Über Moskau nach Peking Teil I

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Über Moskau nach Peking.

Sage bitte niemand, dass man das doch nicht wissen konnte.

Teil I

Es ist das Merkmal von großen Kriegen, von Vorkriegszeiten, dass Eskalationen und Beschwichtigungen, große Landkarten und immer kleiner werdende Innenwelten, äußerste Kälte und intime Exzesse Hand in Hand gehen.

Man kann einen Krieg wie den gegen Russland (und China) nicht im Stillen vorbereiten. Deshalb fällt immer öfters das Wort von der „Kriegswirtschaft“. Obwohl die Zeichen nicht zu übersehen sind, ist das Bedürfnis all derer, die dabei auf Strecke bleiben werden, groß, sich selbst zu beschwichtigen. Wir sind mit diesem inneren Fluchtverhalten nicht allein. Vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg haben sehr viele Menschen genauso gedacht. Manche wollen die Nachkriegs-Vorkriegszeiten auch als besonders ausgelassen und lebensdurstig erlebt haben.

 

Strandleben- 1927

 

Jetzt, wo man nichts mehr zu verlieren hat und auch keine Zeit, blüht das Strand-Nacht-Leben auf. Babylon lässt grüßen:

 

 

Wir befinden uns im Krieg. Und selbstverständlich kann man schon heute von einem Weltkrieg sprechen, der zurzeit noch auf ukrainischem Territorium ausgetragen wird. Auf der einen Seite stehen die USA und die EU. Auf der anderen Seite Russland. Dass der Puffer „Ukraine“ sehr schnell aufgebraucht sein kann, dass man sich in der Kriegsdynamik unterschätzt, ist seit vielen Kriegen und Weltkriegen eine Binsenwahrheit.

Aber noch etwas kann man aus vorangegangenen Kriegen lernen. Die allermeisten werden nicht im Kriegsverlauf selbst entschieden, sondern in der „guten“ Vorbereitungen:

Man braucht die notwendigen Waffen, die notwendigen Rohstoffe, die tragfähigen Allianzen und eine Heimatfront, die alles mitmacht oder zumindest nicht gefährlich werden kann.

Dazu gehört auch eine Kriegsstrategie, die all das berücksichtigt und eben nicht der eigenen Propaganda unter/erliegt. Und die ist in diesem Fall mit Bedacht gewählt.

Der Fahrplan ist kein Geheimnis: Erst Russland, dann die VR China.

Die letzte Chance, die alte US-dominierte Weltherrschaft aufrechtzuerhalten. Die Arbeitsteilung ist dabei auch kein Geheimnis: EU und Deutschland übernehmen Russland. Die US-Regierung wendet sich in Richtung VR China, der eigentliche Konkurrent, in ökonomischer und militärischer Hinsicht.

Beide gleichzeitig zu besiegen, ist eher unklug und unabschätzbar. Aber wenn man Russland „ruiniert“ hat, dann macht das auch Eindruck auf die VR China.

Leos und Neoimperialismus

Während wir hier vor allem und gerne mit Leo-und anderen Panzer-Geschichten abgelenkt werden, bereiten sich die USA und EU sehr langfristig auf die Eskalation vor: Auch das passiert nicht im Verborgenen. Aber man muss Zusammenhänge begreifen und … Waffen, Allianzen und Rohstoffe zusammendenken.

Wenn man von Russland und China als bedeutende Rohstofflieferanten und Billig-Lohn-Produktionsstätten loskommen will, muss man Alternativen finden. Beides läuft zurzeit auf Hochtouren, als Teil der Kriegsvorbereitung.

Die Kriegskoalition schmieden und Rohstoffdepots auffüllen

Alle Kriegsparteien im Westen suchen nach Allianzen, nach Möglichkeiten, Länder zu „überzeugen“, also mit Angeboten zu erpressen, wie mit Serbien, das bisher eine klare Gegnerschaft zur Beteiligung am Ukraine-Krieg zum Ausdruck gebracht hatte. Nun hat man die Daumenschrauben angezogen und mit dem EU-Beitrittskarte gespielt.

Dabei ist es recht wichtig, Serbien, sprich Augenzeugen zum Schweigen zu bringen, denn dieses Land kann etwas über Angriffskriege erzählen, und zwar mitten in Europa und all das nicht Annodazumal, sondern 1999, als man Serbien über 70 Tage lang bombardiert hatte, und die komplette Zerstörung der zivilen Infrastruktur als „legitime Ziele“ gefeiert hatte.

