäre das Corona-Virus kein großes, sondern ein beherrschbares Problem. Es macht also keinen Sinn, den jeweiligen Strategien ihr Unwissen vorzuwerfen. Beide Strategien haben dasselbe Problem: Sie fahren durch eine Nebelwand, mit ungewissem Ende.
Aus diesem Grund ist die Frage nach den notwendigen Einschränkungen nicht an die jeweiligen Strategien zu messen. Es geht vielmehr darum, jene Einschränkungen und Außerkraftsetzungen zu thematisieren, die nicht mit der Bekämpfung der Pandemie zu begründen sind. Dazu gehört unter anderem die Selbstentmächtigung des Parlaments als Ort der Legislative, die Suspendierung der Gewaltenteilung und völlig widersinnige Anordnungen: So lief die Wirtschaftsleben wochenlang ganz normal weiter, während die Freizeit der Menschen in den Ausnahmezustand versetzt wurde/wird. Das hat keine medizinischen Gründe, sondern andere.
Es gibt die Meinung, dass Corona, das Virus kein „Zivilisationsprodukt“ (aus gewaltiger Verdichtung von Lebensräumen und fast unfassbarer Mobilität) ist, sondern ein Produkt militärischer Kriegsführung. Diesem Gedanken ohne Absperrgitter zu folgen ist wichtig, um ihn gegebenenfalls auch für unwahrscheinlich zu halten. Erinnert sei zum Beispiel an das in den USA aufgetauchte Gift „Anthrax“, das eine berechtigte Diskussion ausgelöst hat, ob es als „biologische Waffe“ gezüchtet bzw. eingesetzt wird.
Die Nutzung eines solchen Virus setzt jedoch voraus, dass man das Corona-Virus als Waffe gezielt und kontrolliert einsetzen kann. Genau das ist bei Corona nicht der Fall: Das Corona-Virus hält sich weder an eine (gewünschte) Hautfarbe, noch an ein Freund-Freund-Schema, noch an nationale Grenzen und gesellschaftliche Klassen.
Gerade weil man Corona weder steuern, noch kontrollieren kann, haben jetzt auch jene Angst, die ansonsten gewohnt sich, anderen Angst zu machen, von deren Angst zu leben. Corona macht nicht vor systemrelevanten Sektoren, Regierungsvierteln und Gated Communities Halt. Nicht die Kontrolle, sondern die Unkontrollierbarkeit dieses Virus erklärt die Bereitwilligkeit zu Milliarden-Verluste (in der Wirtschaft) und Milliarden-Hilfen (vom Staat) eher, als den aus dem Nichts kommende Pathos, Menschenleben zu retten.
Es gibt eine heftige und hitzige Diskussion darüber, wie gefährlich das Corona-Virus wirklich und ganz objektiv ist. Das ähnelt der Frage: Wie viele Menschen werden bei einem Abwurf einer Atombombe sterben – wenn man eine Atombombe zum ersten Mal über einer Stadt abwirft.
Es ist nicht das Wissen über das Corona-Virus, das die Debatte bestimmt, sondern das Unwissen, die recht schwer auszuhaltende Ungewissheit. Umkehrt gibt es sehr viel Wissen, was an einer Pandemie dranhängt, was man mit ihr ein- und durchschleust. Mit Angst kann man regieren, kann man Geschäfte machen. Man kann sich im Krieg wähnen, wie der französische Staatspräsident Macron. Man kann Menschen auf etwas „einstimmen“, was sie ansonsten nie mitmachen würden.
Es wäre also sehr hilfreich, wenn sich alle diese Unsicherheit und Ungewissheit eingestehen. Dann bestände die gemeinsame Aufgabe darin, die sich jeweils gegenüberstehenden Positionen an ihren jeweils besten Kernpunkten zu messen.
