Der König, seine Bären und die Drachen | Anno 2021/22

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Der König und seine Bären | Anno 2021/22

Ähnlichkeiten mit anderen Märchen sind rein zufällig

1 n.C.

Es war einmal ein König, der gerne ausschweifige und opulente Feste feierte und dabei viel Geld ausgab. Deshalb schickte er seinen Schatzmeister immer wieder los, um noch mehr Geld aus seinen Untertanen herauszupressen.

 

Doch diese waren es leid und der Schatzmeister berichtete seinem König:

„Die Leute wollen nicht mehr Steuern bezahlen, mein König. Das letzte Mal waren sie gar feindlich gesinnt und machten bedrohliche Anstalten.“

Der prall gefüllte, reich geschmückte König schaut ihn ungeduldig und mürrisch an.

„Aber ich will meine Feste feiern. Dann nimm mehr Soldaten mit. Was fällt denen ein. Ich bin ihr König.“

„Mein König, das wird nicht viel bringen. Ich befürchte gar, dass sie aufbegehren werden. Wir müssen uns etwas einfallen lassen.“

Der König dreht an seinen dicken Goldringen und streicht über seinen edlen Rock.

„Du hast doch kürzlich Bären in meinem Königreich gesehen.“

Der Schatzmeister will es wissen: „Mein König, ich verstehe den Zusammenhang nicht. Was hat das … “

„Genug.“ Der König bekommt blutunterlaufene Augen.

„Du gehst los und sagst den Bauern, dass du Bären gesehen hast, die sehr gefährlich sind und ihnen das Letzte nehmen, was sie noch haben.“

Der Schatzmeister schaut seinen Herrn mit zusammengekniffenen Augenbrauen an.

„Du sagst ihnen, dass der König sie beschützen wird, vor den gefährlichen Bären, wenn …

Des Schatzmeisters Augenbrauen glätten sich wieder.

„… wenn sie die geforderten Steuern zahlen. Das wird ihnen ihr Leben wert sein. Los, geh.“

 

Und siehe da, der Schatzmeister zieht los und kommt mit einer gut gefüllten Schatztruhe zurück.

Und wenn der König nicht gestorben ist, dann gehen diese Feste weiter.

Der König, seine Bären und die Drachen

3.n.C.

Es steht wieder ein opulentes Fest zu Hofe an. Außerdem hat der König noch ganz viele Schulden vom letzten Kriegszug, den er verloren hat. Er braucht also noch mehr Geld und ruft den Schatzmeister zu sich.

 

 

„Du weißt, was du tun musst. Nimm noch mehr Soldaten mit und erzähle von noch mehr Bären, Bären, die noch viel gefährlicher sind als die bisherigen.“

Der Schatzmeister seufzt möglichst leise. Es hat keinen Sinn, den König davon zu überzeugen, dass sein Volk müde ist und einfach nicht mehr kann … und will.

Der Schatzmeister macht eine flüchtige Verbeugung und nimmt noch mehr Soldaten mit und zieht los. Er wird schon erwartet. Der Dorfplatz ist gefüllt. Die Menschen schauen sehr verärgert und sehr zornig aus.

Die Soldaten und die BewohnerInnen stehen sich lange schweigsam gegenüber. Jeder wartet, dass der andere etwas macht.

Dann tritt ein Junge aus den Reihen, die den Soldaten gegenüberstehen. Er ist besonders. Er hinkt und hat ein funkelndes und ein pechschwarzes Auge. Der Junge stößt mit seinem Gehstock die Soldaten beiseite und geht alles andere als geschmeidig auf den Schatzmeister zu, der sich hinter seinen Soldaten verschanzt hat.

„Verehrter Schatzmeister, ich muss Ihnen etwas berichten.“

Der Schatzmeister schaut zu seinen Soldaten, schaut in die finsteren Gesichter der DorfbewohnerInnen und macht eine Handbewegung, die wohl bedeuten soll, dass der Junge es schnell hinter sich bringen soll.