Diese Kriegsverbrechen sind nicht vergessen:

 

„Der serbische Präsident Aleksandar Vučić sagte, er werde die Anerkennung der Unabhängigkeit der Separatistenregionen in der Ostukraine durch Russland nur verurteilen, wenn wiederum der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die NATO-Bombenkampagne gegen Serbien im Jahr 1999 öffentlich im Fernsehen verurteilt.“ (euractiv.de vom 23. Februar 2022)

Und er hat einen sehr maßgeblichen Mechanismus der Kriegspropaganda auf den Punkt gebracht:

„Sie erzählen uns von der territorialen Integrität der Ukraine und zeigen uns leere Kinderwagen. Warum hat man uns keine leeren Kinderwagen gezeigt? Wissen Sie, was den Menschen in Serbien nicht klar ist: Warum haben Sie das 1999 nicht zur Sprache gebracht?“

Ganz besonders makaber und unerträglich ist der Besuch des SPD-Bundeskanzlers Scholz in Brasilien am 31.1.2023. Dieser ist dreist und verlogen genug, Lula wie ein alten Freund zu umarmen und sich als echter Naturschützer aufzuführen. Neben diesen Leckerlis ging es um knallharte Kriegsvorbereitungen und -geschäfte.

Zum einem möchte man die brasilianische Regierung in den Krieg an der Seite der USA und EU hineinziehen. So versuchte Scholz, die brasilianische Regierung dazu zu bringen, Waffen für die Ukraine zu liefern. Das ging gänzlich in die Hose.

Zum anderen will man an die Rohstoffe heran, die Brasilien hat und auch Deutschland braucht, um sich von Russland und China unabhängig zu machen. Es geht dabei um Lithium.

Auch der Besuch des Bundeskanzlers in Chile ist ausgesprochen skrupellos. Aus Deutschland wissen wir, dass Erinnerung nur dann eintritt, wenn man sie instrumentalisieren kann. In Chile „erinnert“ man sich nicht, sondern geht in den anderen Modus: Nach vorne schauen.

Trotzdem: In Chile wurde eine gewählte und unpassende Regierung unter Allende mit direkter Hilfe der US-Regierung weggeputscht. Die deutsche Bundesregierung und Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) übten sich in einer Doppelstrategie: Man protestierte weder gegen die US-Einmischung, noch brach man alle Verbindungen zum Pinochet-Regime ab. Statt Wirtschaftssanktionen blühte das Geschäft mit der Diktatur. Von dem gnadenlosen Ausverkauf an ausländische Konzerne profitieren USA und Deutschland noch heute.

Unter der Hand sorgte man mit Blankopässen für die Rettung von Verfolgten.

Bis heute sind die mörderischen Spuren der Pinochet-Diktatur zu sehen. Bis heute kämpfen die Menschen gegen eine Verfassung, die aus der Pinochet-Zeit stammt und im Wesentlichen die Legalisierung des Seeräubertums in den Verfassungsrang gehoben hat.

Bundeskanzler Scholz interessierte sich bei seinem Staatsbesuch nicht für Geschichte, sondern für Rohstoffe. Man ist auf Einkaufstour. Das macht man nicht mehr wie früher, mit „Piraten“, sondern mit Geschäftsleuten. Herausspringen wird dabei viel für die deutsche Wirtschaftselite, ein bisschen was für die chilenische Elite und gar nichts für die Bevölkerung. Genau deshalb sprechen auch viele Organisationen in Chile von „Neokolonialismus“, der u.a. mit dem „Freihandels“abkommen zwischen der EU und Chile abgeschlossen wurde:

Das Abkommen diene vor allem „der Elektromobilität der EU“ und dem Geschäft ihrer transnationalen Konzerne, heißt es mit Blick auf die Rohstoffexporte in dem Appell. Zu den geplanten Wasserstofflieferungen in die EU heißt es, für jedes Kilogramm ‚grünen“ Wasserstoffs benötige man in der Produktion „10 Liter Süßwasser“ und „eine große Menge an Energie“; diese solle aus der Umwidmung landwirtschaftlicher Flächen kommen, auf denen Sonnen- und Windenergieanlagen gebaut würden, um die Ausfuhr „erneuerbarer“ Energieträger zu ermöglichen.[11] Damit werde Chile „die Umwelt-, die sozialen sowie die Klimakosten zahlen müssen, die für die europäische Klimawende erforderlich sind“, und zudem im reichen Westen „den Gebrauch von Autos verstetigen – anstatt öffentlichen Verkehrsmitteln den Vorrang zu geben“. Die Unterzeichner des Appells fordern ausdrücklich, das Inkrafttreten des Abkommens zu verhindern. („Ein Ausdruck des Neokolonialismus”, german-foreign-policy.com vom 1. Februar 2023)