Wer also das Virus für relativ ungefährlich hält, ist kein Verschwörungstheoretiker und wer das Virus für sehr gefährlich hält, ist kein Merkel-Vasall. Das Problem ist die jeweils unsägliche, unzulässige Verknüpfung, die nichts mit der Primärfrage zu tun hat.
Denn die Frage wie gefährlich das Virus ist, kann zum jetzigen Stand keine Seite sicher und faktenbasiert sagen. Selbst wenn die schlimmsten Befürchtungen (in Deutschland) nicht eintreten, ist damit nicht gesagt, dass das Corona-Virus ungefährlich ist. Prof. Drosten hat dieses Dilemma treffend beschrieben: Wenn die Pandemie „glimpflich“ verläuft, werden die einen sagen, dass sie von Anfang an darauf hingewiesen haben, dass das Virus ungefährlich ist. Die anderen werden sich ebenfalls bestätigt sehen und die getroffenen Schutzmaßnahmen für die erfolgreiche Eindämmung der Pandemie reklamieren.
Selbst wenn mit den jetzt ergriffenen Maßnahmen „nur“ zehntausend Menschen gerettet werden, wenn durch dieses Virus „nur“ ein paar Tausend Menschen in Deutschland sterben, dann ist es doch umso begrüßenswerter, wenn man dafür alles getan hat, wenn Menschenleben ausnahmsweise einmal mehr zählen, als das Bruttosozialprodukt (BSP), die Performance von DAX-Unternehmen, die Profite der Systemrelevanten. Was ist daran schlimm?
Wenn es diesen außergewöhnlichen Fall gibt, dann liegt das nicht daran, dass unsere Regierungen jetzt das Menschenleben am erste Stelle gesetzt haben. Im Kampf gegen die Pandemie geht es nicht um Menschenleben, sondern um den Schutz der bestehenden Ordnung, die man durchaus als Herrschaft verstehen kann.
Wenn (flüchtende) Menschen im Mittelmeer ertrinken, dann retten die Regierungen sie nicht. Im Gegenteil: man tut alles, damit sie ertrinken. Denn ihr bewusst in Kauf genommener Tod ist kein Drama, sondern Sinn einer Abschreckung, Menschen davon abzuhalten, aus Lebensverhältnissen zu fliehen, die jene mitverursacht haben, die sie jetzt ertrinken lassen.
Wenn es um die Rettung von Menschenleben geht, dann hätten alle Regierungen in Europa genug Möglichkeiten in den letzten 60 Jahren gehabt, dies unter Beweis zu stellen. Sie haben das Gegengeil gemacht und werden es weiterhin tun.
Die Gefährlichkeit eines Virus, einer Pandemie sagt nichts darüber aus, ob die Maßnahmen, die zur Bekämpfung des Virus getroffen wurden, tatsächlich auch der Eindämmung des Virus dienen. Sie können aus zwei sehr gewichtigen Gründen (auch) falsch sein:
Man weiß zu wenig über das Virus, also auch zu wenig, welche Maßnahmen wirksam sind. Zweitens werden in Ausnahmezuständen immer Maßnahmen ergriffen, die mit dem eigentlichen Anlass wenig zu tun haben, die schon lange vor dem Ausbruch einer Pandemie auf der Wunschliste der Regierenden standen.
Dass mit Corona vieles legitimiert wird, dass die Angst vor dem Corona-Virus instrumentalisiert wird, ist einigermaßen akzeptiert, wenn es woanders beklagt wird. In Ungarn wird Corona dazu benutzt, die Scheindemokratie noch weiter zu zementieren. In Israel dient Corona dazu, ein zentrales Wahlversprechen der „Opposition“ Blau-Weiß zu brechen, nämlich nicht mit der Netanjahu-Regierung zu koalieren. Und in Deutschland werden Demonstrationen verboten bzw. aufgelöst, was mit dem Kampf gegen Corona nichts, aber auch gar nichts zu tun hat.
