Wir haben uns den 3. Weltkrieg verdient. Teil I

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Wir haben uns den 3. Weltkrieg verdient

Es gibt gute und verständliche Gründe, die Weltkriegsgefahr kleinzureden und als Alarmismus abzutun. Dieselben halten jedoch die „Reichsbürgerbewegung“ für eine echt große Gefahr, die bis zum Umsturz reicht. Wie passt das zusammen?

 

Teil I

Der Weg in die „außenpolitische Normalität“ war lang und erfolgreich. Damals in den 1990er Jahren war das die noch verschämte Umschreibung dafür, dass endliche auch Deutschland wieder als Militärmacht ins Weltgeschehen eingreifen darf und soll.

Der spätere grüne Außenminister Joschka Fischer hatte diese Militärstrategie der „Mitte“ Anfang der 1990er Jahre so auf den Punkt gebracht:

Für die Zukunft sehe ich die erhebliche Gefahr, dass die Bundesregierung, Koalition und Generalität nach den Gesetzen der Salamitaktik Anlässe suchen und Anlässe schaffen werden, um die Barrieren abzuräumen, die es gegenüber der Außenpolitik des vereinten Deutschland noch gibt. Als Vehikel dienen dabei die Menschenrechts- und Humanitätsfragen.“ (Die Woche vom 30.12.1994)

Kaum ausgesprochen hatte man einen Tatort und ein Vehikel. Es ging um den „Hinterhof“ Europas, die blockfreie Bundesrepublik Jugoslawien, die man endlich unter politische und wirtschaftliche Kontrolle bringen wollte.

All das vertraten die Regierungsparteien (CSU/CDU/FDP/SPD) zielstrebig und gemeinsam. Dafür braucht/e man keine Reichsbürger.

Anfangs waren die Grünen bekanntlich im politische Establishment nicht wohlgelitten. Sie traten noch für den Austritt aus der NATO ein und hatten ein pazifistisches Selbstverständnis. Doch sehr schnell war diese Sorge verfolgen und die Grünen wurden gar ein Gamechanger in dem Anliegen, Deutschland wieder an die Kriegsfronten zu bringen. Sie waren im Gegensatz zu den „Altparteien“ unbelastet, hatten keine Nazis und Wehrmachtsoldaten in ihren Reihen.

Das war die Stunde eines Joschka Fischer, der deutscher Außenminister wurde und genau wusste, welches „Vehikel“ man besteigen musste, um den ersten Angriffskrieg in Europa gegen die ehemalige BR Jugoslawien 1999 zu rechtfertigen. Er zeigte den Altparteien, dass man „Auschwitz“ nicht verschweigen sollte, sondern neu bewaffnen: Nur die Grünen konnten gänzlich unbelastet davon reden, dass man nun ein „zweites Auschwitz“ verhindern wolle. Das Vehikel „Menschenrechts- und Humanitätsfragen“ bekam einen entsprechend selbstlosen Kriegsnamen: „humanitäre Intervention“.

Ob der Jubel, der mit diesem Angriffskrieg ausbrach, auch von Reichsbürgern geteilt wurde, spielt wirklich keine Rolle. Denn der Jubel, der in der politischen „Mitte“ ausbrach, war ohrenbetäubend. Es war die Mitte, rund um Rot-Grün, die diese „Bombenkampagne“ bejubelte.

Am 24.5.1999 begann die Nato mit der Bombardierung Jugoslawiens. Einen Tag später war die liberale Frankfurter Rundschau kaum noch zu bremsen:

„Könnte es sein, dass sich Deutschland seit wenigen Tagen definitiv im Zustand der Normalität befindet? … Bundesluftwaffe … an vorderster Front … seit Frühjahr 1945 stehen wir wieder mittendrin … der längst fällige Durchbruch zur kompletten Normalität … Auf dem Sektor der Ökonomie hat die Bundesrepublik die Normalisierungsprozesse bereits seit Jahrzehnten abgeschlossen. Jetzt ist auch die ganze Palette der Außenpolitik erfasst.“ (FR vom 25.5.1999)

 

20 years later.

Endlich wieder deutsche Panzer Richtung Russland

Wer also nach Neonazis sucht, wer wissen will, wo die Leute sitzen, die den Zweiten Weltkrieg doch noch gewinnen wollen, die Imperialismus und Weltmachtambitionen für eine Selbstverständlichkeit halten, der muss nicht zu den Reichsbürgern gehen und auch nicht einer neonazistischen Kameradschaft beitreten.