Auch in Argentinien gingen Olaf Scholz und Wirtschaftsbosse auf Shopping-Tour. Dort ging es vor allem um den Zugriff auf die Gasvorkommen. Auch dort schaute Scholz und die Kapital-Werte-Runde nicht auf die Geschichte, sondern nutzten sie: Im Zuge der Militärdiktatur in Argentinien in den 1970er Jahren kamen ausländische Konzerne zum Schnäppenpreis an Rohstoffe und rechtlose Arbeitskräfte. Diesen Diktatur-Bonus will man jetzt nutzen, denn seitdem ist die deutsche Wintershall Dea in Argentinien gut „im Markt“ positioniert:

Das Unternehmen hat seine Tätigkeit in dem Land 1978 aufgenommen, also in der Zeit der Militärdiktatur. Heute zählt es zu den fünf größten Erdgasförderern im Land. [5] Unter anderem ist es daran beteiligt, Schiefergas aus der Formation Vaca Muerta zu fracken. (german-foreign-policy.com vom 31.1.2023)

Zuvor versuchte es der SPD-Bundeskanzler, die argentinische Regierung in den Kriegskurs gegen Russland einzubinden. Sie solle doch russische Waffensysteme an die Ukraine liefern. Am 28. Januar 2023 hatte Argentiniens Präsident dem Ansinnen nun eine Absage erteilt.

Man stimme „in der Notwendigkeit überein“, erklärte Fernández nach einem Treffen mit Bundeskanzler Scholz, „so bald wie möglich wieder Frieden herzustellen“. Doch gelte auch: „Argentinien und Lateinamerika denken nicht daran, Waffen zu schicken, weder an die Ukraine noch an einen anderen Konfliktort.“ [13] (s.o.)

Ganz wichtig in diesem Kriegstableau ist auch Indien. Indien ist nicht nur Atommacht, sondern eine aufstrebende Weltmacht, die gute Beziehung zu Russland unterhält. Es hat sich bei der Verurteilung des russischen Einmarsches in der Ukraine enthalten. Die Berichterstattung über den Scholz-Besuch war eher ernüchternd. Man habe natürlich nicht gedacht, dass Scholz in zwei Tagen die indische Regierung „umstimmen“ könnte, um diese in die Kriegskoalition gegen Russland einzubinden, aber irgendwie doch. Wer weiß, was man alles dafür geboten hat, ohne dass es gefruchtet hatte.

Es sieht bei der politischen Unterstützung der US-dominierten Weltordnung jedenfalls nicht gut aus. Kein guter Lauf.

Der Krieg vor dem Krieg

Entgegen aller selbsttäuschenden Wahrnehmungen beginnt ein (imperialer) Krieg nicht mit dem „ersten Schuss“. Der löst sich auch nicht aus Versehen oder weil jemand nervös geworden ist oder den falschen Knopf drückt. Man bereitet ihn lange und sorgsam vor – vor allem wenn es um die VR China geht, die neue Führungsmacht, die man plötzlich als aggressiv wahrnimmt, weil sie nun laut und vernehmbar dieselben Ansprüche verfolgt wie der Westen.

Zu diesen Kriegsvorbereitungen gehören politische und militärische Allianzen. Dazu gehört auch der ideologische Krieg. Man muss China von einem fleißigen, ruhigen und extrem preiswerten Standort für ausländische Investoren in ein Land verwandeln, das diktatorisch, unterdrückerisch und irgendwie eben doch (noch) kommunistisch ist. Dementsprechend dauerhaft werden wir nun von „Dokus“ überschwemmt, die uns allen klarmachen sollen, dass China einfach nur Bähh ist.