Um davor zu warnen, um jede Maßnahme darauf hin zu überprüfen, ob sie etwas mit der Eindämmung des Virus zu tun hat, muss man nicht die Gefährlichkeit eines Virus in Frage stellen. Selbst wenn das Virus in dem uns beschriebenen Maße gefährlich ist, bekommt das Verbot, zu lange auf einer Parkbank zu sitzen, nicht mehr Sinn.
Es wird heftig darüber gestritten, welche Interessen bei der „Bekämpfung“ der Pandemie eine Rolle spielen. Die einen sehen dabei sofort ganz dunkle Mächte im Spiel, die anderen sehen das ehrenwerte Ziel, Menschenleben zu retten in Verruf.
Man muss zur Beantwortung dieser Frage in keine Glaskugel schauen, ins Blaue hinein mutmaßen. Es reicht völlig, sich dazu die „Schweinegrippe“ anzuschauen. Dazu hat Dr. Wolfgang Wodarg sehr viel gemacht. U.a. hat er 2009 in Straßburg den Untersuchungsausschuss zur Rolle der WHO bei der Schweinegrippe initiiert. Die sehr ernüchternden Ergebnisse dieser Untersuchung werden interessanterweise kaum in die gegenwärtige Debatte eingeführt. Aber genau darum ginge es: Sich die Fakten anzuschauen, auf ähnliche Fälle zurückzugreifen. Das würde in diesem Fall bedeuten, anhand der gemachten Untersuchungen zur „Schweinegrippe“ die Fragen zu beantworten, die heute wieder auf dem Tisch liegen: Wie unabhängig ist die Forschung? Wieviel Fehler werden aus Unwissenheit, wie viele „Fehler“ aus profitablen Gründen gemacht? Haben die Menschen, die in Gefahr waren, davon etwas gehabt oder vor allem jene, die mit deren Angst Geschäfte gemacht haben? Welche Rolle spielt die WHO, die ganz viele bis heute für eine transnationale, unabhängige Institution der „Weltgemeinschaft“ halten? Wenn man nicht einfach nur auf Distinktionsgewinne aus ist, sollten man zusammen diese Studien auswerten und für die Beurteilung der heutigen Lage und des noch Kommenden einbeziehen.
Dass Herr Wodarg dazu viel beigetragen hat, schließt nicht aus, dass er in seinen Schlussfolgerungen danebenliegen kann. Wer ein ganz wenig beweglich bleibt, kann das eine vom anderen trennen.
Die Frage nach den verschiedenen Interessen, die bei der Bewältigung und der Art der „Bekämpfung“ der Pandemie eine Rolle spielen, ist also alles andere als ein Stochern im Dunklen, die Suche nach obskuren Mächten. Es geht um die Einbeziehung des Faktums, dass das Virus nicht auf ein herrschaftsfreies Vakuum trifft, sondern auf einen Kapitalismus, der an beidem beteiligt ist und von beidem ggf. profitiert: von der Krankheit und deren Heilung. Bill Gates und seine milliardenschwere Stiftung leben das vor: Man ist an Unternehmen beteiligt, die krankmachen und man hat Aktien von Unternehmen, die heilen.
Der Wettkampf um den Impfstoff gegen Corona ist ein Wettlauf um ein Milliardengeschäft.
Wenn der medizinische Notstand in den politischen Notstand überführt wird
Auch die Gefahr, dass Corona zu weiteren Überwachungsmassnahmen führen kann, mit denen man eben nicht nur Infektionsketten nachverfolgen kann, sondern by the way Menschen, ist nicht aus der Luft gegriffen und am allerwenigsten weltfremd.
