Kalter Krieg und 80 Jahre Zurückhaltung

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Kalter Krieg und 80 Jahre Zurückhaltung

Der SPD-Parteivorsitzende Lars Klingbeil legte vor Genoss**innen auf die „Zeitenwende“ von Genosse Scholz noch was drauf. Deutschland habe „nach knapp 80 Jahren der Zurückhaltung heute eine neue Rolle im internationalen Koordinatensystem“.

Schon das Wort „Zurückhaltung“ ist eine Zumutung. Aber was ist mit den 80 Jahren?

 

80 Jahre Zurückhaltung

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Ein Kommentar

  1. „80 Jahre Zurückhaltung“ – da muss sich etwas mächtig aufgestaut haben. Das nun zur Explosion drängt? Triebstau, Eiterpickel oder was? „Stalingrad“ als eine Art Coitus Interruptus für das deutsche Militär? Deshalb nun die „Zeitenwende“? Für Erleichterung sorgen, damit die Blase nicht platzt?

    Um der heute allseits herrschenden Geschichtsvergessenheit, die zu einem großen Rückschritt („Great Reset“ – Danke an „Ständige Publikumskonferenz“ für diese Übersetzung)) – Marx nannte das „Rückfall in die Barbarei“ – führt, ein wenig entgegenzuwirken, möchte ich auf einige historische Aspekte hinweisen, die sich, wie sollte es auch anders sein, noch heute bemerkbar machen. Sozusagen ein „Prequel“ zur Äußerung von FallKlingbeil.

    Kurze Zwischenbemerkung: Da ich nur kommentiere, meine Meinung äußere, muss ich nichts belegen oder verquellen. Zu einzelnen Personen, Ereignissen, Daten habe ich der Einfachheit halber auf Wikipedia nachgeschaut, auch wenn ich diesem „Lexikon“ kritisch gegenüberstehe. Zum Ausgleich ein Link: https://wikihausen.de/

    Smuta, Zeit der Wirren, 1598-1613 (Stichwort: Boris Godunow, s. Puschkin und Mussorgsky). Militärische Intervention Schwedens, um Estland zu kontrollieren, polnische Truppen eroberten Moskau.
    „1612 brach unter der Führung des Nischni Nowgoroder Kaufmanns Kusma Minin und des Fürsten Dmitri Poscharski mit Unterstützung durch den Metropoliten Filaret in Moskau ein Volksaufstand aus, der die polnische Besatzungszeit beendete.
    Im Jahr darauf wurde Michael I. durch eine Reichsversammlung, den Semski Sobor, zum neuen Zaren gewählt. Diesem gelang es, das Land halbwegs zu stabilisieren und die Zarendynastie der Romanows zu begründen.“

    Romanow? Ja, Nicki Zwo. Doch nicht in gerader Linie. Zwischenrein kommt es zu einer handels- bzw. adelsüblichen Blutauffrischung in Form einer &Co KG: Die Romanow-Holstein-Group. Entschuldigung, Korrektur: Romanow-Holstein-Gottorp.

    1894 begab es sich, so die damalige Mär Berichterstattung, dass der zarte Nikolaus die Tochter des Großherzogs von Hessen und Enkelin der Queen Victoria schmuck fand, „eine Liebesheirat“, wie es hieß.
    Moment. Queen Victoria, die „Großmutter Europas“? Ja, die war auch die Oma von Wilhelm Zwo, dem deutschen Zar.
    Fakt ist, Kinder streiten sich immer wieder einmal, das muss man nicht so ernst nehmen. Bei Adelszöglingen resultieren daraus manchmal Kriege oder Weltkriege, das nimmt der Adel nicht so ernst (also sich gegenseitig nicht).

    Während Zar Wilhelm Zwo also mit Zar Nicki Zwo einen kleinen Zwist austrug, kam plötzlich „der böse Russe“ und machte Revolution. Jungs mögen es nicht, bei ihrem Streit gestört zu werden. Um wie viel schlimmer muss es für die beiden Buben gewesen sein, dass der Bolschewik ihnen das ganze Spiel verdarb. Und nicht nur ihnen. Der Hass des gesamten Adels und aller Monarchisten war ihnen gewiss (nicht den bösen Buben, sondern den „bösen, bolschewistischen Russen“).

    Demokratie wird nicht nur von rechts, links, der „extremen Mitte“ und „von oben“ (Großkapital) bedroht – eindimensionale Wesen: „Oben? Was soll das sein? Es gibt kein „oben“.“

    Sondern auch von den „alten Mächten“, den Monarchisten, dem „Adel“, der noch immer über erhebliche Reichtümer verfügt, noch immer hofiert wird, von zahllosen Hofschranzen aus Politik und Medien. Über die Klagen des alten Adels gegen die BR Deutschland auf Herausgabe von Vermögenswerten wird selten berichtet. Noch seltener darüber, wie oft die Regierung klein beigibt.

    Noch einmal zurück: Was war nach der Oktoberrevolution? Was geschah in Deutschland? Weite Teile der Bevölkerung hatten nicht nur die Nase voll vom Hungern und Frieren im Kohl-/Steckrübenwinter. Ausgelaugt, verelendet, viele Angehörige auf den Schlachtfeldern in der Ferne wie zu Hause verloren. Und siehe da, wieder einmal keimte die Hoffnung, dass in Deutschland eine Revolution möglich sein könnte.

    Von wegen. Nix da. Die Rechnung ohne die SPD gemacht. – Huch. Was hat die SPD mit Adel zu tun?

    Gemeinsamkeit von Adel und SPD: Die Ermordung von Rosa und Karl.