Die VR China ist bisher der …größte Standort für Auslandsinvestitionen:

„Deutsche Unternehmen investierten 2022 rund 11,5 Milliarden Euro in China.“ (Deutsche Unternehmen investieren so viel wie nie in China – wo die größten Abhängigkeiten bestehen. handelsblatt.com 30.03.2023)

Das ist ein ziemlich großer Batzen. Wenn man auf einen Krieg zusteuert, dann ist es unklug, in dem Land „investiert“ zu sein, das man ruinieren will. Also gehört zu einer langfristigen Vorbereitung auf diesen Krieg ein kluger Deinvestitionsplan, also auf jeden Fall den Stopp von Neuinvestitionen und den Aufbau von alternativen Produktionsstätten außerhalb der VR China, wenn man auf diese Produkte angewiesen ist.

Genau das hat die EU-Kommission nun auf den Weg gebracht:

„EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dringt auf Beschränkungen bei Investitionen europäischer Unternehmen in China. Können bisher nur Übernahmen deutscher bzw. EU-Firmen durch chinesische Investoren behördlich überprüft und, sofern gewünscht, verboten werden, so soll es in Zukunft möglich sein, Investitionen auch deutscher Konzerne in der Volksrepublik per Amtsentscheid zu untersagen.“ (Mit Investitionsverboten gegen China, german-foreign-policy.com vom 31.3.2023)

Die Front der „Heimatkrieger“

In politischen Systemen, in denen Wahlen noch eine gewisse Rolle spielen, ist man auf die Zustimmung der Bevölkerung angewiesen. Man muss ihr mit allen Mitteln erklären, warum sie sich auch von den „Russen“ bedroht fühlen muss und warum sie jetzt erst recht den Schutz der Regierung bedarf. So irrwitzig die Parole des ‚Verteidigungs‘minister Peter Struck schon 2001 war, Deutschlands Sicherheit werde auch am Hindukusch verteidigt, so erlebt dieser sehr dürftig verkleidete Imperialismus seine Wiederauferstehung in der brandaktuellen Formel: In der Ukraine wird nicht nur deren Freiheit verteidigt, sondern auch die Europas.

Die deutsche EU-Kommissionspräsident*in Ursula von der Leyen will es ganz Europa wissen lassen:

„Die Ukraine ist zum Mittelpunkt unseres Kontinents geworden. Zum Ort, an dem unsere Werte hochgehalten werden, wo unser Freiheit verteidigt wird und wo die Zukunft Europas geschrieben wird.“ (Ursula von der Leyen)

Mehr Helium kann man nicht in zwei Sätze pumpen.

Man setzt dabei ganz fest darauf, dass die Angst, die man erneut entfacht, jeden Funken an Verstand löscht. Denn wenn man dieser Logik auch nur einen Meter folgt, dann wäre sie doch für Russland gültig: Russlands Sicherheit wird auch in der Ukraine verteidigt. Damit es zu keiner Form der Reflexion kommt, muss also getrommelt werden, bis der Kopf brummt.

Dieses mediale Trommelfeuer hat Arno Luik sehr treffend beschrieben:

Ich schlage die Zeitungen auf, lese: „Habeck drängt Scholz in Panzerdebatte“, lese: „Europa braucht mehr Rüstungsfabriken“, lese: „Europa baut vor für den Kriegsfall“, lese: „Man muss auf Kriegswirtschaft umstellen“, lese: „100 Milliarden werden nicht reichen!“, lese: „Man braucht 300 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr“.

Das fordert Eva Högl, Wehrbeauftragte des Bundestags, und der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg verlangt apodiktisch, dass die Waffenproduktion „hochgefahren“ werde. Er erinnert daran, dass die USA mit weniger als 2000 Flugzeugen in den Zweiten Weltkrieg gezogen sind, und bis zum Ende dann 300.000 gebaut haben: So etwas müsse man schaffen, sagt der Sozialdemokrat. Munition muss her, koste es, was es wolle – und zwar: subito! (Krieg ist Frieden, Frieden ist Krieg, Overton vom 3. Februar 2023)

 

Wer zweifelt, wer in Frage stellt, wer widerspricht, ist ein „Putinversteher“, der bald der Wehrkraftzersetzung angeklagt wird. Bis dahin wird er gebrandmarkt, aus dem öffentlich- rechtlichen Diskurs ausgeschlossen und mundtot gemacht.

 

Dass man das mit Pazifistinnen, mit Antimilitaristen macht, ist nicht neu. Aber man sollte hellhörig werden, wenn man deutsche Generäle abschaltet, die nun wirklich keine Antimilitaristen sind und auch nicht geworden sind. Dazu zählen u.a. Ex-General Harald Kujat und der Ex-Brigadegeneral Erich Vad.