Ein unfreiwilliges Beispiel dafür offenbart die von allen Seiten begrüßte Einführung einer „tracking-App“, die man gerne auch als „Corona-App“ verkaufen will. Mit dieser App wird Kontaktverfolgung betrieben und alle Kontakt-Daten gesammelt und dann an das Robert-Koch-Institut gesendet. So ist der Plan. Aber wie kommen diese Daten zum Robert-Koch-Institut? In welchen Händen sind diese Daten, bevor sie dort hinverschickt werden? Wer hat Zugriff auf diese Daten und wem gehören sie? Fakt ist, bevor sie zum Endadressaten gehen, sind diese Daten auf den Smartphones, auf den Mobiltelefonen gespeichert. Um diese „Lücke“ zwischen HandynutzerInnen und Endstation ging es in der Markus Lanz-Sendung – wohl nicht ganz beabsichtigt. Markus Lanz pochte noch einmal mit Zahlenarmeen von Verlusten für die Wirtschaft auf die Einführung dieser Überwachungs-App und fragt, warum sich das so lange hinzieht.
Der Ministerpräsident von Sachsen und CDU-Politiker Michael Kretschmer antwortet darauf überraschend erhellend: Das Problem sei nicht die Software, sondern das Aufsetzen auf bestehende Betriebssysteme, die sich in der Hand von Google und & Apple befinden. Was schon immer zum Geschäftsmodell und zur Monopolstellung dieser IT-Konzerne gehört, wird nun ein Problem: Das Betriebssystem ist eine „Blackbox“, zu der niemand Unbefugtes Zutritt hat. Was immer man dort hineinstellt, gehört dem Eigentümer Google und &. Apple. Sie haben freien Zutritt zu den dort abgelegten Daten, sie haben freie Hand, damit Geschäfte zu machen, sie für „andere“ Zwecke zu verwenden. Der sächsische Ministerpräsident erklärt das Problem so:
„Wir Deutschen, wir Europäer sind nicht bereit, dass diese sensiblen Daten in die Hände von Google und Apple kommen. (…) Und deswegen hängt das Ganze. (…) Das ist die bittere Wahrheit hinter der Sache. Natürlich hätte man längst loslegen können. Aber ich glaube nicht, dass wir uns in dieser Weise erpressbar machen sollen.“
Klaus Lauterbach, SPD-Gesundheitsexperte und Epidemiologe, pflichtet ihm bei und spricht von einem „geheimen Projekt“, das endlich öffentlich und transparent agieren müsse.
Damit wird einmal bei dieser Gelegenheit öffentlich, was ansonsten achselzuckend, aber auch komplizenhaft hingenommen wird. Wer Google und/oder Apple benutzt, betritt eine Welt, in der die Eigentümer das Hausrecht haben, in dem sie (fast alles) machen, was sie wollen.
Während CDU-Politiker Michael Kretschmer auffordert, Druck auf diese IT-Monopolisten zu machen, ist der SPD-Politiker eher „realistisch“. Man könne an ihnen nicht vorbei, also müssen man mit ihnen kooperieren.
Bemerkenswert an dieser lohnenswerten Sequenz bei „Lanz“ ist, dass der sonst immer und schnell eingrätschende Moderator schweigt, anstatt nachzufragen, was es mit der „Erpressung“ auf sich hat, ob man sich überhaupt dieser Erpressbarkeit entziehen kann.
Alleine diese Episode zeigt hoffentlich, dass es auch bei der Einführung und Handhabung der „tracking-app“ verschiedene, sehr mächtige Interessen gibt, die wenig bis nichts mit der Bekämpfung einer Pandemie zu tun haben, sondern ganz andere Ziele im Visier haben.
Wenn man diesen kleinen Ausschnitt vergrößert, wird sehr deutlich, was „hinter der Sache“ alles steckt: Deutsche Forschungs- und Standortinteressen, nationale und imperiale Interessen, privatkapitalistische und staatsschutz-geleitete Erfassungs- und Überwachungsambitionen, Spionage auf jeder nur denkbaren Ebene und sicherlich nicht zuletzt ein Kampf um den Besitz und die Ausbeutung des digitalen Goldes.
