Nur die Toten finden hier ein besseres Leben.

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Das Massaker und die blutigen Tage von Gaza 2018.

Als ich im Fernsehen sah, dass am Karfreitag der Christen, zu Beginn des Pessach-Fests der Juden israelische Scharfschützen auf DemonstrantInnen schossen, war ich sprachlos und geübt. Mittlerweile hat man sich an Staatsverbrechen, an Kriegsverbrechen gewöhnt, zumal man gar nicht so schnell empört sein kann, wie das nächste Verbrechen das gerade sich ausbreitende verdrängt.
Aber, da war sicherlich noch etwas Irritierendes: Im deutschen Fernsehen wurde die Ermordung von DemonstrantInnen verständig erklärt und mit journalistischer Großtoleranz hingenommen.
Unentwegt kamen israelische Militärs, Politiker und „IsraelKenner“ zu Wort, die uns erklärten, dass dies keine DemonstrantInnen (ca. 20 – 30.000 Beteiligte) sind, sondern „Terroristen“, die Israel zerstören wollen. Außerdem seien sie selbst schuld, denn man habe klar kommuniziert: Wenn „wir“ uns bedroht fühlen, dann schießen wir auf euch. Und im Übrigen und ganz vor allem: Ihr habt gar kein Recht zu demonstrieren. Ihr begründet euer Anliegen mit einer Geschichte, die vorbei ist, gegessen, um genau zu sein: 70 Jahre, als zehntausende PalästinenserInnen im Zuge der israelischen Staatsgründung vertrieben wurden.

Die Geschichte beginnt, wenn ich es sage

Ich musste bei dieser Begründung sofort an ein Ereignis denken, dass nur wenige Monate zurückliegt. Der US-Präsident Trump hatte zum Jahresende 2017 beschlossen, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen und die US-Botschaft dorthin zu verlegen. Das verstößt zwar gegen alle internationalen UNO-Resolutionen, aber das macht nichts.
Das sah der Bruder im Geiste, der israelische Ministerpräsident Netanyahu genauso. Er zeigte sich hoch erfreut und bedankte sich für diesen längst überfälligen Schritt. US-Präsident Trump habe nur „die Fakten klar auf den Tisch gelegt“, indem er anerkannt habe, dass „Jerusalem seit 70 Jahren Hauptstadt Israels und seit 3.000 Jahren des jüdischen Volkes sei“, sagte Netanjahu. Es sei Zeit, dass auch „die Palästinenser den jüdischen Staat anerkennen und auch den Fakt, dass er eine Hauptstadt hat: Sie heißt Jerusalem.“ (welt.de, 11. Dezember 2017)
Über 17 Menschen wurden am „Tag des Bodens“ von Scharfschützen gezielt ermordet, an einem Tag. Ihre größte Gefahr bestand darin, dass sie sich einem Grenzzaun näherten, eine „Sicherheitszone“ ignoriert haben, die so viel Anspruch auf Rechtmäßigkeit hat, wie das Überschreiten.
Out-of-Controll
 
Die Frankfurter Rundschau/FR ging immerhin dieser Unverhältnismäßigkeit (die es in diesem Konext nur in der Möglichkeits- und Wahrscheinlichkeitsform gibt) nach und bekam von einem israelischen Armeesprecher die Antwort: Ja, man habe gezielt auf „Hauptanstifter“ geschossen. Das ist doch besser, als wenn man wahllos in die Menge schießen würde.
Vielleicht ging es der FR wie mir: Ich dachte mir: Wie kaputt muss man sein, um das zu befehligen, um dem zu gehorchen … und wie dreist, das so ganz offen zu vertreten. Und wie sicher muss er sich sein, dass mann Staatsverbrechen so seelenruhig begründen kann.

Die bedingungslose Feigheit

Diese gilt nicht nur für Israel. Das gilt auch und gerade für Deutschland, in der die Feigheit, diese Killerlogik so stehen zu lassen, also zu decken, eine brutal breite Rückendeckung hat: Von ganz rechts bis hin zur Staats-Linken, die die „bedingungslose Solidarität mit Israel“ zu ihrem Credo machen und gerade jetzt besonders ausgiebig schweigen. Das reicht ja auch als „Wiedergutmachung“ und passt doch so hervorragend in die „Aufklärung“ der in Deutschland begangenen NSU-Mordserie.
Und dann hat mich doch noch ein Brief aus der wütenden Resignation herausgerissen, der auf den „NachDenkSeiten“ veröffentlicht wurde – mit einem nachdenklichen Vorwort von Albrecht Müller:
„Wir bringen diesen zweiten Text nach dem gestrigen zu dem Massaker im Gazastreifen: „Nur die Toten finden hier ein besseres Leben.“ – Das Massaker und die blutigen Tage von Gaza.
Wir veröffentlichen diese Texte verbunden mit einem schlechten Gewissen. Wir, die für die NachDenkSeiten Verantwortlichen, haben etwas zu lange gebraucht, bis wir auf die Ereignisse im Gazastreifen in der Vor-Osterwoche zu sprechen kamen. Das war kein böser Wille. Wir entschuldigen uns trotzdem für die Verzögerung.“
Der erste Beitrag stammt von Jakob Reimann.
Der zweite Beitrag ist ein Brief von Abed Schokry. Er studierte in Darmstadt Maschinenbau und promovierte in Berlin. Seit 2007 lebt er wieder in Gaza Stadt.
https://www.nachdenkseiten.de/?p=43361
https://www.nachdenkseiten.de/?p=43380
 
Die Reise nach Jerusalem. Kein Kinderspiel: https://wolfwetzel.wordpress.com/2017/12/30/die-reise-nach-jerusalem/
Wolf Wetzel

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