Hedonismus und Massenmord. Von Markus Mohr

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Hedonismus und Massenmord

Zu einigen Positionen und der politischen Rolle von Deniz Yücel, dem Ex-Präsidenten des PEN. Von Markus Mohr.

Frage: Als am 11. September 2001 die Twin Towers zusammenbrachen, was habt ihr damals gedacht, welche politische Bedeutung das haben würde?

Deniz Yücel: „Ich hatte fünf Tage am Stück >Civilization< gespielt und die Chinesen hatten mich gerade mit Atomwaffen angegriffen. Als es passierte, rief mich meine Mitbewohnerin zum Fernseher, ich sah mir die Bilder aus New York an und dachte: Ach, was sind schon zwei Hochhäuser, wenn meine Städte gerade mit Atomwaffen angegriffen werden? Ich ging also zurück zum Spiel, machte die Chinesen mit Atomwaffen fertig und kam dann zwei Stunden später ins Wohnzimmer, wo der Fernseher noch lief.“ (Deniz Yücel, am 8. September 2011)

 

Der Journalist Deniz Yücel hat es weit gebracht: Im Oktober 2021 wurde er zum Präsidenten der Schrifstellervereinigung PEN gewählt. Ab Mitte März 2022 plädierte er energisch für einen Kriegseinsatz der NATO gegen Russland. Das löste sowohl innerhalb wie außerhalb des PEN einiges an Unmut und Kritik aus, die in Rücktrittsforderungen gipfelten. Mitte Mai trat er von diesem Posten zurück. Der nachfolgende Beitrag zeichnet die Entwicklung der Bellizismus-Position von Yücel wesentlich im Zusammenhang mit seinem Engagement in dem Zeitungsprojekt Jungle World nach, für das er in den Jahren zwischen 1999 – 2007 tätig war. Hier soll gezeigt werden, mit welchen argumentativen Rochaden sich eine zunächst in einem randständig erscheinenden Medium entfaltete Pro-Kriegs-Haltung, personifiziert in der Figur Yücel, im politischen Establishment der Bundesrepublik mit einer ganz anderen publizistischen Reichweite verankern konnte. Ach so: Die von Yücel ventilierten Bellizismus-Positionen sollen natürlich – nobel formuliert – dekonstruiert, dh. umgangsprachlich ausgedrückt: In die Tonne getreten werden.

Panoramablick: Das Zeitungsprojekt Jungle World aus Anlass des 20-jährigen Bestehens

Anfang Juni 2017 erschien in der Tageszeitung Neues Deutschland ein im Ton durchaus freundlich gehaltenes Porträt des Zeitungsprojektes Jungle World. Auf dem Redaktionstisch soll „lange Zeit (…) eine kleine Freiheitsstatue“ gestanden haben, vermerkt der Redakteur, und deutet eben das als ein „Zeichen der transatlantischen Verbundenheit“. Er gibt aber auch zu bedenken, dass es sich hier um ein ein Stilmittel der Ironie handeln könne, mit der man „so auch die Vorwürfe der politischen Gegner“ habe aufgreifen wollen. Zeit ihres Bestehens sei es dem Zeitungsprojekt ein Anliegen gewesen, „gegen Verkürzungen, Verdrängung und faule Bündnisse“ anzuschreiben. Kurz: „Die Jungle World kritisiert aus der historischen Erfahrung dezidiert Antisemitismus, Antizionismus und Antiamerikanismus.“

Weiter wird ausgeführt, dass das Konzept der Zeitung vor allem von „ideologiekritischen Studenten aus Berlin, Hamburg und Leipzig“ geschätzt werde. Ihnen gefalle „modernes Design, Popkultur, Comics, Antifaschismus“ sehr und es sei die Jungle World selbst, die „mit Veranstaltungen im Berliner Club >about blank< und der Hauskneipe >Laidak< zudem glaubhaft eine hedonistische Lebenshaltung (vertrete), die sich von einer DDR-Schrebergartenkultur und vom Yuppie-Fairtrade-Shopping unterscheidet.“ Dem Reporter fällt beim Durchgang in den Redaktionsräumen noch auf, dass über der Couch in der Redaktion an der Wand „alte Plakate von Diskussionsveranstaltungen, >Kriegsrat< und >Kriegsrat II<“ hängen. Und dann vermerkt er noch als einen „Höhepunkt“ aus der Historie dieser Gazette den Bellizismus-Vorwurf, demzufolge das Wochenblatt Kriegseinsätze im Ausland, speziell in Irak und Afghanistan unterstützt habe. „Fanta statt Fatwa“ habe hier „eine vielzitierte Überschrift“ gelautet. (1) Das war vom Redakteur des Neuen Deutschland richtig erinnert! Zehn Tage nach der Eröffnung der Kampfhandlungen der Streitkräfte der USA gegen Afghanistan am 7. Oktober 2001 hatte ein Redakteur aus der taz unter dem Pseudonym „Andrea Albertini“ dem Angriffskrieg mit der in der Überschrift für wohl manchen der LeserInnen der Jungle World programmatischen Formel „Fanta statt Fatwa!“ seinen Segen erteilt. O-Ton „Albertini“:

„Die USA haben schnell ihre Verbündeten an ihre Seite gebracht, um auf den 11. September zu reagieren. Dabei haben sie nicht, wie von vielen halluziniert, wild aus der Hüfte um sich geballert. Ob das Vorgehen der USA gegen den islamistischen Terrorismus erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten. Fakt aber ist: Die USA, die von Linken oft und zu Recht wegen ihrer Interessenpolitik angegriffen wurden, sind die einzige Macht dieser Welt, die zu einem Gegenangriff im Moment in der Lage ist. Für Linke bleibt, am Traum von individueller Freiheit und einem schönen Leben für alle festzuhalten: Sherry statt Sharia!“ (2)

Diese Zeilen sollen richtig in ihrem Sinn verstanden werden: Hier übernahm ein Beiträger der Jungle World auch aus einem verdreht antifaschistisch pro-westlichen Reflex kalt die Optik der stärkeren kriegsführenden Partei. Die explizite publizistische Positionierung an der Seite der USA-Regierung reichte der Redaktion dieser Gazette völlig für ihre gedankliche Selbstverortung. (3) Und so forderte sie schon damals zum Beifall für den anstehenden zivilisatorischen Bombenregen auf afghanische Wohn- und Krankenhäuser auf. Und dazu, jetzt nicht anzufangen zu halluzinieren, sondern durch Abwarten und durch das Saufen wahlweise von Zuckerwasser oder Alkohol „am Traum von individueller Freiheit und einem schönen Leben für alle“ festzuhalten.

In direkter Erwiderung auf die als „Aushilfs-Jeanne d’Arc der NATO“ bezeichnete „Albertini“ machte der Marxist Robert Kurz in einer analytisch inspirierten Wutrede darauf aufmerksam, wie sich nun „unter dem Eindruck des Schreckens (der islamistischen Terroranschläge vom 11.9.2001) die bürgerliche Subjekt-Ontologie der antideutschen Linken“ enthülle:

„Mit der hier zum Ausdruck kommenden materiellen, seelischen und intellektuellen Frugalität (Spaßgesellschaft, Girlie-Klamotten, Fanta) kann es allerdings kaum ein archaischer Beduinenstamm in der Wüste aufnehmen. Je militanter die jüngsten ideologischen WerbetexterInnen des Zivilisationskampfes die kapitalistische Ontologie verteidigen, desto unwiderstehlicher verweisen die von ihnen gewählten Bilder und Symbole auf das Mitleid erregende Endstadium einer zugerichteten Subjektivität, die den längst armselig gewordenen Warenkonsum ideologisiert. Fanta auf Lebenszeit sei ihnen gegönnt.“ (4)

Zwei Jahre später kam Kurz in einer längeren Abhandlung noch einmal darauf zurück. In Anmerkungen zu dem „Warenkonsum als richtiges Leben im falschen“ verweist er noch einmal auf die von ihm als „genial dummdeutsch“ bezeichnete Parole „>Fanta statt Fatwa< (, in die) ohne weiteres auch die protofordistischen Imaginationen von >Kraft durch Freude< unterzubringen wären.“ Hier werde „zur höheren Ehre westlicher Freiheit und im Ton des antivölkischen Kampfes (…) auch der Konsumidiot als dessen alter ego abgefeiert.“ (5)