„Es wird gelöscht“. Die IT-Monopole als Tempelwächter der „Wahrheit“
Die Internet-Monopole wie Google und Facebook betätigen sich schon lange als Zensurgiganten. Wie das funktioniert, sei am Giganten Facebook kurz beschrieben: Facebook beruft sich beim Unsichtbarmachen von Inhalten, beim Löschen von Accounts auf „ethische Grundsätze“. Wenn etwas strafbar wäre, dann stünde der Weg offen, dies gerichtlich prüfen zu lassen (was eine öffentliche Beweisführung zur Folge haben würde). Aber genau darum geht es nicht. Es geht um Privatjustiz, denn die Erstellung von „ethischen Grundsätze“ und deren Umsetzung ist Sache des Hausherrn:
„Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass Facebook Einzelfälle generell nicht kommentiert und wir auf Ihre speziellen Fragen daher nicht eingehen können.“ (Facebook)
Um Glaubwürdigkeit zu generieren, hat Facebook unter anderem die Amadeu Antonio Stiftung und die Deutsche Presseagentur (dpa) als „Faktenchecker“ gewonnen. Wie hochgradig manipulativ mit den Beiträgen der UserInnen umgegangen wird, offenbart Facebook-Managerin Lyons:
„Wenn uns ein Faktenchecker sagt, dass ein Artikel eine Falschnachricht ist, dann wird er künftig bis zu 80 Prozent weniger oft angezeigt. (…) Stufen Faktenchecker mehrfach Artikel einer Seite als falsch ein, dann warten wir nicht darauf, dass ein neuer Artikel veröffentlicht wird, den sich wieder ein Faktenchecker ansehen müsste. Wir schränken dann die Verbreitung aller Inhalte dieser Seite ein.“ (ndr.de vom 18.3.2019)
Dieses Statement der Facebook-Managerin Lyons verrät unfreiwillig ziemlich viel: Die Öffentlichkeit, die Verbreitung eines Beitrages liegt mitnichten in der Hand der LeserInnen/UserInnen, die einen Beitrag gut finden und verbreiten, sondern im Wesentlichen in der Hand von Facebook. Das dabei eingesetzte Mittel ist neben der Löschung die Isolierung eines Beitrages, der somit gar nicht wirklich öffentlich ist.
All diese Maßnahmen konnten den üblen Geruch der Zensur nicht loswerden. Nun bietet sich der Corona-Ausnahmezustand dazu an, genau das fortzusetzen, was sie schon seit Jahren begonnen haben. Als Instrument dienen sogenannte Community Regeln, die es auch in Orwells „1984“ hätte geben können. Ein diktatorisches Regime, das eine fiktive Community als menschliches Schutzschild unterhält.
Fakt ist: Es gibt keine Community auf dem Privatgelände der IT-Giganten. Sie ist ein Phantasma, eine Fata Morgana. Das Wort selbst ist bereits eine eindeutig überprüfbare Falschmeldung, die gelöscht werden müsste. Keine Community hat dort irgendetwas zu sagen, sondern einzig und allein der Hausherr, der/die Eigentümer dieser Monopolisten.
Doch nun bietet sich die einmalige Situation, im Schatten der Angst und im Windschatten der Verunsicherung „unerwünschte“ Inhalte noch stärker, noch massiver zu löschen.
Dazu eignet sich „Corona“ ausgezeichnet. Geht es doch vordergründig um einen (drohenden) medizinischen Notstand, dessen Überwindung nur einem Ziel verpflichtet ist: Menschenleben zu retten.
Mi diesem „blauen Engel“ ausgestattet, verkünden Google, YouTube (gehört zu Google) und Facebook, dass sie ihre Community Regeln „verändert“ hätten. Ab jetzt würde man „Fehlinformationen“ löschen, die den offiziellen Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) widersprechen:
„Alles was gegen die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation spricht, ist ein Verstoß gegen unsere Richtlinien“ (RT vom 29.4.2020), ließ Wojcicki verlautbaren.
Man muss sich diesen Irrsinn auf der Zunge zergehen lassen. Nun sollen angeblich die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation für die Wahrheit stehen.
