Nachbetrachtung: Die Untiefen des Staates – Veranstaltung in Berlin plus Mitschnitt

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»Die Untiefen des Staates

Immer wieder die Behörden: Eine Podiumsdiskussion zum NSU-Skandal in Berlin

Von Markus Mohr
Am Tag der Befreiung vom Faschismus hatte die Redaktion der Ostberliner Underground-Zeitschrift telegraph zu einer Veranstaltung mit dem Titel »Die Untiefen des States« unter der Moderation von Malte Daniljuk ins Berliner Haus der Demokratie eingeladen. Thema waren neue Enthüllungen über die unglaubliche Vielzahl von umsichtig organisierten Ermittlungsfehlern der staatlichen Behörden bei der Aufklärung der Verbrechensserie des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU). Auf dem Podium waren neben Sebastian Carlens (junge Welt) der freie Journalist Andreas Förster sowie der Publizist Wolf Wetzel versammelt.
Wetzel wies vor rund 100 Zuhörern auf eine Gemeinsamkeit an so unterschiedlichen NSU-Tatorten wie Eise­nach, Kassel und Heilbronn hin: Die Polizei habe ihre in Handbüchern nachlesbaren Ermittlungsmethoden und Regeln über den Haufen geworfen, um zu einem vom konkreten Tatablauf wegführenden Ergebnis zu gelangen.

Nach jüngsten Erkenntnissen aus den Obduktionsberichten und Schießversuchen in bezug auf den mutmaßlichen Suizid der Neonazis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach dem Banküberfall in Eisenach sei eine Selbsttötung so gut wie unmöglich, die Hinrichtung durch einen »dritten Mann« aber zu 80 Prozent plausibel.
Andreas Förster kommt das große Verdienst zu, die von mehreren Geheimdiensten in Thüringen durchgeführte »Operation Rennsteig« aufgedeckt zu haben, mit der die neofaschistische Gruppierung »Thüringer Heimatschutz« als Brutstätte des NSU durch V-Mann-Honorare faktisch mitaufgebaut und gefördert worden war.
Förster sprach über neueste Ungereimtheiten aus dem Thüringer Untersuchungsausschuß. Sebastian Carlens beschäftigte sich mit der aberwitzigen Behauptung des direkt am Kasseler Tatort des Mordes an Halit Yozgat anwesenden hessischen Verfassungsschützers Andreas Temme, dieser habe den Erschossenen hinter der Ladentheke nicht sehen können: Der großgewachsene Temme habe sich beim Bezahlen eigentlich die Augen zuhalten müssen. Zu den zahlreichen Widersprüchen im NSU-Komplex sagte Carlens: »Vieles wird man heute durch die Beweisvernichtungsaktionen von Polizei und Verfassungsschutz nicht mehr aufhellen können, aber man kann sagen, das es so, wie es heute von Polizei und Bundesanwaltschaft behauptet wird, definitiv nicht abgelaufen sein kann.«
Wetzel wies darauf hin, daß nach dem Ende des Faschismus in Europa von den Westalliierten über Jahrzehnte hinweg und zwischenzeitlich offiziell eingestanden bis 1991 die Geheimorganisation Gladio existierte – der »tiefe Staat«. Im Kampf gegen die »Gefahr« aus dem Osten und gegen Linke seien auch vom Bundeskanzleramt an jeder parlamentarischen Kontrolle vorbei neofaschistische Kräfte bewaffnet und unterhalten worden. Wo seien diese abgeblieben, fragte Wetzel, wer sei dafür jemals zur Verantwortung gezogen worden, und warum werde so etwas heute auch in der Linken mit dem Stichwort »Verschwörungstheorien« für nicht existent erklärt?«
 Junge Welt vom 10.05.2014: http://www.jungewelt.de/2014/05-10/051.php
Ein Mitschnitt der Veranstaltung findet sich hier: http://ostblog.de/NSU8Mai2014-96.mp3

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