Es war dieses Zeitungsprojekt, in dem Deniz Yücel ab 1999 anfing zu schreiben. Die nach den islamistischen Terroranschlägen auf wichtige Symbole der USA vom 11. September 2001 in der Redaktion der Jungle World ausbrechende Kriegsbefürwortung hat er nicht nur hautnah mitbekommen, sondern auch selbst – nun ja, wie soll man es formulieren? – gestaltet. Glaubt man seinen eigenen Angaben, will der damals 28 Jahre alte Student der Politikwissenschaften seine Zeit an diesem Tag wesentlich damit verbracht haben, „die Chinesen mit Atomwaffen fertig“ zu machen – damals aber nur mit dem Computerspiel Civilization, wie er zehn Jahre später im September 2011 in einem von dem Gründungsmitglied der Jungle World Ivo Bozic moderierten Talk in der Zeitung zum Besten gab. Gut möglich, dass er mit dieser Auskunft die Intention verband, seine als prinzipiell verkörperte „hedonistische Lebenshaltung“ nachzuweisen. (6) Anhaltender Massenmord in Afghanistan hin, unterhaltsame Weltkriegsspiele am Computer her: An den von der Redaktion der Jungle World nach dem 11. September 2001 eingeschlagenen Pro-Kriegs-Kurs beteiligte sich auch Deniz Yücel mit seinem intellektuellen Vermögen. Ende Oktober 2002 ließ er es sich nicht nehmen, die Ablehnung des anstehenden Angriffskrieges der USA gegen den Irak als einen „permanenten Kirchentag, als der sich die Friedensbewegung hier zu gerieren pflegt“, zu verhöhnen. Kurzerhand verpasste er ihr das Querfrontmodul: „Heute sind Grüne und DKP, Poplinke und Antiimps, Möllemann und Mahler, (…) friedlich vereint“. Um was? Richtig geraten: „Die Friedensbewegung hat ihren Frieden mit Deutschland gemacht.“ Und daraus folgte, so Yücel weiter, dass mal wieder „die kalte Gleichgültigkeit gegenüber Israel zurück(kehrt)“. Unter Berufung auch auf den von Wolfgang Pohrt immer mal wieder eröffneten Assoziationsraum von „Auschwitz“ kennzeichnete er die Kriegsablehnung als „ein Ressentiment von Leuten, die es dem Weltpolizisten USA verübeln, dass er ihren Eltern per Krieg das friedliche Morden in Auschwitz ausgetrieben hat.“ Kurz: Im Ton eines Staatsanwaltes kennzeichnete Yücel die Aussage, dass Krieg niemals eine Lösung sein kann, als eine „in Deutschland kriminelle Aussage, die trotz ihrer regressiv-religiösen Verkleidung keine mildernden Umstände reklamieren kann.“ Und in der Warnung vor einem bevorstehenden „weltweiten Flächenbrand“ konnte der coole Atomwaffenkiller am Computerbildschirm natürlich nichts anderes als „morbide Untergangsfantasien“ erkennen. (7)

Es waren auch solche Beiträge wie die von Yücel in der Jungle World, die ihre Folgen zeitigten. Im Februar 2003 beklagten 25 AutorInnen der Zeitung, die sich in unterschiedlicher Art und Weise der radikalen Linken zurechneten, „die Beitrittserklärung einiger Linker“ in die abendländische Weltordnung. In der Zeitung werde „der Antisemitismusvorwurf zunehmend undifferenziert eingesetzt, (um auch so) antimilitaristische Positionen bezüglich eines Irakkrieges“ zu marginalisieren. Mehr noch: „Es besteht die Tendenz, Antisemiten und Antimilitaristen, die in mehreren Artikeln als >Friedensfreund<, >Nazis und andere Kriegsgegner< beschimpft werden, in einen Topf zu werfen, um im Gegenzug die Unterstützung Israels mit der Befürwortung des Krieges gleichzusetzen und alle widersprechenden Positionen des Antisemitismus zu verdächtigen.“ Der Kurzschluss, der der Logik „Saddam, der neue Hitler“ folge, rechtfertige „dagegen Unterdrückung und Krieg.“

Damit werde immer wieder „eine Weltlage beschworen, die man so nahe an die Konstellationen der 40er Jahre heranschreibt, bis die US-Alliierten als Befreier und (antideutsche/linke) KriegsbefürworterInnen als antifaschistische WiderstandskämpferInnen reinkarniert werden.“ (8)

Was für eine treffende Zeitdiagnose aus dem Jahre 2003! (9)

In Teilen kann sie auch heute noch für das Motivbündel herangezogen werden, aus der aktuell heraus der politische Widerspruch zu einer Eskalation des Ukraine-Krieges diffamiert wird.

 

„Eine wegweisende Personalie“ – Deniz Yücel klettert die Karriereleiter hoch

Unterdessen schrieb sich die Berufsbiographie Yücels fort: 2007 wechselte er zur taz und ließ sich dann im April 2015 von dem Springer-Konzern kaufen, um dort als Türkei-Korrespondent für die WELT angestellt zu werden. (10) Yücel beschrieb das einmal als einen „Deal“ mit Springer, „dass ich genau da weitermache, wo ich bei der taz aufgehört habe.“ (11) Er hätte hier ruhig auch noch die Jungle World mit erwähnen können, für die er wenigstens bis Mitte des Jahres 2017 im Impressum, neben einigen anderen, als Herausgeber firmierte.

In der Türkei wurde Yücel wegen seiner Arbeit mehrmals festgenommen, wegen angeblicher „Terrorpropaganda“ von 2017 bis 2018 saß er in einem türkischen Untersuchungsgefängnis, teilweise in Einzelhaft. Das löste eine öffentlichkeitswirksame Solidaritätsbewegung aus, in der sich ein Bündnis zwischen der Gazette Jungle World und dem Springer-Konzern realisierte. (12)

 

Das wurde von den Jungle World-ProtagonistInnen auch im Zusammenhang mit der Personalie Yücel explizit reflektiert, wobei – man ahnt es bereits – auch die alte Fanta-statt-Fatwa-Kriegsfanfare wieder recycelt wurde. So erklärte das ehemalige Redaktionsmitglied Ferdinand Muggenthaler in einem Gespräch zu einer Bilanz der Zeitung nach 20 Jahren: „Ich denke, es ist ja kein Wunder und es liegt auch nicht nur an den jeweils persönlichen Beziehungen zu Deniz Yücel, dass die Jungle World sich nun mit der WELT zusammen für ihn einsetzt. Da hat es schon auch eine Verschiebung in den politischen Auseinandersetzungen gegeben im Laufe der Jahre.“ So ist der Selbstanpassungsprozess der Jungle World an das, was der Springer-Konzern ohnehin schon immer blökt, schreibt und verbreitet, nobel beschrieben. Daraufhin fiel Ivo Bozic, der zusammen mit Jürgen Elsässer als ein wichtiger Urheber dieses Zeitungsprojektes gelten kann, – wie es der Zufall will die alte Fanta-statt-Fatwa-Parole in numehr modifizierter Weise ein:

„Die sind uns vom Ziel her (…) einfach näher als große Teile der Oldschool-Linken. Was will man mit Leuten diskutieren, die >Fatwa statt Fanta< als linke Position verstehen?“ (13)

Nachdem sich glücklicherweise auch die Bundesregierung der Kritik an der schweinischen Inhaftierung von Deniz Yücel durch den türkischen Präsidenten Recep Erdogan angeschlossen hatte, wurde dieser 2018 nach einem Jahr Knast freigelassen. Er durfte in die Bundesrepublik zurückkehren und wurde im Juli 2020 von einem Gericht in Istanbul in Abwesenheit zu einer Haftstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt. (14) Durch seinen Knastaufenthalt gewann Yücel für eine historische Sekunde die Statur eines couragierten wie auch politisch verfolgten Vertreters der Pressefreiheit. Das so erworbene Renommee sorgte wohl mit dafür, ihn Ende Oktober 2021 in der Frankfurter Paulskirche zum Präsidenten des ein wenig aus der öffentlichen Wahrnehmung heraus diffundierten deutschen PEN -Zentrums zu wählen. In seiner Bewerbungsrede bekannte er sich einerseits dazu, „nicht zimperlich“ zu sein, um die intellektuelle, politische und kulturelle Auseinandersetzung „mit den Feinden der offenen Gesellschaft zu führen.“ Auf der anderen Seite erklärte er aber, „auch für die Freiheit des dummen Wortes, auch für die Freiheit der bescheuerten Kunst“ einstehen zu wollen. Und der im Sold des mächtigen Springer-Konzerns stehende neue PEN-Präsident ließ es sich nehmen, noch auszurufen: „Gegen die Mächtigen, gegen die Bösen – und wenn es sein muss, auch gegen die Guten.“ (15) Wohl auch das gefiel einem von Yücel in seiner letzten in der taz Ende März 2015 veröffentlichten Kolumne als „Freund“ bezeichneten Kollegen, wofür er sich revanchierte. So nahm er dessen Wahl zum PEN-Präsidenten zum Anlass, diesem zwar nicht eine besenreine, dafür aber „eine astreine linke Biografie“ zu bescheinigen – und das nach sechs Jahren Katzbuckelei für den Springer-Konzern! Mehr noch: Er gab sich davon überzeugt, dass Yücels Vita sogar niemals „Teil einer ideologischen Erzählung“ geworden sein soll – das klingt erstmal interessant, ändert aber auch nichts daran, dass es dunkel geraunt ist, so dass man wirklich nicht weiß, was darunter zu verstehen ist. Der taz-Laudator war aber dann um ein paar launige Worte nicht verlegen: Ja die Figur Yücel zeige doch, dass es doch in der Republik „lebenshungrigen und, ja, meist freundlichen Jungs aus den proletarischen Vorstädten“ so gehen könne: „Ganz weit oben angekommen.“ Stimmt, und so geht das wohl in Krisenzeiten: Manche werden von oben nach unten und andere zuweilen auch bar größerer Qualifikationen von unten nach oben gespült. (16) Renan Demirkan, ebenfalls Mitglied im PEN, sah das schon damals ein bisschen kritischer. Und so beklagte sie in einem Brief an den Vereinsvorstand, dass man bei der Wahl von Yücel der Inszenierung eines Karrieristen beigewohnt habe: „seine Vorstellung war unüberhörbar und unmissverständlich ein eitles Bildnis eines ›fifty shades of yücel‹ – der nicht als ›Ex-Gefangener verstanden‹ werden wollte und dennoch nur davon und über sich geredet hat!“ (17)

Jedenfalls verschaffte die Position als Präsident der Schriftstellervereinigung PEN Yücel nicht nur einen prominenten Platz im intellektuellen Establishment der BRD, sondern auch einiges mehr an publizistischer Aufmerksamkeit. Ein Duz-Kumpel aus seiner Gazette WELT schrieb hier nicht nur, dass „man Deniz seit jeher dem Kosmos der politisch wachen Feuilletonistik und Essayistik zurechnen darf.“ Ein wenig prophetisch formulierte er hier, dass es sich nunmehr bei Yücel für das deutsche PEN-Zentrum um „eine wegweisende Personalie“ handele. (18) Wohl wahr! Da hatte der Springer-Konzern für seine Interessen ein adäquates Rennpferd auf die Piste gesetzt.