„Ich habe die Bären gesehen, vor denen Sie uns immer warnen.“

Der Schatzmeister macht eine große Geste in Richtung BewohnerInnen und beendet den Ausflug siegessicher:

„Na also, dann ist doch jetzt alles klar.“

Er stößt den Jungen, damit er wieder in seine Reihe zurückkehrt, doch dieser weicht unerwartet geschickt aus.

„Ja, mein Schatzmeister. Das war nicht alles.“

Der Schatzmeister macht eine ganz kleine Geste, als wolle er eine Fliege verscheuchen.

„Ich habe auch noch viel größere Drachen gesehen. Ja, mein Schatzmeister, riesige Drachen, mit Flügeln, die …“

Er zeichnet mit seinem Stock einen Bogen, der wahrlich vom Himmel bis zur Erde reicht.

„Und ich habe mit meinen eigenen Augen gesehen, dass die Drachen die Bären vertrieben haben. Sie sind nicht mehr da. Ich schwöre es.“

Der Schatzmeister schüttelt heftig den Kopf.

„Das ist doch ein Märchen, einen Bären, den Du uns hier aufbinden willst. Jetzt reicht es aber wirklich.“

Der Junge bleibt ganz cool.

„Mein großer Schatzmeister, wir können in den Wald gehen, alle zusammen. Und ich kann Ihnen die Stelle zeigen, wo die Drachen uns vor den Bären beschützt haben.“

Der Schatzmeister schaut von ganz oben nach ganz unten. Dann schaut er zu seinen Soldaten, zu seinem Hauptmann, der mit einem ganz kleinen Handzeichen ein ‚Nein‘ signalisiert.

Der Schatzmeister versteht sofort und wendet sich an die DorfbewohnerInnen, deren Gesichter fast etwas Verschmitztes haben, ohne allzu offensichtlich zu sein.

„Also meine Untertanen. Lassen wir die Sache mal so stehen. Wir ziehen weiter.“

Sein Blick richtet sich an seine Soldaten, von deren Gesichter man nicht ablesen kann, ob sie das Ganze für eine Falle oder ein haarsträubendes Märchen halten.

Als die Soldaten das Weite gesucht hatten, die DorfbewohnerInnen wieder unter sich waren, warf der Junge seinen Stock in die Luft und machte mehrere Saltosprünge. Beim dritten breitete er die Arme aus, ganz weit, bis sie den Flügeln des Drachens ganz ähnlich waren. So landete er in den Armen der DorfbewohnerInnen.

 

Wolf Wetzel

Diese Parabel habe ich Ende 2021 geschrieben, als der “König” Gesundheitsminister  Karl Lauterbach hieß und zu den “Schatzmeistern”, also Eintreibern auch jene gehörten, die eigentlich “Könige” nicht mögen – mit dieser Ausnahme eben.

Dass die Figur des Bären ein Jahr später eine so reale Bedeutung bekommen sollte, konnte ich nicht wissen. Nun hat der “Krieg gegen Putin” (Karl Lauterbach) den “Krieg gegen das Virus” (französischer Staatspräsident Macron)  abgelöst. Dabei gibt es einen bedeutsamen Unterschied: Unter dem “Virus” konnte  man sich viel vorstellen, ein unbeschriebenes Blatt eben. Mit dem Krieg gegen Russland bekommt hingegen der “Bär” eine historische Matrix.

Mit Blick auf Russland sprach man gerne vom “roten Bären”, der eigentlich ganz lieb ist, wenn man ihn im Nasenring durch die Manege des eigenen Freizeitvergnügens führt. Aber, das weiß man eben auch: Der “rote Bär” ist sehr gefährlich, wenn man es mit dem Nasenring übertreibt.

Ein freundlicher Zuträger ergänzte das Bild, “jemanden einen Bären aufbinden“, um dessen Bedeutung. Demnach soll der Wortstamm “bar” aus dem germanischen kommen und Last bedeuten.

So verstanden haben wir es gerade mit einer Alt-Last zu tun.

24. Dezember 2022

 

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