Forderung nach einem PUA in Baden-Württemberg

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Aufklärung tut not – für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Landtag

Zwei Jahre nach der Entdeckung der Existenz einer organisierten Naziterrorgruppe namens „Nationalsozialistischer Untergrund“ treten immer neue Merkwürdigkeiten, Unklarheiten und Ungereimtheiten zutage. Durch Ermittlungen der Polizei und den Münchner Prozess, aber auch durch parlamentarische Untersuchungsausschüsse des Bundestages und der Landtage in Thüringen, Sachsen und Bayern wird immer mehr über die Verbrechen der „NSU“ bekannt. Ein mehr als merkwürdiges Licht fällt auch auf die Verstrickung der Behörden und ihrer „V-Leute“ in diesen Sumpf.
Obwohl zahlreiche Spuren nach Baden-Württemberg weisen, obwohl gerade auch in Baden-Württemberg Ermittlungspannen bekannt wurden und die Rolle der Geheimdienste unklar ist, gibt es in diesem Bundesland – anders als in Sachsen, Thüringen und Bayern – bisher keinen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der diesen Fragen nachgeht.

Der beim Landeskriminalamt eingerichtete Ermittlungsausschuss „Umfeld“, der seine Untersuchungsergebnisse nicht der Öffentlichkeit vorstellen muss, ist alleine nicht geeignet, um die notwendige Klarheit und Transparenz herzustellen.
Nur einige Beispiele für aufklärungsbedürftige Sachverhalte seien genannt:
In der ausgebrannten „NSU“-Wohnung in Zwickau wurden Stadtpläne und andere Dokumente gefunden, die Hinweise auf ausgespähte Anschlagsziele und Fluchtrouten in Baden-Württemberg enthielten.
Die größten Rätsel gibt der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter am 25. April 2007 auf der Heilbronner Theresienwiese auf. Trotz des hohen Nachdrucks, mit dem Morde an Polizeiangehörigen sonst aufgeklärt werden, tappten die Behörden von einer Ermittlungspanne in die nächste und immer im Dunkeln. Erst als beim Auffliegen des Terrortrios am 4. November 2011 in Eisenach im  ausgebrannten Wohnmobil die Waffen der ermordeten Polizistin und ihres Kollegen sowie deren Handschellen gefunden wurden, ging die Polizei von einem rechtsterroristischen Hintergrund aus und ordnete die Taten dem „NSU“ zu.
• Warum spielte bei den Ermittlungen nie der Hinweis eine Rolle, den eine „V-Frau“ dem baden-württembergischen Landesamt für Verfassungsschutz schon kurz nach der Tat gegeben hatte, wonach Neonazis aus Schwäbisch Hall in die Ereignisse verwickelt waren?
• Warum wurde niemals nachdrücklich vier Phantombildern der Täter nachgegangen, die kurz nach dem Heilbronner Mord von Zeugen erstellt wurden? Keines ähnelt den Mitgliedern des Terrortrios, eines aber verblüffend einem polizeibekannten Nazifunktionär, ehemaligen Söldner, einschlägig Vorbestraften und mutmaßlichen „V-Mann“ aus der Region?
• Warum hielten sich am Tag des Heilbronner Mordes mindestens fünf Mitarbeiter von Geheimdiensten auf oder in der Nähe der Theresienwiese auf?
• Welche Verbindungen bestehen zum baden-württembergischen „Ku-Klux-Klan“, dessen Gründer und Leiter, wie jetzt vom Innenministerium bestätigt wurde, ein „V-Mann“ des baden-württembergischen Verfassungsschutzes war? Der Gruppenführer der ermordeten Polizistin war zusammen mit mindestens einem weiteren Polizisten ebenfalls Mitglied dieser rassistischen Gruppe.
• Was hat es mit dem Todesfall am 16.9. 2013 auf dem Cannstatter Wasen auf sich? Dort wurde ein junger Neonazi angeschnallt und verbrannt in seinem Auto gefunden. Er war an diesem Tag  nach Stuttgart gefahren, um beim Landeskriminalamt zum Mordfall in Heilbronn auszusagen. Zuvor schon hatte er Hinweise auf eine ihm bekannte weitere Naziterrorgruppe namens „Neoschutzstaffel – NSS“. gegeben, die in Baden-Württemberg aktiv sei.
• Warum weicht der Heilbronner Polizistenmord vom sonstigen Tatschema des „NSU“ so offensichtlich ab? Warum wurde die Mordserie an Gewerbetreibenden mit Migrationshintergrund (mit immer derselben Waffe!) nach der Heilbronner Tat abgebrochen?
Sowohl die Öffentlichkeit als auch die verantwortlichen Politiker/innen und natürlich auch die Justiz haben ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren und zu ermitteln.
Der DGB Nordwürttemberg, die Jungsozialisten, die Linke, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten e.V. und andere haben bereits die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gefordert.
Bitte unterstützen auch Sie diese Forderung und verleihen ihr mit Ihrer Unterschrift Nachdruck:
http://untersuchungsausschussjetzt.vvn-bda.de/aufruf/