 

„Mal sehen …“ – Die Vorgeschichte des Auftritts von Yücel auf der lit.COLOGNE

Unterdessen arbeitete er weiter als Reporter für das publizistische Flaggschiff des Springer-Konzern, die WELT. Und dort erhielt zwei Wochen nach Beginn des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine deren Berliner Botschafter Andrij Melnyk das Wort in einem von Yücel zusammen mit einem Kollegen geführten Interview. Kritische Fragen sucht man hier vergeblich. Dabei nahm der Botschafter zu den von Yücel gelieferten Stichworten kein Blatt vor dem Mund. Auf die Frage nach der Einrichtung einer Flugverbotszone erklärte Melnyk: „Und zwar möglichst schnell! Nato, UN, OSZE – alle haben versagt. (….) Es muss etwas geschehen. (…) Das ist ein Vernichtungskrieg gegen die Ukraine. (…) Darum denke ich, dass es sich lohnt, ein Risiko einzugehen.“

Frage: Das Risiko eines Atomkriegs? Melnyk: „Putin ist ein Kriegsverbrecher und wahrscheinlich ein verrückter Staatsmann, aber kein Selbstmörder. Daher glaube ich nicht, dass ein Atomkrieg möglich wäre.“ (….) Frage: Was also tun? Melnyk: „Lassen Sie die Nato eine Flugverbotszone ausrufen. Mal sehen, ob Putin es wagt, seine Flugzeuge starten zu lassen.“ (19)

Diese Kriegsformeln können in die Aussage verdichtet werden, dass sich die Gesprächspartner Yücel und Melnyk mit der luftigen Phrase „Mal sehen“ zu einer Risikowette auf den Atomkrieg verabreden. Mit der für den ukrainischen Botschafter frei von jeder Kritik zusammen genagelten Plattform für dessen bekannt aggressive Auffassungen kam Yücel sicher getreulich einem von seinem Konzern-Chef Mathias Döpfner unmissverständlich formulierten Redaktionsauftrag nach. Döpfner hatte sich schon sehr früh für einen eskalierten Kriegskurs des Westens plädiert. Das hatte er in der BILD-Zeitung mit der Ansage: „Frankreich, England, Deutschland und Amerika müssen als Allianz der Freiheit Putins mörderisches Treiben mit ihren Truppen und Waffen in Kiew und mit dem modernsten Cyber-War in Moskau beenden“ klar gemacht. Mit diesen Worten orientierte Döpfner deutlich auf einen Angriffskrieg gegen Russland und damit in der Konsequenz auf einen Dritten Weltkrieg. (20)

Soweit zur politischen Vorgeschichte für einen dann folgenden prominenten Auftritt von Yücel in der Öffentlichkeit. Nicht ganz unwichtig dafür aber auch noch eine bestimmte Akzentsetzung durch Yücel in seinem Twitter-Account, mit dem er Reklame für sein Plattforminterview mit Melnyk machte. Der diesbezügliche Thread wurde von Yücel mit dem dröhnenden Melnyk-Bekenntnis: „Wenn es um Leben oder Tod, ums Überleben meiner Nation geht, dann ist es mir scheißegal, welche Wortwahl ich verwende“ aufgemacht. (21) Es sollte sich dann zeigen, wie sehr sich der Präsident der deutschen Schriftsteller auch davon beeindrucken ließ.

 

„Wäre ‘ne gute Idee, oder?“ – Bramarbasieren als lustiger Werbetexter des Atomkrieges

Mitte März wurde Deniz Yücel – nicht als Subalterner des Springer-Konzerns sondern – als Präsident des deutschen PEN-Zentrums zu einem Podiumsgespräch zusammen unter anderem mit Navid Kermani und Sasha Filipenko zu dem Thema „Nein zum Krieg!“ auf dem internationalen Literaturfestival lit.COLOGNE Mitte März 2022 in Köln eingeladen.

Nach knappen Vorbemerkungen – er verorte sich doch politisch „von der Mitte her links“, und dem Ausrufen des wohlfeilen Slogans: „Mit der Waffe des Worts allein wird die Ukraine nicht zu verteidigen sein!“ – kam er in Bezug auf die Frage: „Sollte der Luftraum über der Ukraine geschlossen werden?“ in der ihm eigenen, auch hedonistisch inspirierten Art und Weise zur Sache. Lassen wir hier den Civilization-Player des Jahres 2001 ausführlich im O-Ton zu Wort kommen:

„Wäre ‘ne gute Idee, oder? (…) Ich wundere mich ein wenig über Leute, vor allem über die, die bis zum 24. Februar ganz sicher waren, das Putin keinen Krieg will. Ja das er da nur blufft. Und jetzt genau wissen wie Putin reagieren würde, wenn die NATO andere Saiten aufziehen würde. Ich weiß es nicht wie er darauf reagieren würde. Aber, das ist so, ich hab mal Politikwissenschaft studiert, aber was noch wichtiger ist, das darf man gar nicht so sagen, aber ich war da echt noch klein. So in der Grundschule, hab` ich mich öfter auf dem Pausenhof geprügelt, das ist gar nicht so, dass was man da lernt, lernt man dann auch in der Theorie der internationalen Beziehungen, das ist so. Wenn ich Sasha einen in die Fresse haue, weil ich einfach mich stärker fühle und ich glaube ich kann`s weil ich stärker bin, dann kann ich`s machen. Ich bedränge ihn, ich schlage ihn. Und dann kommt Navid – er ist zwei Köpfe größer als ich – und sagt: Lass meinen Kumpel in Ruhe, ja? Sonst kriegst du `s mit mir zu tun! Dann kann ich überlegen. Er muss natürlich das Risiko eingehen, dass ich ‘n bisschen irre bin und ihm ein Klappmesser irgendwo reinstecke. Aber ich muss überlegen: Der ist zwei Köpfe größer als ich und doppelt so breit – geh ich mit ihm das wirklich ein? Ich weiß nicht, wie Putin darauf reagieren würde. (…) In Kommentaren würde ich so was nicht schreiben, aber wir sind ja hier unter uns, da kann ich mal ein bisschen Politikberatung machen. Herrgott …(…) man darf ja dann nicht sagen, dass das ein Testballon ist, aber allein eine ernstzunehmende Drohkulisse aus der NATO, denke ich, hätte auf Putin Konsequenzen. Das einfach so von sich, sofort das auszuschließen. Zu sagen: Nee, das machen wir nicht, weil, oh Gott da kommt der Atom-hmmmh-Krieg! Ich weiß es nicht.“ (22)

Was für eine wenig zimperliche Dampfplauderei eines Präsidenten einer Schriftstellervereinigung namens PEN auf einem repräsentativ besetzten Podium in Bezug auf den Atomkrieg. Yücel war es erkennbar „scheißegal, welche Wortwahl“ er auf der lit.COLOGBNE an den Start brachte – und das vermutlich ganz im Geist seines Gesprächspartners Andrij Melnyk gerade einmal ein paar Tage zuvor. So spricht ein lustiger Werbetexter des Atomkrieges zu der Öffentlichkeit! Und das gerade nicht als Präsident des PEN, sondern als Stimme seines Herren Döpfner. Folgt man hier Yücels eigenen Worten, dann soll die NATO gegen Russland allen Ernstes eine „ernstzunehmende Drohkulisse“ aufbauen. Da möchte man von ihm doch gerne wissen, warum die russische Armeeführung „Drohkulissen“ in irgend einer Art und Weise Ernst nehmen soll. Mit der zweimal explizit ausgestoßenen Aussage: „Ich weiß es nicht“ spekuliert Yücel – wie schon zuvor gemeinsam mit dem ukrainischen Botschafter Melnyk – auf das Auslösen eines Weltkrieges und assoziiert dazu mit dem „Risiko (…), dass ich ‘n bisschen irre bin“ die verniedlichende Metapher von einer schlichten Pausenhofprügelei. Rund 11 Jahre nachdem Yücel mit einem Computerspiel „die Chinesen mit Atomwaffen fertig“ gemacht hat, steht ihm nun in hervorgehobener Position der Sinn danach, jetzt mal die Russen „mit Atomwaffen fertig“ zu machen.

Wohl auch das wurde von einer Reporterin der Frankfurter Allgemeinen als „abenteuerliche militärstrategische Ausführungen“ interpretiert. (23) Deren Inhalt und Sound war von Yücel über Jahre hinweg in seiner vermutlich durch Limonade ertränkten Freizeit sowohl mit Weltkriegsspielen am Computer wie auch an dem Redaktionstisch der Jungle World systematisch eingeübt worden.