Wenn man nur halbwegs berücksichtigt, dass alle medizinischen Empfehlungen zu Corona weitgehend auf Annahmen beruhen, dass alle ganz wenig wissen und ganz viel nicht, dann sind Widersprüche, andere Annahmen, keine Falschinformationen, sondern notwendiger Bestandteil einer allgemeinen Begründungsnot.
Aber dieses „Zusammenschluss“ von IT-Monopolisten und WHO hat auch etwas besonders Bizarres. So irrwitzig diese IT-Monopole den Glauben verbreiten, sie werden nicht von Milliarden-Gewinnen und IT-Oligarchen geleitet, sondern von „Community Regeln“, so sehr will man die WHO als etwas erscheinen lassen, was sie schon lang nicht mehr ist, was die IT-Monopolisten in Perfektion vortäuschen: Menschen zusammenbringen, den Menschen dienen.
Wie bereits angerissen, hat die WHO nichts mit einer Weltgesundheitsorganisation gemein, die einzig und alleine dem „hypokratischen Eid“ folgt. Die WHO ist eine leere Hülle, die zu 80 Prozent von Kapital- und Privatinteressen gefüllt wird – und das im wahrsten Sinn des Wortes. Wenn jetzt also nur noch die „Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation“ gelten sollen, dann will man uns nicht vor Falschmeldungen schützen, sondern dieses untragbare Konglomerat aus politischen und kapitalgedeckten Interessen:
„Es werden knapp 80 Prozent des WHO-Jahresetats von 4,4 Milliarden Dollar von diesen Pharma-Spenden bestritten. An erster Stelle steht die Bill-and-Melinda-Gates-Stiftung, die alleine über 600 Millionen Dollar spendet. Im Vorstand dieser Stiftung sind alle großen Pharmafirmen vertreten. Lukrative Medikamenten- und Impfprogramme werden seitdem von der WHO gefördert, von Basisgesundheitssystemen ist keine Rede mehr. Die WHO macht also Politik für ihre Spender.“ (FR vom 15.07.2018)
Man kann auch – ganz hygienebewusst – sagen: Die eine Hand wäscht die andere – wobei beide Hände zum selben Body gehören: Bill Gates (inclusive Stiftung) hat als Microsoft-Gründer sein 80 Milliarden Dollar Vermögen in der IT-Welt „verdient“ und ist nun mit 600 Millionen Dollar an der WHO beteiligt und sicherlich mit deutlich höherem „Einsatz“ in der Gesundheitsindustrie, die von jenen WHO-Empfehlungen profitiert, die die IT-Konzerne wiederum vor „Falschmeldungen“, wie die hier ausgeführten, schützen sollen.
Dass dieses Zusammenspiel geübt und sehr profitabel ist, ist längt bekannt:
„2004 veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation WHO Richtlinien, wie Länder einer Pandemie vorbeugen können. Diese Richtlinien führten unter anderem dazu, dass Milliarden von Steuergeldern zur vermeintlichen Bekämpfung der Schweinegrippe mit Medikamenten verschwendet wurden.“ (welt.de vom 04.06.2010)
Wenn sich notwendig gewagte Szenarien und gänzlich unnötige Überbietungswettbewerbe vorzeichenverkehrt nähern
Es gibt einige, vor allem in den „alternativen Medien“, die vor einem „diktatorischen Hygiene-Regime“, einer „Diktatur“ warnen, für die der Corona-Ausnahmezustand nur ein gefundenes Fressen, ein Vorwand ist. Dass einige bis zu viele Maßnahmen, die erlassen wurden, nicht der Eindämmung der Pandemie dienen, sondern der Eindämmung von Grund- und Schutzrechten, ist zweifellos ein Aspekt, den man ganz und gar nicht opfern muss, egal, wie ernst man das Virus nimmt.