    Es gibt eine us-amerikanische Serie, die heißt: „How to get away with murder“. Das Drehbuch wurde wohl von diesen Personen der Geschichte inspiriert:

    Gustav Noske
    Auch bekannte er sich zur Notwendigkeit der Landesverteidigung, was nicht von allen sozialdemokratischen Abgeordneten geteilt wurde. Seine Befürwortung eines gewissen Nationalegoismus machte ihn in den Augen der Historikerin Helga Grebing zum Prototypen für „jenen Teil der deutsche Sozialdemokratie, der sich […] in positiver Weise in den monarchisch-autoritären Staat integrierte“

    Ernst Julius Waldemar Pabst
    Gemeinsam mit dem späteren Reichskanzler Franz von Papen besuchte er die Preußische Hauptkadettenanstalt und erhielt 1899 sein Offizierspatent. Mitglied von:
    Garde-Kavallerie-(Schützen-)Division
    Gesellschaft zum Studium des Faschismus

    sowie:
    Horst Gustav Friedrich von Pflugk-Harttung
    Heinz Fritz von Pflugk-Harttung
    Ulrich von Ritgen
    Julius Paul Heinrich Stiege
    Rudolf Liepmann
    Hermann Wilhelm Souchon

    Etwas über einen Monat später dann die Ermordung von Kurt Eisner, dem ersten Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern.
    S. dazu:
    Anton Graf von Arco auf Valley
    Politisch gehörte Arco seit seiner Haft zu den radikalsten Mitgliedern des monarchistisch-föderalistischen Flügels der Bayerischen Volkspartei (BVP).

    Der Adel ist heutzutage nur noch als Thema der Boulevardpresse bekannt, z. B. der hier:
    Ernst August Hannover
    Er ist ein Nachkomme der Welfen und ein Urenkel des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. über dessen einzige Tochter Viktoria Luise von Preußen. Er besitzt die deutsche, österreichische und britische Staatsangehörigkeit.

    Sein Sohn ist nicht so medial präsent:
    Ernst August von Hannover ist das älteste Kind von Ernst August von Hannover
    Ernst August studierte Geschichte und Volkswirtschaftslehre in New York City sowie Florenz und war danach als Investmentbanker tätig, unter anderem für einen Fonds bei der Islamic Investment Bank in Bahrein. In einer Londoner Investmentbank spezialisierte sich Ernst August auf die Finanzierung kleinerer Bergbau- und Technologieunternehmen in Schwellenländern.

    Oder diese kleine Familiengeschichte:
    Am 6. Mai 1877 verlieh der russische Zar Alexander II. Ludwig Knoop den Adelstitel eines Barons.
    Im Russischen Reich wurde er bald zu einem der erfolgreichsten und wohlhabendsten Unternehmer.
    Ludwig Knoop war für kurze Zeit auch Aufsichtsratsmitglied des Norddeutschen Lloyds, von dem er während des Deutsch-Französischen Kriegs die Flotte pro forma aufkaufte und unter russischer Flagge fahren ließ, um sie vor der Enteignung durch die Franzosen zu schützen.
    Der Landsitz war Treffpunkt für viele gehobene Gäste (u. a. der preußische Feldherr Graf von Moltke, der Kapitän und Forscher Eduard Dallmann).

    Ursula von der Leyen, Tochter von Ernst Albrecht, seit dem 1. Dezember 2019 Präsidentin der Europäischen Kommission, Bundesverteidigungsministerin von 2013 bis 2019, ist eine Ur-Ur-Urenkelin.

    Oder wie steht es hiermit:
    Das Haus Oldenburg ist eines der bedeutendsten Geschlechter des regierenden europäischen Hochadels.
    Die bis 1918 regierenden Großherzöge von Oldenburg sowie die russischen Zaren aus dem Hause Romanow-Holstein-Gottorp und die schwedischen Könige bis 1818 gehören genealogisch zum Hause Schleswig-Holstein-Gottorf. Die noch heute regierenden Königshäuser von Dänemark und Norwegen gehören genealogisch zum Zweig Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, desgleichen das frühere griechische Königshaus sowie über seinen aus Griechenland stammenden Vater, Prinz Philipp, auch der britische Thronfolger Prinz Charles und dessen Nachkommen.

    Über Haltung zur Demokratie seitens Adeliger kann man auch aus dessen Lebenslauf lernen („harmloser Mitläufer“):
    Friedrich Ferdinand Prinz zu Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (* 14. Mai 1913 in Gotha; † 31. Mai 1989 in Schloss Glücksburg) war ein deutscher Offizier.
    1932 in der Schwarzen Reichswehr

    Wer sich die Genealogie des europäischen Adels so anschaut (übrigens viele Hessen dabei, also die Leute, die schon meine Urgroßeltern, deren Eltern … niedergedrückt und ausgepresst haben), kann nur zu dem Schluss kommen, dass der Adel immer schon an globaler Herrschaft und in keiner Weise an Demokratie, Menschenrechten oder irgendwelchen nationalen Belangen interessiert war. Die wollen Geld, Macht und Beweihräucherung, nix anderes. Das „gemeine“ Volk geht denen doch hinten vorbei. Und die hiesigen Hofschranzen wollen das auch. Und Bildung ist denen ein Grauen.

    Ein Beispiel im Kleinen für die Ideen im Großen, die der deutschen „Elite“ so vorschweben, ist der „Wiederaufbau“ des Berliner Stadtschlosses, dem Symbol für Unterdrückung, Ausbeutung und Krieg. Wird getarnt als „Humboldt-Forum“ bezeichnet, dieser Revanchistenbau. Was ein Hohn!

    Bernt Engelmann fragte mal, wann das Mittelalter zu Ende war. Und konnte kein Datum finden. Wie auch, es besteht ja weiterhin fort.

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