Die Süddeutsche Zeitung resümierte zum Ablauf der Podiumsdiskussion, dass sich „an diesem Abend“ mit der „Forderung nach einer von der Nato durchgesetzten Flugverbotszone über der Ukraine“ ein Thema überraschend in den Vordergrund geschoben habe, bei dem sich die Teilnehmer, mit Ausnahme Kermanis, ebenso überraschend einig zu sein scheinen. Das brachte der Reporter auf den Begriff eines „Lehnstuhlheldentum“ das „sich in emotionalen und undurchdachten Forderungen nach einem Eintritt der Nato in den Krieg Bahn bricht“ und das eigentümlich „seltsam quer zur eigentlichen Intention des Abends“ gestanden habe. (24) Die Kölnische Rundschau resümierte den Auftritt von Yücel wie folgt: „Ohne NATO-Bedrohung und Flugverbotszone werde Putin die ukrainischen Städte in Schutt und Asche bomben; die Befürchtung, der russische Diktator könne Europa angreifen und so ein Weltkrieg ausgelöst werden, gelte es quasi zu riskieren: Bei einer Schulhofprügelei knicke der Aggressor schließlich auch oft ein, sobald ein noch stärkerer Kerl auftauche, verstieg sich Yücel zu einem Vergleich auf ebensolchem Niveau.“ (25)

Wohl wahr. Die Schriftstellervereinigung PEN hat sich in ihrer Charta eigentlich dazu verpflichtet hat, jedwede Form von Hass zu bekämpfen und für das Ideal einer in Frieden lebenden Menschheit zu arbeiten. Und dann gibt sich ihr Präsident in seiner eigenen Sprache in aller Öffentlichkeit als eine fröhlich-gemeine Kampfratte vom Pausenhof zu erkennen. In aller Offenheit wie Unbedarftheit bekennt sich der PEN-Präsident dazu, sich „öfter auf dem Pausenhof geprügelt“ zu haben, um dann laut davon zu träumen dem „Sasha einen in die Fresse“ zu hauen. Und sollte ihm dann der Navid sagen: „Lass meinen Kumpel in Ruhe, ja?“ erklärt Yücel diesem persönlich, dass er dann „natürlich das Risiko eingehen (muß), dass ich ‘n bisschen irre bin und ihm ein Klappmesser irgendwo reinstecke.“

So oder so: Auch Yücel muss beizeiten gesagt werden, dass eine in Reaktion auf einen Angriff der NATO durch die russischen Streitkräfte aus Kaliningrad abgefeuerte Iskander-M-Rakete, beispielsweise auf den Berliner Bezirk Mitte, von ihren Wirkungen her sich auch auch nicht im entferntesten mit einem „irgendwo `reingesteckten Klappmesser“ wird assoziieren lassen.

Gegen Yücels Interpretationen können sich Borchert und Celan nicht mehr zur Wehr setzen

Die im intellektuellen Horizont einer Prügelei auf dem Pausenhof eigentümlich infantil-konfus zusammen bramarbasierte Rede von Yücel auf der lit-COLOGNE löste die Forderung nach seinen Rücktritt durch fünf ehemalige Präsidenten des PEN aus:

„Mit diesen >öffentlichen militärstrategischen Äußerungen< habe Yücel die Befugnisse seines Amtes überschritten und außerdem gegen die Charta des Internationalen PEN verstoßen, die sich dem Ideal einer in Frieden lebenden Menschheit verpflichtet fühlt, heißt es in dem Schreiben.“ (26)

Das löste zunächst einen offenen Verteidigungsbrief Yücels durch den ehemaligen Generalsekretär des deutschen PEN Herbert Wiesner aus. „Friedrich Schiller nannte das Gedankenfreiheit“ überschrieb er allen Ernstes seinen Beitrag und wies darauf hin, dass doch Yücel in Köln „nichts anderes gefordert“ haben soll, als ein paar Mitdiskutanten. Hier schien es Wiesner auch noch angezeigt zu sein, auf den „wohl profiliertesten deutschen Osteuropahistoriker Karl Schlögel“ hinzuweisen, „dem die Stimme bricht, wenn er über die Opfer dieses von Putin befohlenen Krieges spricht“ und der sich ebenfalls für eine Flugverbotszone stark macht. (27) Mit Verlaub: Die Stimme war Yücel war während seines denkwürdigen Auftritts von Köln nun an keiner Stelle gebrochen. Und insoweit er von seiner – nennen wir sie mal so – „Gedankenfreiheit“ Gebrauch gemacht hat, so war diese nun wirklich nicht im Geist von Friedrich Schiller, sondern explizit im Sound eines Frontschweines vom Pausenhof erfolgt.

Durch die Rücktrittforderung der ehemaligen PEN-Präsidenten geriet Yücel unter Druck. Nur wenige Tage nach seinem eigentümlichen Auftritt von Köln bot ihm SPIEGEL-Online eine Bühne für seine kriegsaffinen Auffassungen. Hier verzichtete Yücel auf jeden Hinweis auf Raufereien inklusive Klappmessereinsatz auf dem Pausenhof. Hier rüstete er rhetorisch leicht ab, ohne dabei seinen in Köln offen ausgesprochenen Kriegskurs zu revozieren. In Bezug auf den von ihm als „heldenhaft“ bezeichneten Kampf der Ukrainer verwies er mit einem sicher durch seinen jahrelang in der Redaktion der Jungle World eingeübten, despektierlichen Sound, in Sachen Solidarität mit der Ukraine bereits in der Überschrift auf eine mutmaßlich „schöne deutsche blau-gelbe Heimeligkeit“, um im Fortgang seines Beitrages eine „Solidarität mit Auslassungen“ zu beklagen. Immerhin räumt Yücel hier ein, dass es sich wohl nicht ganz „von der Hand weisen lässt (…), dass eine Flugverbotszone unkalkulierbare Risiken in sich bergen würde – im Extremfall bis zum Atomkrieg“; und „dieses Risiko“ wolle er – warum eigentlich? – bestimmt nicht „bestreiten“, so halte er es eben doch „für einen schweren Fehler, dass die Nato diese Maßnahme kategorisch ausgeschlossen“ habe. Und so sprach er sich erneut für den Aufbau einer – so sein bereits in Köln ventilierter Begriff – „ernsthaften Drohkulisse“ aus, um was? Richtig geraten: um „Wirkung auf die russische Seite“ auszuüben. Wer ihm aber nun dafür „Kriegstreiberei“ vorwerfe, so zeigte sich Yücel im Modus eines Spindoctors gewiss, unterliege aber ganz sicher „einer grotesken Überschätzung, was Zeitungsartikel bewirken können.“ (28) Das ist natürlich eine unterschwellig manipulierte Darstellung, in der dieses komische Argument schon beim ersten Nachdenken in sich zusammenfällt: Yücel macht doch hinreichend klar, dass gegen alle Facetten einer „schönen deutsch blau-gelben Heimeligkeit“ eine stahlblaue NATO-Zuschlagsbrutalität selbstredend „zur Verteidigung von Freiheit, Menschenrechten“ durch „die westliche Welt“ vorzuziehen ist.

Für die Mitte Mai anberaumte Mitgliederinnenversammlung des PEN stand Yücel vor der Aufgabe eine andere Rede vorzubereiten. Hier probierte er es einmal nicht mit militärstrategischen Überlegungen, sondern bemühte sich darum, nun ein bisschen in der deutschen Geisteswelt des 20. Jahrhunderts zu scrollen. Annonciert wird dabei seine Rede mit der intellektuellen Tiefgang ankündigenden Aussage, dass Yücel hier „über die Zerrissenheit zwischen >Nie wieder Krieg< und >Nie wieder Faschismus<“ nachdenke. In dieser vom Umfang her überschaubaren Abhandlung schafft es der Verfasser eine Vielzahl von SchriftstellerInnen und Persönlichkeiten zu erwähnen: Vierundzwanzig allein sind es an der Zahl. Dabei bedient sich Yücel der Technik des Namedroppings, zu dem der Duden vermerkt, dass es sich hier um ein „geschicktes Einflechten von Namen berühmter oder hochgestellter Persönlichkeiten“ auch mit der Absicht handelt „Eindruck zu machen.“ (29) Die Yücelsche Aneinanderreihung von mehr oder minder Prominenten reicht dabei von Wolfgang Borchert, Paul Celan bis hin zu – man reibt sich zunächst ein wenig die Augen – Wolfgang Pohrt. Das beschreibt eine lange Wegstrecke, mit der großen Gefahr im Ergebnis der Abhandlung Verwirrung zu stiften.

