Was andere getan haben, müssen Sie sich mit anrechnen lassen

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Ein Megafon, ein Tatbeitrag, ein Jahr und 10 Monate Knast

Das Amtsgericht Dresden verurteilte den Antifaschisten Tim H. zu ein Jahr und 10 Monaten Haft – ohne Bewährung. Es sah als erwiesen an, dass Tim H. im Zuge der Gegendemonstrationen gegen einen Neonaziaufmarsch am 19. Februar 2011 in Dresden folgende Straftaten begangen habe: Körperverletzung, besonders schwerer Landfriedensbruch und Beleidigung. Letztere soll er mit dem Wort »Nazi-Schwein« gegenüber einem Polizeibeamten selbst begangen habe. Die beiden anderen Straftaten habe er zwar nicht selbst begangen, aber so gut wie: Mittels eines Megafons habe er andere dazu »aufgeheizt«, was den Richter zu dem Fazit führte: »Was andere getan haben, müssen Sie sich mit anrechnen lassen.«

Tatwaffe
Tatwaffe

Von dieser Überzeugung ließ sich das Gericht nicht abbringen – schon gar nicht durch Fakten: Weder der Hauptbelastungszeuge der Anklage – ein Anwohner, der den Vorfall von seinem Balkon aus beobachtet hatte – noch vier geladene Polizisten, die vor Ort waren, identifizierten Tim H. als jene Person, die vor einer Polizeisperre ein Megafon trug und je nach Erinnerungswillen gerufen haben soll: »Durchbrechen!« und/oder »Nicht abdrängen lassen!«. Auf dem Polizeivideo ist einzig und alleine zu hören:»Kommt nach vorne!«

Damit habe er sich der Mittäterschaft nach § 25, Absatz 2 StGB schuldig gemacht. Ein Paragraph, der in seinen esoterischen Ausführungen darlegt, wie man Täter ohne Tat werden kann, wenn es die wertende Betrachtung will:

»Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Jeder Beteiligte muß seinen Beitrag und den des anderen als Teil eines gemeinsamen Erfolges sehen. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen.(…) Für eine Tatbeteiligung als Mittäter reicht ein – auf der Grundlage gemeinsamen Wollens -die Tatbestandserfüllung fördernden Beitrag aus, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränken oder in einer geistigen Mitwirkung liegen kann.« (http://www.wiete-strafrecht.de/User/Darstellung/StGB/25%20StGB.html#mittaeterschaft)

 

Lassen wir einmal dieses Urteil, den Zauberstab § 25, Absatz 2 StGB so stehen, verbinden wir beides mit dem Gebot der Rechtsgleichheit, dann wird eine

Anklage wegen Beihilfe zu Mord in mindestens neun Fällen

die dem Nationalsozialistischen Untergrund/NSU zugeordnet werden

gegen

die zwischen 2000 und 2006 amtierenden Innenminister von Thüringen und Sachsen

gegen

die Behördenchefs der Verfassungsschutzämter in Thüringen und Sachen

und gegen

den Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz/BfV

zu einem sicheren, der Abschreckung dienenden Urteil zwischen drei und fünfzehn Jahren führen.

Genügen in diesem Land zur Verhängung einer Haftstrafe von fast zwei Jahren, ein Megafon und ein Gesetz, dem »geistige Mitwirkung« als Straftat völlig ausreichen,

dann kann man im Fall der längst fälligen Prozesse gegen führende Staatsbeamte von einem Berg von Beweisen ausgehen, von der Evidenz zahlreicher Tatbeiträge, ohne die es den Nationalsozialistischen Untergrund/NSU keine dreizehn Jahre gegeben hätte.

Thüringer Heimat Schutz - Verfassungs-Schutz
Thüringer Heimat SCHUTZ – Verfassungs-SCHUTZ

 

Kommt nach vorne! Ein Tatbeitrag.

Wer solche Richter hat, wer eine solche Staatsanwaltschaft beschäftigt und unterhält, der braucht keinen nationalsozialistischen ›Untergrund‹: Als wäre dieses Urteil nicht aberwitzig genug, möchte die Staatsanwaltschaft am Rad des Willensstrafrechts weiter drehen: Das Urteil ist ihr nicht hoch genug: »Das Strafmaß wird dem Unrechtsgehalt der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten nicht gerecht«, moniert die Behörde in einem Schreiben und beharrt auf ihrer ursprünglichen Forderung von zwei Jahren und sechs Monaten Haft. (Junge Welt vom 24.1.2013).

Die Staatsanwaltschaft Dresden legte Berufung gegen das Urteil ein.

Wolf Wetzel   Januar 2013

Beweise, Indizien, hinreichende Verdachtsmomente für einen längst fälligen Prozess finden sich hier:

Zwischenbilanz zur Mordserie des NSU

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