Leider zeigt sich auch hier, dass die Corona-Krise selten eine Chance bietet, etwas besser zu machen, sondern in aller Regel nur das verstärkt, was schon vorher sehr breit und bedrückend die linke Debatte bestimmt: Die Weigerung, verschiedene Annäherungen zu diskutieren, sie an den jeweils stärksten Argumenten zu messen und nicht genau das zu reproduzieren, was man dem Mainstream zu Recht vorwirft. Es gibt eine „Redaktionslinie“ und der folgt man am besten in vorauseilendem Gehorsam.
Ein aktuelles Beispiel bietet die Internetplattform „Rubikon“ (für die „kritische Masse“). In prominenter Position ruft der Eigentümer, Herausgeber und Geschäftsführer Jens Wernicke dazu auf, sich dem „Staatsstreich“ entgegenzustellen. Wer hier gegen wen einen „Staatsstreich“ durchführt, erklärt der Herausgeber nicht. Wozu es gerade in Deutschland einer Diktatur bedarf, was nicht mit den bestehenden institutionellen Möglichkeiten durchgesetzt werden kann, erklärt er nicht. Welchen Widerstand ein „Staatsstreich“ brechen, zum Schweigen bringen will, der nicht mit dem bestehenden Instrumentarium und dem gegenwärtigen Personal wirkungslos gemacht werden kann, erklärt Jens Wernicke nicht.
Es geht begrifflos zur Sache. Auch der notwendige Versuch, diese Befürchtung staatstheoretisch zu begründen, fehlt in Gänze. Wie oft waren wir in den letzten 50 Jahren auf diese Weise schon im Faschismus, im Vierten Reich? Alles vergessen? Warum kann man nicht aus diesen Erfahrungen lernen, sich und seine Befürchtungen daran ausjustieren?
Schnell bekommt man das Gefühl, dass auch hier die Corona-Angst dazu benutzt wird, sich, also Rubikon als einzig wahres Serum gegen die Dummheit aller anderen zu positionieren. Nicht umsonst endet dieser Aufruf damit, Rubikon jetzt erst recht finanziell zu unterstützen, in einer selbst geschaffene Apokalypse.
Florian Kirner war bei der Gründung von Rubikon mit dabei und hat zu diesem Appell einen Widerruf verfasst, der sich keinerlei Polemik bedient, dafür eindringlich und nachvollziehbar darauf insistiert, dass man die Gefahren der Pandemie nicht gegen die Regularien eines „Ausnahmezustandes“ ausspielen sollte, der zum Normalzustand werden kann. Dazu führt er aus:
„Das Problem ist, dass diese Kritik nicht stärker, sondern schwächer wird dadurch, dass sie aus einer Haltung heraus vorgenommen wird, die den Virus selbst zu einer Petitesse erklärt, oder, wie Jens Wernicke dies in einer Massenemail tut (und wie es unzweifelhaft seiner Auffassung entspricht): zu einem Fake oder Hoax. Zitat Wernicke: ‚Nach mehrtägiger Recherche der Gesamtumstände steht für mich fest: es ist ein Fake, und das werden wir bald auch belegen können‘.“
Florian Kirners Beitrag wurde abgelehnt. Keine Debatte, keine kollektive Selbstüberprüfung, Der völlige Unwillen, die eigenen Positionen an einem begründeten Widerspruch zu messen. Stattdessen der ganze Einsatz von Machtbefugnissen, die man andernorts zurecht kritisiert.
Das konterkariert nicht nur jede Kritik am Mainstream, es zerstört solche Projekte von innen. Für diese mögliche Entwicklung braucht es keinen Staatsstreich.
Wenn die Nebenwirkungen die Hauptwirkung übertreffen
Soweit man darüber einen Überblick haben kann, ist es doch so, dass alle weitgehend eingeschlossen sind, alle sehr ähnlichen Ausnahmebedingungen unterworfen sind – und sich die allermeisten daran halten: Darin unterscheiden sich kaum jene, die das Ganze für übertrieben halten, von jenen, die die Maßnahmen gegen die Pandemie für halbwegs vernünftig halten. Jene, die eine Gefahr sehen, dass damit auch ganz andere Ziele verfolgt werden unterscheiden sich in ihrem Alltag doch nicht von jenen, die darin das eigentliche Ziel dieser Angst-Kampagne sehen. Sie, wir alle teilen eine ähnliche Ohnmacht.