Yücel bemüht sich dabei um eine Auseinandersetzung mit den als Reaktion auf die Apokalypse des Zweiten Weltkriegs entstandenen Gedichten von Wolfgang Borchert „Da gibt es nur eins“ (1947) und von Paul Celan „Todesfuge“ (1952). Hier musste Yücel von vornherein klar sein, dass die in den von ihm herangezogenen Gedichte zum Tragen kommende Wortwahl beiden Dichtern definitiv nicht „scheißegal“ war. Aber ein Durchgang durch seine Rede, zeigt das er sich dafür auch nicht interessiert. Ihm geht es um eine schlichte politische Instrumentalisierung der beiden Texte. Die Gegenüberstellung der Gedichte von Borchert und von Celan dienen Yücel dazu, den engen Zusammenhang zwischen Krieg und Faschismus mit dem Ziel auseinanderzureißen, aktuell in den Krieg gegen Russland einzutreten. Am Beginn der Rede war noch von der Reaktion der WELT angekündigt worden, dass sie die Note einer „inneren Zerrissenheit“ ihres Redakteurs trage. Liest man den Redetext enthüllt sich das als eine perfide Praxis jeden historischen Zusammenhang der beiden Diktionen „Nie wieder Krieg“ und „Nie wieder Faschismus“ mit dem Ziel auseinander zu reißen, sie gegeneinander in Stellung zu bringen. Yücel greift dabei eine Zeile aus dem Borchert-Gedicht heraus, um sich mit einer daran gehefteten einfältigen Frage ins Spiel zu bringen: Hätte sich denn „zwei Jahre nach dem Ende des Hitler-Regimes“ nicht eigentlich die Frage „aufdrängen müssen, ob es moralisch das Richtige gewesen wäre, wenn auch die Männer, die Auschwitz und Buchenwald befreiten, >Nein< gesagt hätten“? In der Struktur ähnlich wurden so Kriegsdienstverweigerer in den 1970er Jahren durch den von der Bundeswehr gestellten Vorsitzenden im Prüfungsausschuss des jeweiligen Kreiswehrersatzamtes inquiriert. Allein: Soweit biographische Angaben zu Yücel öffentlich verfügbar sind, scheint er es Zeit seines Lebens niemals bis zur Bundeswehr geschafft zu haben. Insofern ist er im Grunde auch nicht befugt, so als Spießer zu sprechen.

Und dann findet Yücel auch noch allen Ernstes heraus, dass die überlebenden kommunistischen und sozialdemokratischen Häftlinge von Buchenwald bei ihrem Schwur im April 1945 eher nicht: „Nie wieder Krieg“ sondern „Nie wieder Faschismus“ über den Appellplatz des Konzentrationslagers skandiert haben sollen. Yücel will damit wohl den Leserinnen weismachen, dass von den KZ-Überlebenden zu diesem Zeitpunkt die noch während der Wahl zum Reichspräsidenten im Frühjahr 1932 zirkulierende Einsicht wie Parole: „Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt den Krieg“ schon irgendwie vergessen worden war. Yücel kommt auch auf den Einfall, dass sowohl der Vernichtungsantisemitismus als auch der Holocaust, „mit dem Begriff Faschismus eben nicht identisch“ sein sollen. Bingo! Da weiß sich aber der Computerspiel-Freak des Jahres 2001 ziemlich gut in der Erkundung, Besiedlung und Eroberung seiner Spielwelt auszukennen. Ganz vorzüglich jongliert Yücel hier sowohl mit dem „Vernichtungsantisemitismus“, dem „Holocaust“, und dann auch noch „mit dem Begriff Faschismus“. Das ihm dabei mal kein Ball herunterfällt!

Natürlich weiß Yücel davon zu berichten, dass Paul Celan auf einer Tagung der Schriftsteller Gruppe 47, wo er die Todesfuge“ vortrug, „auf Unverständnis, Abwehr und Hohn“ gestoßen sein soll. Warum? „Die Autoren der Gruppe 47, zumeist Angehörige der Flakhelfergeneration“ lässt uns Yücel wissen, sollen den Holocaust zwar nicht ignoriert aber doch irgendwie ausgeblendet haben. Das sei es denn gewesen, mit der sie den Holocaust „zur Kulisse von deutschen Erzählungen von Krieg und Diktatur degradierten.“ Wer tut bloß so etwas, den Holocaust „degradieren“? Also die Grass, die Walser, die Richter! Letztlich sind sie wohl alle auf ihre Weise irgendwie Nazis geblieben, soll man sich da bestimmt denken. (30) Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen lässt Yücel dann mit der Zwischenüberschrift: „Der Krieg als >Vollstrecker der Menschlichkeit<“ eine ganz alte Katze aus dem Sack. Hier erteilt er dem Urvater der Antideutschen Wolfgang Pohrt das Wort. Kurz zuvor war das von ihm indirekt auf seinem Twitter-Account angekündigt worden, wo er ausrief: „Pohrt war einer der brillantesten Köpfe der westdeutschen Linken (…) intellektuell und stilistisch allem damaligen und heutigen Gesinnungskitsch weit überlegen.“ (31)

Der in den frühen 1980er Jahren, so der Literaturkritiker Jörg Auberg, „in Mainstream-Organen wie der ZEIT und dem SPIEGEL (…) als marodierender Soldknecht gegen die ‘neuen sozialen Bewegungen’“ umtriebige Pohrt (32) ist es in der Tat der gewesen, dem einmal die Kitschformel aus dem Maul gerutscht war, das es eine „Armee“ gewesen sein soll, die „den Krieg als wahren Sachwalter und Vollstrecker der Menschlichkeit in die Weltgeschichte eingeführt“ hat. Hier hatte er den Sinn einer demagogischen Formel des CDU-Generalsekretär Heiner Geißler aufgeleckt. Der hatte Mitte Juni 1983 im Bundestag erklärt:

Der Pazifismus der dreißiger Jahre, der sich in seiner gesinnungsethischen Begründung nur wenig von dem unterscheidet, was wir in der Begründung des heutigen Pazifismus zur Kenntnis zu nehmen haben, dieser Pazifismus der dreißiger Jahre hat Auschwitz erst möglich gemacht.“ (33)

Pohrt nennt das „einen bemerkenswerten Gedanken“ und beruft sich schon im November 1983 in einem Vortrag in der Akademie der Künste explizit darauf. Dabei setzt der renitente Kleinbürger mit der Ansage „dass es in der Tat der gewaltfreie Widerstand oder die innere Emigration gewesen war, der Auschwitz erst möglich machte“ mit dem ihnen eigenen Sadismus noch einen drauf. (34) Die in den Konzentrationslagern zu Tode gefolterten Carl von Ossietzky und Hans Litten auch nichts anderes als schnöde Wegbereiter von Auschwitz? Da ist Wolfgang Pohrt aber eine nachträgliche Ehrenerklärung für den Folterschergen an Ossietzky und Litten, dem Lagerkommandanten der KZ Esterwegen und Dachau, Hans Loritz gelungen. (35)

Ja auch so gehen die „Perspektivwechsel in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus“ für die Yücel in seiner Rede plädiert, und für die er die Gedichte von Borchert und Celan auf politisch oberflächlichster Art und Weise instrumentalisiert. Und dann gibt sich der alt gewordene antideutsche Hedonist in seiner eigenen Schreibe als ein entschiedener Opponent gegen alle Formen von „Putin-Schwärmerei und antiamerikanische Ressentiments“ zu erkennen. Ein bisschen an Großzügigkeit mangelt es ihm dabei aber nicht. Das wird daran deutlich, dass er den „allermeisten Erstunterzeichnerinnen und -unterzeichner des von Alice Schwarzer initiierten offenen Briefes an Olaf Scholz“ zu Gute hält, das wohl „nicht aus niederen (antiwestlichen, pseudoantiimperialistischen, putinschwärmerischen) Gründen gegen weitere Waffenlieferungen an die Ukraine“ getan zu haben. Er erklärt sogar – Hört! Hört! – „ihre Sorge vor einer nuklearen Eskalation für berechtigt.“ Allerdings so Yücel weiter: „Aber ich selbst war einer der Erstunterzeichner des anderen offenen Briefes, der darauf mit der gegenteiligen Forderung antwortete. Weil meiner Überzeugung nach die Wiederherstellung des Friedens militärische Maßnahmen erfordern kann. Weil für mich die erste Lehre aus dem Nationalsozialismus >Nie wieder Faschismus< lautet. Oder weil mich die Lektüre von Paul Celan mehr geprägt hat als die Lektüre von Wolfgang Borchert.“ (36) Was einen immer so prägt. Da weiß man nicht besonders viel, aber doch eins: Auch so schreibt man sich

  • journalistisch gewieft an die Konstellationen der 1940er Jahre heran.
  • Man bringt so die in den Nuller Jahren des 21. Jahrhunderts in der antideutschen Szenerie repetierten diskursiven Skills in die neue Kriegsanordnung ein.
  • Man reinkarniert sich dabei sogar noch ein bisschen als ein antifaschistischer Widerstandskämpfer, und
  • gewinnt dabei – last aber definitiv not least – auch noch Selbstbewusstsein – in Deutschland!