Der kann das ganz legal und unbehelligt tun und findet in der BILD alles, was man dazu braucht:

 

 

„Die ganze Welt wartete darauf. Jetzt ist es soweit (…) Erstmals wurden die deutschen Kampfpanzer auf dem Schlachtfeld gesichtet, sie nehmen den Kampf gegen die russischen Invasoren auf.“

 

 

Das steht nicht im Stürmer anno 1942, sondern in der BILD vom 8.6.2023.

 

BILD galt viele Jahrzehnte als ein revanchistisches Revolver-Blatt, das den „Russen“ nicht verzeihen konnte, dass die „Deutschen“ den Zweiten Weltkrieg verloren hatten. Doch nun steht BILD mit diesem Revanchismus nicht länger am rechten Rand, sondern in der Mitte der politischen Landschaft.

  • Gab es massive, laute Kritik gegen diese Kriegsrhetorik?
  • Gab es Kritik an dieser unterirdischen Heilsverkündung, die „ganze Welt“ warte auf deutsche Panzer in der Ukraine, mit dem Ziel, Russland zu „ruinieren“?

Nein. Längst ist die Verschämtheit der Unverschämtheit gewichen.

Deutsche Waffen helfen, den Pazifismus durchzusetzen

CSU/CDU und FDP, Grüne und SPD überbieten sich seit ein paar Jahren in Kriegsrhetorik und Schlachtrufen:

Man spricht mit breiter Brust von „Kriegsertüchtigung“ (Verteidigungsminister Pistorius, SPD) und „Kriegswirtschaft“ (Christoph Heusgen, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz). Man macht das, was man 1914 schon einmal gemacht hatte: Man bewilligt Kriegskredite, dieses Mal in Höhe von 100 Milliarden Euro, die man nun als „Sondervermögen“ tarnt. Diesbezüglich ziert sich also noch die SPD, um nicht direkt daran erinnert zu werden, dass auch die SPD den Ersten Weltkrieg mitfinanziert und propagandistisch mitgetragen hatte.

Und man spricht in der Dauerschleife von der Notwendigkeit, dass sich Deutschland selbst „verteidigen“ müsse, gegen Feinde, die nur darauf warten, ein drittes Mal über dieses hilflose Deutschland herzufallen. Daran hat sich übrigens nichts geändert. Auch die Nazis sprachen unentwegt davon, dass man von Feinden umzingelt sei und man sich dieser bösen Bedrohung erwehren müsse – bis nach Stalingrad, London, Athen, Brüssel, Paris …

Und dazu gehört auch die kognitive Kriegsführung: Jahrelang hat man viel dafür getan, dass „links“ und „rechts“ angeblich überholt seien, dass das, wovor George Orwell als Horrorvision warnte, zum Grilltalk gehört: „Krieg ist Frieden“. Was sonst?

Mittendrin u.a. ein Thomas Franke, der am 13. August 2024 für den Deutschlandfunk einen Kommentar verfasste. Geradezu befreit von Sinn und Verstand, feiert er den Einmarsch ukrainischer Truppen in Russland als längst überfällig. Anstatt die deutschen Panzer, die nun auch auf russischen Territorium operieren, als deutsche Kriegsbeteiligung zu thematisieren, entdeckt er in deutschen Panzern an der Ostfront genau den „Pazifismus“, von dem auch die Nazis geträumt hätten:

„In der Praxis sieht das so aus: Waffen, auch aus Deutschland, helfen, pazifistische Grundsätze durchzusetzen. Es ist schmerzhaft, das anzuerkennen. Wer sich dem aber verweigert, macht sich mitschuldig am immer länger laufenden Krieg Russlands gegen die Ukraine.“

Einen Weltkrieg muss man wollen

Einen Weltkrieg vorzubereiten, ist keine Neuigkeit und bietet wenig Rätsel. Denn er bedarf einer offenen politischen, militärischen und ideologischen Mobilisierung. Und die lebt nicht von der Tarnung, sondern vom offensiven Auftreten:

Also muss die Bundeswehr in die Schulen, um dort kriegstaugliches Material zu formen. Man muss als Militär präsent sein, die Kasernen verlassen, damit sich die Menschen daran gewöhnen. Man muss die Infrastruktur an den gewollten Krieg anpassen. Jetzt werden Autobahnen so repariert und erneuert, dass sie auch für Panzer und Kriegsgerät benutzbar sind.

