Die staatsautoritäre Latte Macchiato Community en marche

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Die staatsautoritäre Latte Macchiato Community en marche

Am 5. Februar 2022 fand eine Demonstration gegen die Corona-Politik in Frankfurt statt.

Ausgangspunkt war der Holzhausenpark im Frankfurter Norden – heute ein beliebter Wohnort für die ziemlich Reichen, also mit Ambitionen und Kapital für eine Eigentumswohnung bzw. mit entsprechendem Einkommen für die sehr hohen Mieten. In diesem Stadtteil lebt man locker und wählt grün. Der Holzhausenpark ist ein beliebter Treffpunkt für die -Familien. Sie genießen den öffentlichen Raum – abseits der unschönen, ärmlichen und heruntergekommenen Viertel. Während also die Latte Macchiato Familien (da dürfen es auch Männer sein, die mit den Kindern spielen – wenn das Handy mal nicht wichtiger ist) auf dem gut gepflegten Spielplatz ihre work-life-ballance optimieren, sammeln sich die GegnerInnen der Corona-Politik. Später erfährt man in der Presse wenig über die Demonstration selbst, umso mehr über die Latte Macchiato-Familien, die sich irgendwie, also doch sehr massiv bedroht fühlten. Da reicht in diesem Milieu bereits, dass sie den Park nicht – wie gewohnt – für sich haben.

Und so lässt die Frankfurter Rundschau (FR) total eingeschüchterte Menschen, also gerade Mütter zu Wort kommen:

 

So schlimm war es noch nie“,

sagt eine Mutter, die sich nach der Holzhausenpark-Demonstration Ende Januar bei der FR meldet.

Wir haben Angst gehabt.“

Aus den „Querdenker“-Reihen sind Familien am Ende des Öder Wegs minutenlang beschimpft und bedroht worden. Es sind Szenen, die man sich vor zwei Jahren nicht hätte vorstellen können, nicht im Frankfurt des 21. Jahrhunderts.

Mir fehlt die klare Stimme der Politik“,

sagt die Mutter. „Vielleicht will sich der Herr Feldmann mal an den Straßenrand stellen und das erleben.“ (FR vom 7.2.2022)

Und plötzlich sind die ‚sozialen‘ Medien auch genau die richtige Adresse für die FR, um sich das passende herauszusuchen:

In Internetforen wird Nordendbewohner:innen Gewalt angedroht, weil sie ein Tuch „Mit Nazis geht man nicht spazieren“ an ihr Haus gehängt haben. Was genau an dem Satz falsch sein soll, erschließt sich nicht.“ (s.o.)

 

Die folgenden Bilder habe ich im Holzhausenpark gemacht, bevor die Demonstration losging:

Demonstration gegen die Corona-Politik in Frankfurt

Wenn man im Hinterkopf behält, was die große Koalition der Willigen (bis hin zu den Linken) über die KritikerInnen der Corona-Politik zu berichten weiß, der braucht für diese Bilder keine Anleitung.

Nach diesem erschütternden Ereignis in „ihrem“ Viertel, in „ihrem“ Park, meldete sich die Latte Macchiato Community zu Wort, in Form eines Aufrufes:

„Nordend gegen ‚Querdenker‘ Spaziergänge.

‚Querdenker‘ besetzen jeden Samstag den Holzhausenpark (oder Grüneburgpark) und marschieren zu Tausenden durch unser Viertel. Das wollen sie jeden Samstag bis zum Sommer weiterführen.

Das Nordend ist kein Hotspot für ‚Querdenker‘ und Demo-Touristen. Last uns zusammen ein Zeichen setzen.“

 

Dieser Aufruf hat es in sich und man kann dankbar sein, dass sich darin ein ganz gewisses Selbstverständnis äußert, über das man ansonsten mutmaßen müsste.

 

Zuerst einmal kommen hier auf selbstherrliche Weise Eigentümer zu Wort, für die es ganz selbstverständlich ist, dass ihnen nicht nur ihre Wohnung, ihr Haus im hippen Nordend gehört, sondern eben auch die Parks. Wie sonst käme man auch die Idee, dass „ihr“ Park „besetzt“ worden sei. Gehört er schon ihnen? Bestimmen sie, wer dort sein kann, wer sich den Park leisten kann? Sind sie diejenigen, die fortan bestimmen, wer für den Park gut genug ist, wer ihn benutzen kann/darf?

Eine Art 4G-Regel im Eigengebrauch, in Eigenregie.

Und dann die selbst erzeugte und ‚selbstbestimmte‘ Wahrnehmung über die „Besetzer“. Diese gehen natürlich nicht spazieren, sondern sie müssen „marschieren“ … wie Nazis, wie die SS. Dass sie in der Mehrheit eher wie Hippies durch die Straße ziehen, also so und so ähnlich wie sie vor anno dazumal, darf nicht sein. Man will ja die sehr ernste Gefahr beschreiben, heraufbeschwören, der man sich dann furchtlos entgegenstemmen möchte.

Und natürlich ist die Latte Macchiato Community auf der Welle der Denunziation ziemlich weit vorne. Denn diese Tausende von Menschen, die gegen die Corona-Politik demonstrieren, sind nicht hartnäckig, wenn sie bis Sommer durchhalten wollen. Nein. Nein. Nein. Es handelt sich damit um „Demo-Touristen“. Das war eine sehr gängige Denunziationsformel aus den 1970er und 1980er Jahren, als es (nicht nur) in Frankfurt sehr viele Demonstrationen gab, die die Stadt- und Landesregierung an den Rand der Unregierbarkeit brachte – eine Zeit, die zu einem kleinen Teil (Ü 50) zu den „Jugendsünden“ der Latte Macchiato Community zählt.

Man hat also keine Berührungsangst zu reaktionärem Vokabular, das man seit Jahrzehnten aus den Stahlhelm-Fraktionen der endlosen Mitte kennt.

Dieselben, die also gar keine Scham haben, reaktionäre Ressentiments zu beleben und zu bedienen, wollen gegen Rechts, gegen Viertel-Halb-Nazis sein?

Was für eine Posse.

 

Wolf Wetzel                                    14. Februar 2022

 

 

Quellen und Hinweise:

Hoffnung, Wut, Rekord-Inzidenzen: So hat Corona Frankfurt auf den Kopf gestellt, FR vom 7.2.2022: https://www.fr.de/frankfurt/frankfurt-zwischen-corona-wut-lockerungen-und-rekordwerten-91285114.html

 

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