Dem Inhalt nach handelt es sich bei dieser Rede von Yücel um ein schlechtes Remake des von Bundesaußenminister Joseph Martin Fischer im Frühjahr 1999 aus Anlass des NATO-Angriffskrieges auf die Bundesrepublik Jugoslawien, angestimmten Geredes, in dem von diesem „Auschwitz“ zu einem Modul für die Legitimierung dieses Völkerrechtsbruches instrumentalisiert wurde. Am 7. April 1999 hatte Fischer erklärt: „Ich habe nicht nur gelernt: Nie wieder Krieg. Ich habe auch gelernt: Nie wieder Auschwitz.“ (37) So ganz war das von Yücel im Mai 2005 noch nicht vergessen worden. Hier hatte er sich darüber beklagt, dass es „spätestens seit 1999 (…) vor allem ehemalige Linke“ gewesen seien, die „Auschwitz zu einem beliebigen Verbrechen der Menschheit und in einen Kampfauftrag“ umdeuteten, mit dem Ergebnis, dass „Deutschland wieder Krieg führte.“ (38) Doch dann unterschiebt er in seiner Rede Fischer die Aussage, dass dieser sowohl „Nie wieder Krieg“ sondern auch „Nie wieder Völkermord“ gelernt haben will, was so falsch zitiert ist. Warum er das macht? Hier die Antwort: Die Rede von Yücel irrlichtert erkennbar irgendwo zwischen den Begriffen Krieg, Faschismus, Holocaust und Auschwitz hin und her. Insoweit er sich explizit auf Celan, Pohrt, und sich damit implizit auch auf den Heiner Geißler des Jahres 1983 beruft, müsste er zur Begründung eines Angriffskrieges gegen Russland eigentlich „Auschwitz! Auschwitz! Auschwitz!“ blöken. Einerseits. Anderseits weiß Yücel nur zu gut, das in die aktuelle russische Kriegsführung gegen die Ukraine weder Konzentrationslager noch Gaskammern eingepreist sind. Darüber hinaus war eben das Joschka-Fischer „Auschwitz“-Bonmot damals im Frühjahr des Jahres 1999 in der Bundesrepublik nicht überall goutiert worden. Also entschied sich Yücel dafür auf der nach der PEN-Mitgliederversammlung durch diese Vereinigung durchgeführten Podiumsdiskussion zu Krieg und Frieden nunmehr gegen Russland die Faschismus-Karte zu spielen. Und hier sprach er unter Hinweis auf eben seine Rede brutalen Klartext:

Der Faschismus lehrt, (…) man schreitet besser mit allen Mitteln vorher ein, als zu spät. Weil, es wird sich rächen. (…) Die Erpressung darf sich nicht durchsetzen, (…) ein verbrecherisches, tendenziell faschistisches Regime (…) Russland hat gerade in den letzten Monaten diesen Übergang gemacht, von einem autokratischen Regime zu einer Diktatur. (…) Man muss mit allen Mitteln eingreifen gegen den Faschismus, (…) weil sonst wütet er weiter.“ (39)

Wenn das dumme Wort brandgefährlich wird

Da erregt sich gerade jemand selber und fletscht die Zähne. Da läuft einem Kettenhund der Geifer aus dem Maul – und das leider nicht mehr nur vor dem Computerbildschirm. Die von Yücel vielleicht mit Berechnung eingeklagte Freiheit der dummen Wörter hin oder her, da wo sie darauf oszillieren, die Welt auf einer ganz anderen Stufenleiter in Brand zu setzen, machen sie sich als das kenntlich was sie sind: Die Worte eines Kriegstreibers. Das Russland von heute gilt ihm als „faschistisch“ gegen das man „mit allen Mitteln“. d.h. eben auch mit Atomwaffen zuschlagen, Pardon: „eingreifen“ soll. In einer instruktiven Attacke gegen die „gesinnungsethischen Bellizisten“ hat Gerhard Hanloser Yücel als einen „Halbintellektuellen“ markiert, dem „die Rolle des kriegsbegeisterten 1914ers“ zukommt, und in dem sich Opportunismus mit Exzentrik paart. (40) Die Eigenschaften der Kriegsbegeisterung, der Opportunismus wie auch die Exzentrik treffen auf die Figur dieses Delinquenten sicher zu. Natürlich muss der Yücel der Jungle World unter die Kategorie eines ganz alten kriegsbegeisterten Diskurskämpfers subsumiert werden. Der Bezug auf „1914“ trifft allerdings eher weniger zu. Plausibler ist es hier Robert Kurz in der Einsicht zu folgen, dass die auch bei Yücel am Ende des 20. Jahrhunderts – unter Umständen auch durch ein hohes Ausmaß des Konsum von Elektronikgeräten – armselig zugerichtete Subjektivität, nicht in eins mit der des Jahres 1914 gesetzt werden kann. Zu fragen wäre auch, ob hier der Begriff der Gesinnungsethik, in dem sich ausdrückt, lediglich den eigenen Glauben als einzigen Maßstab des politischen Handelns zuzulassen, passt. Gesinnungsethik setzt doch immer das Moment einer auch intellektuell tiefer gelegten autonomen Substanz im Subjekt selbst voraus. Doch worin mag die bei dem – ich mache „die-Chinesen-mit-Atomwaffen-fertig“ – Computerspieler Yücel bestehen, der im Springer-Konzern natürlich genau da weitermacht, wo er bei der Jungle World 2007 aufgehört hat?

Gewiss ist hier nur, dass Yücel zusammen mit einer ganzen Reihe seiner vormaligen „Fanta statt Fatwa!“- KollegInnen aus der Jungle World einmal daran geglaubt haben mag, dass sein von ihm verkörperter Hedonismus in irgend einer Art und Weise im Widerspruch zu einer Politik des Massenmordes steht. Nun zeigt sich, dass er eben diesen mit viel Kraft durch Freude herbei agitiert und schreibt. Oder um es in leichter Modifizierung wie Präzisierung des Yücelschen Pathetik-Ausrufes aus der Paulskirche vom Oktober 2021 zu sagen: Für meinen Konzern-Chef im Westen, mit dem Atomknüppel gegen die Russen aus dem Osten – und wenn es sein muss, auch gegen die Kriegsskeptiker oder die Linken in diesem Land!

Markus Mohr | Juli 2022

Für Diskussion und Anregungen zu diesem Text danke ich Klaus Wernecke

 

(1) Sebastian Bähr, Glückwunsch, Jungle World – ihr Spielverderber! / Die linke Wochenzeitung wird 20. Auch für Kritiker ein Grund zum Feiern, in: Neues Deutschland v. 8.6.2017, URL: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1053333.glueckwunsch-jungle-world-ihr-spielverderber.html

(2) Andrea Albertini, Die Folgen der Anschläge auf die USA / Fanta statt Fatwa! in: Jungle World Nr. 43 v. 17.10.2001, S. 5. URL: https://jungle.world/artikel/2001/42/fanta-statt-fatwa. Georg Wißmeyer macht hier darauf aufmerksam, dass es sich bei der von „Albertini“ in seinem Beitrag vorgenommenen „Gleichsetzung von DKP mit NPD, von NPD-Mahler mit SPD-Grass und der Vorwurf, dass die Friedensbewegung nichts anderes (darstelle) als ein Haufen nützlicher Idioten“ im Prinzip um „olle Kamellen“ handele: man sei damit schon in den Zeiten des Kalten Krieges „von Kriegstreibern oder Aufrüstungsbefürwortern“ konfrontiert worden. Heutzutage aber finde man solche Elaborate eben in der jungle world. So palavere „Albertini“ von „angeblich imperialistische(n) Interessen im afghanischen Wüstensand.“ Denn seiner Meinung nach gehe es den USA bloß um das „Recht auf Selbstverteidigung“ das „viele Deutsche den USA (…) absprechen.“ Was zeigt das? Richtig: „… den tief verwurzelten Antiamerikanismus“ der daher rührt, dass „die USA schließlich Deutschland zwei Mal den Griff zur Weltmacht verwehrt …“ habe. Siehe: G. Wißmeier, Welcome home! (Anti-)Deutsche Linke suchen Anschluss, in: analyse & kritik Nr. 456 v. 22.11.2001, URL: https://archiv.akweb.de/ak_s/ak456/37.htm.

(3) Zu der Konfiguration des Bellizismus in der bundesdeutschen Linken um die Jahrtausendwende, siehe die beiden Kapitel: „Durchschlagend: 9/11“ und „Globale linke Krieger“, in: Gerhard Hanloser, Die andere Querfront / Skizzen des antideutschen Betrugs, Münster 2019, S. 145 – 165

(4) Robert Kurz, Fanta auf Lebenszeit / Unter dem Eindruck des Schreckens entpuppt sich die bürgerliche Subjekt-Ontologie der antideutschen Linken, in: CEEIEH #83 (Leipzig, Dezember 2001), URL: https://conne-island.de/nf/83/24.html.