Und man muss den Krieg in kleinen Schritten, aber auch in seinen ultimativen Schritten vorbereiten. Das nennt man den Aufbau von Eskalationspotenzialen. Dazu gehört die Verlegung von Bundeswehrsoldaten an die Ostfront (Litauen), bis hin zu atomaren Vernichtungsoptionen. Dazu gehört die Stationierung von atomaren Mittelstreckenraketen der USA, die hier in Deutschland aufgestellt werden sollen. Gut, ihre Ziele sind Moskau oder Leningrad. Man kann dabei wohl kaum von Selbstverteidigung sprechen. Oder doch?

Die SPD ist zwar gerade dabei, sich selbst zu eliminieren, aber das hielt sie noch nie davon ab, sich dem wahren Irrsinn hinzugeben:

„Als SPD übernehmen wir Verantwortung dafür, dass kein Kind, das heute in Deutschland geboren wird, wieder Krieg erleben muss. Die Vereinbarung der SPD-geführten Bundesregierung mit der US-Administration, ab 2026 US-amerikanische Raketen mit größerer Reichweite in Deutschland zu stationieren, ist dafür ein wichtiger Baustein.“

Das gab das SPD-Parteipräsidium am 12. August 2024 bekannt. Man ist fassungslos über so viel Kriegslügen und den leicht bekleideten Vorwand, all das für „Kinder“ zu tun. Auch Hitler hat gerne Kinder gestreichelt.

Diesen Vorgang kommentierte Leo Ensel für Global Bridge treffend so:

„Krieg ist Frieden“ – oder: 2024 ist 1984

Wolf Wetzel

Publiziert im Magazin Overton am 27. August 2024: https://overton-magazin.de/kolumnen/kohlhaas-unchained/wir-haben-uns-den-dritten-weltkrieg-verdient/

Quellen und Hinweise:

Die ganze Welt wartete darauf. Jetzt ist es soweit: die Ukraine stößt mit deutschen Leopard-2-Panzern gegen die Russen vor! Erstmals wurden die deutschen Kampfpanzer auf dem Schlachtfeld gesichtet, sie nehmen den Kampf gegen die russischen Invasoren auf. Die Offensive läuft!” (BILD/JULIAN RÖPCKE vom 08.06.2023)

https://www.bild.de/bild-plus/politik/ausland/politik-ausland/erstmals-bei-offensive-gesichtet-jetzt-stossen-deutsche-leopard-panzer-vor-84253894.bild.html

Das westliche Bündnis im Kampf gegen die Occasus-Allianz, bundeswehr.de vom 1.6.2023: https://www.bundeswehr.de/de/organisation/luftwaffe/aktuelles/gopolitisches-szenario-bei-air-defender-23-5630164

Sie wissen, was sie nicht wissen, Wolf Wetzel: https://wolfwetzel.de/index.php/2022/08/16/sie-wissen-was-sie-nicht-wissen/

80 Jahre Zurückhaltung, Wolf Wetzel: https://overton-magazin.de/kolumnen/kohlhaas-unchained/80-jahre-zurueckhaltung/

Kognitive Kriegsführung. Neueste Manipulationstechniken als Waffengattung der NATO, Jonas Tögel, Westendverlag 2023

„Krieg ist Frieden“ – oder: 2024 ist 1984, Leo Ensel: https://globalbridge.ch/krieg-ist-frieden-oder-2024-ist-1984/?utm_source=mailpoet&utm_medium=email&utm_source_platform=mailpoet&utm_campaign=globalbridge-updates-3

Wall Street Journal: Deutsche Stellen waren vorab über Nord-Stream-Sprengung informiert, multipolar-magazin.de vom 17.8.2024: https://multipolar-magazin.de/meldungen/0087

Vorstoß der Ukraine in Kursk. Kommentar: Russland ist nicht unverwundbar, Thomas Franke | 13.08.2024: https://www.deutschlandfunk.de/kommentar-ukraine-russland-kursk-nato-krieg-deutschland-100.html

 

 

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