Mordfall Kiesewetter: Appell fordert Untersuchungsausschuss

Aufklärung sei Schlüsselfrage für den gesamten Komplex der NSU-Ermittlungen und des Rechtsterrorismus / Online-Petition gestartet

Politiker, Gewerkschafter und Antifaschisten haben in einem Aufruf die sofortige Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Klärung der Ermittlungspannen und Ungereimtheiten im Mordfall an der Polizistin Michèle Kiesewetter gefordert. Die Beamtin war im April 2007 getötet worden, aufgrund von Waffenfunden gilt der neonazistische NSU als Täter. Der Fall, so heißt es in einem Aufruf, sei »eine Schlüsselfrage für den gesamten Komplex« der NSU-Ermittlungen »und des Rechtsterrorismus überhaupt«.
Zur Begründung verweisen die Unterzeichner[1] darauf, dass »dieses Verbrechen von dem Tatmuster der sonstigen NSU-Morde« abweiche. Auffällig sei auch, dass die gesamte Mordserie der NSU nach der Heilbronner Bluttat abgerissen sei. Um der Forderung nach einem Untersuchungsausschuss Nachdruck zu verleihen, wurde eine Online-Petition gestartet[2].
Ein Untersuchungsausschuss war bereits von der Linkspartei, den Jusos und anderen gefordert worden. »Wir hoffen sehr, dass diese Kampagne dazu beiträgt, nun endlich die Blockade aufzuheben, die es derzeit im Landtag gegen einen solchen unabdingbar notwendigen Untersuchungsausschuss gibt«, sagte[3] Janka Kluge, Landessprecherin der VVN-BdA.
Die von Naziopfern gegründete Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten hat die Kampagne angeregt. Zu den Initiatoren des Appells gehören Politiker der Grünen, der SPD, der Linkspartei, darunter Bundestagsabgeordnete, Journalisten wie Wolf Wetzel, der Politikwissenschaftler Hajo Funke sowie Vertreter von IG Metall, DGB, antifaschistischer und anderer Gruppen.
Eine zentrale Frage für den Untersuchungsausschuss sei es, »warum die Ermittlungsbehörden nie mit Nachdruck den Phantombildern nachgegangen sind, die unmittelbar nach der Tat von Zeugen des Hergangs angefertigt wurden«. Diese würden auf mehr als zwei Täter hinweisen und keines gleiche »den als Schuldigen ermittelten Naziterroristen Mundlos und Böhnhardt«. Zuletzt war zudem über weitere Ungereimtheiten im Zusammenhang mit einem Phantombild berichtet worden[4].
Auch eine mögliche Verwicklung von Geheimdiensten und Sicherheitsbehörden in den Rechtsterrorismus bedürfe dringend der Aufklärung, immerhin hätten sich »am Mordtag mindestens fünf Geheimdienstmitarbeiter in der Nähe des Tatortes« aufgehalten, so die Initiatoren. Zudem würden durch den Tod eines Neonaziaussteigers, der im September 2013 kurz vor einer Aussage beim Landeskriminalamt in seinem Wagen verbrannte Fragen auf. »Nach der Darstellung der Ermittlungsbehörden handelte es sich um einen Selbstmord, obwohl eine Reihe von Indizien dagegen sprechen«, heißt es.” nd vom 1.2.2014

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