Die ganz wenigen Versuche, zum Beispiel durch Demonstrationen dieser verwaisten Öffentlichkeit etwas entgegenzusetzen, wurden entweder verboten, aufgelöst oder von ganz Wenigen getragen.
Zurzeit finden große „Ausbrüche“ nur im Symbolisch-Digitalen, im „Netz“, auf intellektueller Ebene statt. Gäbe es denn nicht genug Gründe, die Notwendigkeit der Unterschiede mit der dringlichen Notwendigkeit gemeinsamen Handelns zu verbinden?
Wenn das so ist, sollten wir doch mindestens genauso viele Anstrengungen darauf verwenden, einen gemeinsamen Ausgangspunkt zu finden, um von dort ausgehend einen tragfähigen Vorschlag zu erarbeiten, der aus dieser Paralyse, aus der vielteiligen Einschließung herauskommt.
Dabei werden wir ohne eine Analyse nicht auskommen, die sich begründet und erklärbar gegen jeden Versuch wehrt, für die „Corona-Krise“ dunkle, obskure Mächte verantwortlich zu machen. Diese rechte Ausdeutung schützt die kapitalistischen Bedingungen. In einer linken Antwort muss erkennbar sein, dass wir genau diese verantwortlich machen. Man könnte es zum Beispiel auf den Punkt bringen:
Der Kapitalismus ist der Wirt, das Corona-Virus nur (s)ein Gast.
Man kann sich sehr sicher sein, dass eine solche Grundlinie für rechte, postfaschistische Intensionen untragbar ist.
Wolf Wetzel
Eine leicht gekürzte Fassung findet sich auf den NachDenkSeiten am 6. Mai 2020:
„Hier bringen wir noch ein Stück von Wolf Wetzel, das sich verschiedensten Facetten des Corona-Komplexes nähert: Experten-Twist und Gefahrenpotenzial sowie potenzielle Überwachung und Zensur. Das Virus-Thema ist vielschichtig – in diesem Sinne können unterschiedliche Betrachtungswinkel beim Verständnis helfen: https://www.nachdenkseiten.de/?p=60757
Quellen und Hinweise:
Markus Lanz – Talkshow vom 23.4.2020 | ab 26.00 Min: https://www.zdf.de/gesellschaft/markus-lanz/markus-lanz-vom-23-april-2020-100.html
Europarat rügt Panikmache bei Schweinegrippe, zeit.de vom 27.1.2010: https://www.zeit.de/politik/2010-01/europarat-panikmache-schweinegrippe
Bezahlte Pharmaindustrie für Panik vor Schweinegrippe? Welt.de vom 04.06.2010: https://www.welt.de/wirtschaft/article7910012/Bezahlte-Pharmaindustrie-fuer-Panik-vor-Schweinegrippe.html?cid=socialmedia.email.sharebutton
Kritik des Rubikon in der Corona-Krise, Florian Kirner,
Bio-Terrorismus – made in USA. Anthrax-Spuren und Desinformationskrieg, Wolf Wetzel, https://wolfwetzel.de/index.php/2013/09/10/bio-terrorismus-made-in-usa-anthrax-spuren-und-desinformationskrieg/
Der Staatsstreich. Der politisch wie medial forcierte Frontalangriff aufs Grundgesetz darf nicht folgenlos bleiben — holen wir uns unsere Demokratie zurück! Jens Wernicke vom 27. März 2020: https://www.rubikon.news/artikel/der-staatsstreich-3
Jenseits von Gesundheitsnotstand und Verschwörungswahnsinn, von Peter Novak
Facebook zerschlagen, Wolf Wetzel
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