Sie haben de facto Publikationsverbot im öffentlich-rechtlichen Staatssektor. Der Ex-Brigadegeneral Vad beschreibt seine eigenen Erfahrungen so:

„Wir erleben weitgehend eine Gleichschaltung der Medien, wie ich sie so in der Bundesrepublik noch nie erlebt habe. Das ist pure Meinungsmache. Und zwar nicht im staatlichen Auftrag, wie es aus totalitären Regimen bekannt ist, sondern aus reiner Selbstermächtigung.“

Und in der Tat ist das ein wichtiges Merkmal: Es ist eine Mischung aus großem Mitmach-Willen und vorauseilendem Gehorsam, der sich im öffentlich-privat-rechtlichen Mediensektor zusammentut. Warum wird ein verdienter Ex-Brigadegeneral, der von 2006 bis 2013 militärpolitische Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel war, nicht in eine der vielen Talkshows eingeladen? Warum interviewt man ihn nicht in der FR, in der FAZ oder taz? Warum geht es schon lange nicht mehr um: Hart aber fair, sondern um ganz hart und feige?

Die beiden Ex-Militärs sind in einer Zeit und in einem Bewusstsein groß geworden, als es vollkommen genug war, eine Landesverteidigung zu haben, sich wieder bewaffnen zu können. Also eine Landesverteidigung und keine Interventionsarmee, die „ihr“ Land in Afghanistan, Jugoslawien und sonst wo „verteidigt“.

Ideologisch führt man heute nicht mehr Krieg als Herrenmenschen gegen „Untermenschen“, sondern weil man den Schwachen zu Hilfe kommen muss

Der gendergerechte Imperialismus

Auch an der „Heimatfront“ schreitet die Aufrüstung und der Modernisierungsschub mächtig voran. Sie müssen der militärischen, binären Logik angepasst werden.

Dabei kann man auf den Corona-Ausnahmezustand zurückgreifen und aufbauen. Man kann davon ausgehen, dass es bis zum Weltenende keine Auswertung der Wirksamkeit der Corona-Maßnahmen geben wird, schon gar nicht mit Blick auf „Impfkampagne“. Aber man wird sich die Mechanismen des Mitmachens, der Methoden der effektiven Denunziation und erfolgreichen Beeinflussungen mit großer Akribie auswerten. Man wird dabei auf ein sehr naheliegendes Ergebnis stoßen: Man muss Repressionen und Sanktionen mit dem Mantra „Solidarität“ verkleben, nicht auf der Straße, sondern in den Köpfen der Menschen.

Um es sehr deutlich zuzuspitzen:

In faschistischen Regimen geht es um das Ausmerzen der Schwachen. Das Erstrebenswerte schart sich um den Starken und begründet sich mit der eigenen Überlegenheit, mit der Gesundheit von Geist und Körper und der Lebensunwertigkeit des Schwachen.

In postfaschistischen Ordnungen geht es propagandistisch um den Schutz der Schwachen, der Volurablen, um Solidarität, für die man alle „roten Linien“ übertritt. Plötzlich macht man alles für die Frauen, für die Kinder, für die Alten, für die Wehr- und Schutzlosen.

Der Vorlauf bei den Corona-Maßnahmen wird dabei genutzt. Alle, die anderer Meinung waren und sind, wurden denunziert, mundtot gemacht und für irre erklärt.

Nun kann man dies in der „Ukraine-Frage“ zuspitzen und eskalieren. Dabei ist eine passgenaue Form von Rassismus willkommen. Mit geradezu geübter Penibilität wird alles, was russisch ist, singt, so aussieht aus der Öffentlichkeit herausgeschossen. Wenn man empfindlich ist, kann man die Diktion „Daran sind die Juden schuld“ spielend in ein neues Jagdfiebermotto übertragen. Jetzt sind „die Russen an allem schuld“.

Wenn also in der Ukraine verehrte (Post-)Faschisten einen heldenhaften Krieg gegen Putin führen, den „Wiedergänger Hitlers“, während dieser Hitler in Moskau die Ukraine „entnazifizieren“ will, dann ist das mehr als ein gewolltes Verwirrspiel.