(5) Robert Kurz, Die antideutsche Ideologie / Vom Antifaschismus zum Krisenimperialismus: Kritik des neuesten linksdeutschen Sektenwesens in seinen theoretischen Propheten, Münster 2003, S. 181

(6) Ivo Bozic, „Ein Teil der Linken hat komplett versagt“ / Was änderte sich nach dem 11. September 2001 für linke Bewegungen in Deutschland und weltweit? in: Jungle World Nr. 36 v. 8.9.2011, S. 10 – 11, hier S. 10, URL: https://jungle.world/artikel/2011/36/ein-teil-der-linken-hat-komplett-versagt. Mit Blick auf dieses Gespräch wies Jens Renner zutreffend darauf hin, dass man sich „in der Rolle der mutigen Tabubrecher, die eine notwendige Debatte angestoßen“ haben wollen, sonnte. „Selbst die unsägliche Schlagzeile >Fanta statt Fatwa< (Jungle World, 17.10.01) wird in diesem Sinne gewürdigt (Yücel).“ Kritische Gedanken über die Berechtigung des Krieges gegen Afghanistan seien bei den Diskutanten auch zehn Jahre später Fehlanzeige gewesen. „Das deutsche Drängen, bei diesem Krieg aktiv mitmachen zu dürfen, wird mit Schweigen übergangen – erstaunlich in einem Blatt, das die Welt ansonsten meist durch die >antideutsche< Brille betrachtet.“ Siehe Js, Gebettelt und gedrängelt / Wie Deutschland im Herbst 2001 in den Afghanistan-Krieg zog, in: analyse & kritik Nr. 565 v. 21.10.2011, URL: https://archiv.akweb.de/ak_s/ak565/06.htm

(7) Deniz Yücel, Entmischen! Die Bewegung gegen den Irakkrieg droht eine weltweite Multitude aus Globalisierungsgegnern, Islamisten und Faschisten zu bilden, die von Deutschland angeführt wird, in: Jungle World Nr. 44 v. 23.10.2002, S. 5. URL: https://jungle.world/artikel/2002/43/entmischen

(8) (25 AutorInnen) Offener Brief an die Jungle World (Dokumentation), in: ak – analyse & kritik Nr. 470 v. 21.2.2003, S. 35 URL https://www.akweb.de/ak_s/ak470/35.htm

(9) Anfang Juni 2017 resümierte Stefanie Kron die Geschichte der Jungle World vor dem Hintergrund „der militärischen Intervention der USA in Afghanistan im Herbst 2001“ dahingehend, dass die Zeitung „ihre kritisch-wohlwollende Haltung gegenüber den globalisierungskritischen Bewegungen“ aufgegeben habe. Und sie führt weiter aus: „Der berühmt-berüchtigte Debattenbeitrag >Fanta statt Fatwa< reformulierte den linken Sinnspruch >Sozialismus oder Barbarei< als >Kapitalismus oder Barbarei<. Der >bombenfreundliche< Text sorgte für eine Menge Aufregung und veranlasste eine ganze Reihe angestammter Autorinnen und Autoren und auch Leserinnen und Leser, sich von der Jungle World zu verabschieden.“ Eben diese sahen in der Jungle World „das Sprachrohr eines von Antideutschen dominierten linken Bellizismus.“ Siehe: Stefanie Kron, Wann wird’s mal wieder richtig Sommer? Ständig ist die >Jungle World< auf der Suche nach aufständischen linken Bewegungen, in: Jungle World Nr. 23 v. 8.6.2017, S. 13, URL: https://jungle.world/artikel/2017/23/wann-wirds-mal-wieder-richtig-sommer

(10) Bülend Ürük, Von der „taz“ zur „Welt“: Deniz Yücel wird Türkei-Korrespondent für Axel Springer / „WeltN24“-Chefredakteur Jan-Eric Peters ist ein echter Personal-Coup gelungen, auf: kress.de v. 1.4.2015, URL: https://kress.de/news/detail/beitrag/130712-von-der-taz-zur-welt-deniz-yuecel-wird-tuerkei-korrespondent-fuer-axel-springer.html

(11) Nele Pollatschek, „Aber es war auch nur ein Jahr“ (Interview mit Deniz Yücel) in: SZ vom 16.11.2021, S. 12

(12) Vgl. auch das Kapitel: „Der neueste Sound der Berliner Republik“ in: Gerhard Hanloser, Die andere Querfront, Münster 2019, hier S. 297 – 302.

(13) Ferdinand Muggenthaler, Bernd Beier, Ivo Bozic u.a., Ehemalige und derzeitige Mitarbeiter der Jungle World im Gespäch: (…) Bilanz ziehen nach 20 Jahren, in: Jungle World Nr. 23 v. 8.6.2017, S. 3 – 5, hier S. 4, URL: https://jungle.world/artikel/2017/23/einer-musste-nuechtern-bleiben

(14) Vgl. „Welt“-Journalist Deniz Yücel zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt, auf: SZ.de vom 16.7.2020, URL: https://www.sueddeutsche.de/politik/deniz-yuecel-urteil-1.4968954

(15) PEN-Zentrum, „Im Zweifel immer für die Freiheit des Wortes“: Deniz Yücel neuer PEN-Präsident, auf: PEN-Website v. 27.10.201, URL: https://www.pen-deutschland.de/de/2021/10/27/im-zweifel-immer-fuer-die-freiheit-des-wortes-deniz-yuecel-neuer-pen-praesident-ergebnisse-der-praesidiumswahlen-bekanntgegeben/

(16) Jan Feddersen, Beinhart für Meinungsfreiheit / Der ehemalige taz-Redakteur Deniz Yücel ist neuer Präsident des deutschen PEN-Zentrums. Er ist dafür genau die richtige Wahl, in: taz v. 27.10.2012, URL: https://taz.de/Deniz-Yuecel-neuer-PEN-Praesident/!5807386/

(17) Hannah Pilarczyk, Alles eine Frage der Macht / Seitdem der »Welt«-Journalist Deniz Yücel zum Präsidenten des PEN-Zentrums gewählt worden ist, kommt der Schriftstellerzusammenschluss nicht zur Ruhe. Wer ist schuld an der absurden Eskalation? Die Geschichte einer Zerrüttung, in: DER SPIEGEL Nr 16 vom 15.4.2022, S. 110

(18) Marc Reichwein, WELT-AUTOR Deniz Yücel zum deutschen PEN-Präsidenten gewählt, auf: WElT-online v. 26.10.2021, URL: https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article234656520/WELT-Autor-Deniz-Yuecel-zum-deutschen-PEN-Praesidenten-gewaehlt.html

(19) Deniz Yücel, Thore Barfuss, „Als ob man mit einer Wand gesprochen hätte“ (Interview mit dem Botschafter der Ukraine Andrij Melnyk) in: WELT v. 10.3.2022, S. 6

(20) Mathias Döpfner Die Nato muss JETZT handeln, auf: Bild-online v. 4.3.2022, URL:

https://www.bild.de/politik/kolumnen/politik-ausland/kommentar-zum-ukraine-krieg-die-nato-muss-jetzt-handeln-79346732.bild.html; Siehe auch: O.N., Er fordert militärische Einmischung der Nato / Aufregung um Kommentar von Springer-Chef: „Döpfner nimmt dritten Weltkrieg in Kauf“, auf: focus-online vom 13.3.2022, URL: https://www.focus.de/politik/deutschland/er-fordert-militaerische-einmischung-der-nato-aufregung-um-kommentar-von-springer-chef-doepfner-nimmt-dritten-weltkrieg-in-kauf_id_63947655.html

(21) Deniz Yücel, Twitter-Account, (Thread v. 10.3.2022), URL: https://twitter.com/besser_deniz/status/1501840485329035269. In einem Gespräch auf dem Podcast der FAZ hakte Simon Strauss in Bezug auf das von Yücel stark gemachte „Scheissegal“-Bonmot von Melnyk nach. Simon Strauss: „Bei der Diskussion haben Sie (bei dem) ukrainischen Botschafter Melnyk hervorgehoben – und wenn ich Sie richtig verstanden habe – da so gewissermaßen auch bewundernd gesagt: Der sagt einfach mal was jetzt Sache ist. >Scheiß egal, welche Sprache ich benutze!< Das ist ja ein Zitat von ihm. Was sagen sie als Präsident der Schriftsteller-Vereinigung dazu? Ist es scheißegal, welche Sprache jetzt benutzt wird gerade?“

Mit seiner Antwort auf diese gute Frage gerät Deniz Yücel erkennbar ins schleudern: „Die Sprache ist nicht Sprache, auch die ist nicht ein Wettbewerb von schön schreiben. Und natürlich sind – das ist mein Anspruch (…), ich bin kein Literat, ich bin Journalist aber ich versuche das auch in meinen Texten auch nach der Maßgabe Verhältnis zwischen Form und Inhalt (…) und was ist gerade das Thema? Und Melnyk sagt gerade nicht, ihm es scheißegal.“ Immerhin räumt Yücel im Fortgang seiner Ausführungen die Existenz der „Scheissegegal“-Aussage von Melnyk dann doch noch ein, um sie dann – jetzt bitte gut festhalten – indirekt zu Literatur zu erklären. O-Ton Yücel: „Die Schriftsteller-Vereinigung ist ja nicht, oder Literatur oder die Aufgabe von Publizistik allgemein, ist ja nicht Benimmregeln aufzustellen. (…) Und (…) aus dem ganzen Arsenal der Sprache, was die Sprache auch zur Verfügung hat, von derbe und heftig und eindeutig bis hin zu fein oszilliert, je nachdem was man gerade sagen will, sich dieses Arsenal zu bedienen, das finde ich (…) so funktioniert Literatur!“ Siehe: Simon Strauss, Ich bin kein Pressesprecher, ich bin Präsident: Deniz Yücel verteidigt umstrittene Ukraine-Äußerungen, auf: FAZ-Podcast v. 28.3. 2022, URL: https://podcastfuerdeutschland.podigee.io/559-neue-episode, ab: Min 16:30 – 18:13

(22) WDR 5, Nein zum Krieg in der Ukraine – Litcologne zeigt Solidarität (Mit Navid Kermani, Sasha Marianna Salzmann, Deniz Yücel und Sasha Filipenko diskutieren) vom 16.3.2022, URL: https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-spezial/audio-nein-zum-krieg-in-der-ukraine—litcologne-zeigt-solidaritaet-100.html, ab Min. 1:19:00 ff.

