Aus der Zeit gefallen

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Aus der Zeit gefallen

Der SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz hat auf einer DGB-Veranstaltung zum 1. Mai 2022 in Düsseldorf erklärt, warum die deutsche Bundesregierung jetzt Kriegspartei sein muss, warum man jetzt mit Kriegskrediten (verschämt als „Sondervermögen“ getarnt) von 100 Milliarden Euro für die kommenden Kriege gerüstet sein will, warum man ansonsten … aus der Zeit gefallen ist.

 

„Ich respektiere jeden Pazifismus, ich respektiere jede Haltung, aber es muss einem Bürger der Ukraine zynisch vorkommen, wenn ihm gesagt wird, er solle sich gegen die Putinsche Aggression ohne Waffen verteidigen“, sagte Scholz am Sonntag bei einer DGB-Kundgebung zum Tag der Arbeit in Düsseldorf. „Das ist aus der Zeit gefallen!“

Nun, Olaf Scholz ist in der Tat nicht aus der Zeit gefallen. Seine politische, militaristische und imperiale Kriegshaltung ist eben gar keine „Zeitenwende“, sondern schon immer Markenkern der SPD gewesen.

Als überall in den Kaiser-, Regierungs-, und Konzern-Rängen für den Ersten Weltkrieg getrommelt wurde, hatte die SPD noch gegen diesen nahenden imperialen Krieg gestimmt. Doch je näher er kam, desto schneller passte sich die SPD dem Kriegsgetöse an und erklärte den Angriffskrieg zum Verteidigungsfall, bei dem es auch um die Errungenschaften der Arbeiterklasse ginge.

Man kann schon sagen, dass es die SPD damals innerhalb von Wochen geschafft hatte, ihre Anti-Kriegshaltung, ihre antiimperialistische Grundeinstellung in eine Zustimmung zum imperialen Gemetzel zu verwandeln.

Damals wollte die SPD auch nicht aus der „Zeit fallen“. Mit dieser Zeit sind Millionen von Menschen ermordet worden und die SPD auch.

Wenn es irgendetwas braucht, in dieser kriegstrunkenen Zeit, dann ist es:

Aus der Zeit fallen!

Wenn 1914 Millionen von Menschen „aus der Zeit gefallen“ wären, wären Aber-Millionen am Leben geblieben, und die Kriegsvorbereitungen wäre in sich zusammengebrochen. Damals gab es diese Millionen von Menschen gegen den imperialen Krieg tatsächlich, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa.

Wenn 1933 Millionen von Menschen angesichts des angekündigten Zweiten Kriegkrieges „aus der Zeit gefallen“ wären, wären 50 Millionen Menschen noch am Leben.

Wenn sich heute, 2022, Millionen von Menschen heute gegen den möglichen Dritten Weltkrieg auflehnen, also endlich „aus der Zeit fallen“ würden, dann bekäme der Spruch „aus der Geschichte lernen“ einen würdigen Sinn.

Denn der Krieg in Ukraine wird ganz bestimmt nicht in der Ukraine entschieden.

Und wenn Olaf Scholz meint, dass der „Pazifismus“ doch aus der Zeit gefallen sei, dann kann man ihm helfen und auf ungewöhnlicher Weise beipflichten.

Nicht alle gingen den Weg des Pazifismus. Es gab auch sehr viele, die den Krieg gegen den „äußeren Feind“ in einen Krieg gegen jene wenden wollten, die immer Krieg führen – gegen ihre eigene Bevölkerung, gegen das Recht auf Glück, auf universelle Rechte.

Das nannte man damals „Krieg dem Krieg“, der in Russland dazugeführt hatte, dass der Zarismus gestürzt wurde und die russische Revolution gesiegt hatte.

Wenn also Olaf Scholz etwas gegen einen unzeitgemäßen Pazifismus hat, dann würden wir ihm diese Alternative ans sozialdemokratische Herz legen.

Damit lägen die Waffen endlich in den Händen jener, die sie überall dringend bräuchten, in der Ukraine, in Russland, in den USA, in Frankreich … und in Deutschland. In diesem Kampf würde man lernen und erfahren, dass Herrschaftseliten überall gleich, also sehr ähnlich sind, auch dann, wenn man sie in Russland Oligarchen nennt und in Europa Wirtschaftskapitäne.

 

Wäre dieser gemeinsame Kampf gewonnen, könnte man ganz entspannt mit all den Problemen umgehen, die es auch jenseits dieser „kannibalischen Weltordung“ (Jean Ziegler) gibt und geben wird.

Die ganze Kraft und Leidenschaft darauf zu verwenden, wäre nicht nervig, sondern eine glücksbringende Anstrengung.

Wolf Wetzel | 2.5.2022

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