Aber vielleicht spielt das Sprach-Babylon auch nur nach, was in Wirklichkeit tatsächlich passiert: Die bürgerlichen Demokratien erodieren, zerstören sich selber, bis an einen Punkt, wo sie von einer Diktatur, einem post-faschistischen Regime nicht mehr zu unterscheiden sind. Wenn in Frankreich das Parlament (zur Durchsetzung der „Rentenreform“) außer Kraft gesetzt wird, wenn in Deutschland mit Ausnahmegesetzen massive Einschränkungen von Grundrechten „legalisiert“ werden, wenn in Israel eine „Justizreform“ die „dritte Gewalt“ zum Schoßhund der Regierung machen will, dann sind das große institutionelle Schritte, die einer Diktatur, einem totalitären Regime sehr nahekommen.

Wolf Wetzel

Publiziert im Magazin Overton am 18. April 2023: https://overton-magazin.de/kolumnen/kohlhaas-unchained/ueber-moskau-nach-peking/

Quellen und Hinweise:

Blackrock. 6 Billionen US-Dollar schwer: Das ist der umstrittene Arbeitgeber von Friedrich Merz: https://www.focus.de/finanzen/news/blackrock-6-billionen-us-dollar-schwer-das-ist-der-jetzige-arbeitgeber-von-friedrich-merz_id_9833353.html

Internationale Maifestspiele 2023: Erklärung zur aktuellen Situation vom 31.1.2023: https://www.staatstheater-wiesbaden.de/aktuelles/meldung-680/

Soziologe Streeck im Interview: „Die Amerikaner meinen es bitterernst“, FR vom 24.2.2023

Mich erschüttert diese totale Unterwürfigkeit gegenüber meinem Land, Arno Luik: https://overton-magazin.de/dialog/mich-erschuettert-diese-totale-unterwuerfigkeit-gegenueber-meinem-land/

„Ein Ausdruck des Neokolonialismus”, german-foreign-policy.com vom 1.2.2023: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9149

Die Weltordnung und ihre Profiteure, german-foreign-policy.com vom 31.1.2023: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9147

Krieg ist Frieden, Frieden ist Krieg, Arno Luik, Overton vom 3. Februar 2023: https://overton-magazin.de/kommentar/politik-kommentar/krieg-ist-frieden-frieden-ist-krieg/

Erich Vad: Was sind die Kriegsziele? Emma-Interview vom 12. Januar 2023: https://www.emma.de/artikel/erich-vad-was-sind-die-kriegsziele-340045

Ukrainekonflikt: „Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, die abgebrochenen Verhandlungen wieder aufzunehmen“. Interview mit General a. D. Harald Kujat, Zeitgeschehen im Focus, Schweiz, 2023: https://zeitgeschehen-im-fokus.ch/de/newspaper-ausgabe/nr-1-vom-18-januar-2023.html#article_1460

Ich wünsche mir einen totalen Sieg, von Eva Illouz, SZ vom 18. Februar 2023: https://www.zeit.de/2023/08/ukraine-krieg-ende-russland-niederlage

Das Ungeheuerliche nicht hinnehmen, Ralf Füchs vom 6. Februar 2023: https://libmod.de/demonstrationsaufruf_24-feb/

Gegen die, die schon wieder mit den Schweinsteufeln und Schlangengeistern tanzen! Markus Mohr: https://wolfwetzel.de/index.php/2023/02/19/gegen-die-die-schon-wieder-mit-den-schweinsteufeln-und-schlangengeistern-tanzen-markus-mohr/

US-Militär erwartet Krieg mit China, Neues Deutschland vom 31. Januar 2023: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1170617.geleaktes-dokument-us-militaer-erwartet-krieg-mit-china.html

Serbien weigert sich russisches Vorgehen in Ukraine zu verurteilen, Euraktiv vom 23. Februar 2022: https://www.euractiv.de/section/all/news/serbien-weigert-sich-russische-anerkennung-zu-verurteilen/

Der Zusammenbruch der alten Ordnung, Munich Security Report vom 14. Februar 2023: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9163

Für Taiwan lassen die USA Europa und auch die Ukraine fallen, Muamer Bećirović, Berliner Zeitung vom 27. Februar 2023: https://www.berliner-zeitung.de/open-source/fuer-taiwan-lassen-die-usa-europa-und-auch-die-ukraine-fallen-li.322162

Fiona Edwards speaking on behalf of No Cold War Britain at the NO2NATO NO2WAR Rally in London on 25 February 2023: https://www.youtube.com/watch?v=QSgC74rmfm8

 

 

 

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