(23) Petra Reski, Rebellion beim PEN: Rücktritt des Präsidenten Yücel gefordert / Mobbing und abenteuerliche militärstrategische Ausführungen: Seine Mitglieder wünschen sich einen Präsidenten, der es nicht darauf anlegt, den ganzen PEN in Flammen aufgehen zu lassen, auf: FAZ.NET v. 20.3.2022, URL: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/themen/pen-mitglieder-fordern-ruecktritt-ihres-praesidenten-yuecel-17892309.html

(24) Alexander Menden, Solidarität unter Literaten für die Ukraine: Feuer unterm Dach / Ja zur Flugverbotszone? Ein Soli-Abend für die Ukraine auf der Lit.Cologne nimmt einen eher militanten Verlauf, auf: SZ.de vom 16.3.2022, URL: https://www.sueddeutsche.de/kultur/litcologne-yuecel-krieg-soli-buchmesse-koeln-1.5548741

(25) Brigitte Schmitz- Kunkel, „Wir haben nicht hingeschaut“, in: Kölnische Rundschau v. 17.3.2022, S. 18

(26) O.N., Mitglieder des PEN-Zentrums fordern Rücktritt ihres Präsidenten Yücel, auf: Deutschlandfunkkultur v. 19.3.2022, URL: https://www.deutschlandfunkkultur.de/mitglieder-des-pen-zentrums-fordern-ruecktritt-ihres-praesidenten-yuecel-100.html

(27) Herbert Wiesner, Friedrich Schiller nannte das Gedankenfreiheit / Im deutschen PEN ist ein Streit um den Vorsitzenden Deniz Yücel entbrannt. Doch warum eigentlich? in: WELT, v. 22.3.2022, S. 16. Einen Tag später meldete sich auch Konzernchef Döpfner in der Angelegenheit zu Wort, und sprang seinem Subalternen bei. Dabei verwies er zu der von ihm erhobenen Forderung nach der Einrichtung einer Flugverbotszone. auf die „große Unterstützung, ja Erleichterung besonders in Ostmitteleuropa, von russischen Regime-Gegnern, natürlich aus der Ukraine und aus Amerika“ Doch in Deutschland und der Schweiz sei mal wieder „das Entsetzen groß“ beklagte er sich. Mehr noch: „Als ich einen Kommentar in >Bild< schrieb, der die militärische Unterstützung der Ukraine durch Nato-Mitglieder vorschlug, war von >Kriegstreiberei< die Rede; Deniz Yücel, der die Schließung des Luftraums über der Ukraine befürwortete, wurde sogar aufgefordert, sein Amt als Präsident der Schriftstellervereinigung PEN niederzulegen.“ Siehe: Mathias Döpfner, Wir sind nicht zuständig / Das Versagen der Deutschen vor der Geschichte, in: WELT v. 23.3.2022, S. 1/2

(28) Deniz Yücel, Solidarität mit der Ukraine / Schöne deutsche blau-gelbe Heimeligkeit / Symbolische und praktische Solidarität brauchen nicht nur die, die aus der Ukraine fliehen, sondern auch jene, die bleiben und kämpfen (Ein Gastbeitrag von Präsident des PEN-Zentrums Deutschland) auf: SPON v. 25.3.2022, URL: https://www.spiegel.de/kultur/ukraine-krieg-und-solidaritaet-schoene-deutsche-blau-gelbe-heimeligkeit-a-538fdcc6-1eba-4390-b39a-ad04a54e663f

(29) O.N., Namedropping, Eintrag auf www.duden.de, URL: https://www.duden.de/rechtschreibung/Namedropping

(30) Zu den Auseinandersetzungen und den vielfältigen Hintergründen um den Aufritt von Paul Celan auf der Tagung der Schrifstellergruppe 47 in Niendorf im Jahre 1952 siehe das instruktive Kapitel „Fräulein Kafka / Aichinger, Bachmann, Celan: Ein unvermutet neues ABC“, in dem Buch des PEN-Mitgliedes Helmut Böttiger, Die Gruppe 47 / Als die deutsche Literatur Geschichte schrieb, München 2012, S. 122 f

(31) Deniz Yücel, Twitter-Account (Thread vom 17.4.2022), URL: https://twitter.com/Besser_Deniz/status/1515590424433512450

(32) Jörg Auberg, Nachruf auf eine Bestie / Wolfgang Pohrts Schriften aus den 1980er Jahren liegen in einer Neuausgabe vor, auf: literaturkritik Nr. 7 vom Juli 2010, URL: https://literaturkritik.de/id/14564

(33) BT-Pl-Prot 10/13 v 15.6.1983, S. 755. Im Bundestagsprotokoll sind dazu erregte Zwischenrufe notiert: (Schily [GRÜNE]: Wer hat für das Ermächtigungsgesetz gestimmt? — Pfui-Rufe von der SPD – Weitere Zurufe von den GRÜNEN) (…) Schily [GRÜNE]: Ossietzky ist im KZ gestorben, und Sie wagen es, so etwas zu sagen!“ Manfred Bissinger nannte Geißler einen „Erfinder der neuen Auschwitz-Lüge“, in: konkret Nr. 11 v. November 1983, S. 4. Hermann Gremliza kommentierte die Geißler-Äußerung sarkastisch mit der Bemerkung, dass „neuerdings (…) ein (Video-)Tape im Handel sein (soll), auf dem ein als Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit verkleideter Gewalttäter erklärt, wie schön es in Auschwitz war: Pazifisten hatten das Lager eingerichtet, unter den Wachmännern nicht ein unanständiger Deutscher und die Lagerleitung in erster Linie sozialistisch.“ In: konkret Nr 12 v. Dezember 1983, S. 106

(34) Wolfgang Pohrt, Der Krieg als wirklicher Befreier und wahrer Sachwalter der Menschlichkeit (Vortrag Akademie der Künste West-Berlin am 1.11.1983) in: W. Pohrt, Kreisverkehr Wendepunkt / Über Wechseljahre der Nation und die Linke im Widerstreit der Gefühle, West-Berlin 1984, S. 47 – 55, hier S. 51 – 53 . In der von Klaus Bittermann herunter geschrubbten Hagiograhie auf das Pohrtsche Leben wird auch die besagte Veranstaltung annonciert. Bittermann glaubt auch hier ganz fest daran, Pohrt für eine so „souveräne wie „überzeugend“ abgelieferte „Vorstellung“ abfeiern zu können. Allerdings ist der von Pohrt auf das Gedankenuniversum von Heiner Geißler selbst explizit gemachte Bezug in seinen – von Bittermann gewohnt für originell befundenen – Überlegungen verschwunden. Siehe: K. Bittermann, Der Intellektuelle als Unruhestifter. Wolfgang Pohrt – Eine Biographie, Berlin 2022, S. 271f

(35) Vgl. Dirk Riedel, Ordnungshüter und Massenmörder im Dienst der Volksgemeinschaft. Der KZ-Kommandant Hans Loritz, Berlin 2010; Siehe auch: Carsten van Bevern, KZ Esterwegen: Kommandant Hans Loritz war bei Gefangenen gefürchtet, in: Meppener Tagespost am 26.10.2011, URL:

https://www.gedenkstaette-esterwegen.de/en/aktuelles/pressespiegel/detail/kz-esterwegen-kommandant-hans-loritz-war-bei-gefangenen-gefuerchtet-22.html?tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&cHash=2bfe801492fd850ec3448a4da76f83a5

(36) Deniz Yücel „Nie wieder Krieg“ oder „Nie wieder Faschismus“? (PEN-Eröffnungsrede), auf: WELT-online v. 18.5.2022, URL: https://www.welt.de/kultur/article238803163/Deniz-Yuecel-Nie-wieder-Krieg-oder-Nie-wieder-Faschismus.html

(37) Vgl. Peter Gingold, Ulrich Sander Hrg. (VVN-BdA), ,,Gegen eine neue Art der Auschwitzlüge / Echo auf den Offenen Brief an die Minister Scharping und Fischer, Frankfurt o.J. (1999), URL: https://nrw-archiv.vvn-bda.de/bilder/doku_neue_auschwitz-luege.pdf

(38) Deniz Yücel, Deutschland, Klappe halten! / Der 8. Mai ist zum eigentlichen deutschen Nationalfeiertag geworden. Die Erinnerung an den Nationalsozialismus dient heute dem deutschen Selbstbewusstsein, in: Jungle World Nr. 18 v. 4.5.2005, S. 4, URL: https://jungle.world/artikel/2005/18/deutschland-klappe-halten

(39) PEN-Zentrum, „Mit aller Kraft. Der Krieg, der Frieden, der PEN – Diskussion auf Schloss Friedenstein in Gotha, auf: PEN-Webside v. 16.5.2022, URL: https://www.pen-deutschland.de/de/2022/05/16/pen-zentrum-diskutiert-zum-ukrainekrieg-auf-schloss-friedenstein/, hier Min: 42:57 – 44:13

(40) Gerhard Hanloser, Die gesinnungsethischen Bellizisten / Kriegspropaganda / Alte kriegsbegeisterte Diskurskämpfer machen gegen Russland mobil. Für die Ukraine. Für „den Westen“. Gegen die Vernunft. Eine Polemik, auf: freitag-blog vom 5.5.2022, URL: https://www.freitag.de/autoren/ghanloser/kriegspropaganda-die-gesinnungsethischen-bellizisten

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