Die Brandstifter sind umgezogen – Tag X 15

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Die Brandstifter sind umgezogen – Tag X 15

Die Abschaffung des Asylrechts 1993 – eine Bilanz

Tag X – ›Die Brandstifter sitzen in Bonn‹

Die Blockade des Bundestages am 26.5.1993

Die Mauer (zwischen Ost- und Westberlin) war kaum gefallen, da machten sich die Parteien von CSU/CDU bis hin zur SPD daran, eine viel längere und höhere Mauer zu ziehen – diesmal nicht quer durch deutsche Lande/mittendurch, sondern um das wiedervereinigte Deutschland herum.

Das ideologische Fundament für die Festung Deutschland lieferte die ›Große Koalition‹, die Freigabe rassistischer Theoreme und Gewalt hatte Regierungscharakter und System:

Die Anfang der 90er Jahre von CDU bis SPD entfachte ›Asylflut‹-kampagne markierte und lokalisierte die Opfer: Am 12.09.1991 forderte u.a. Volker Rühe, Generalsekretär der CDU, in einem Rundschreiben die gesamte Partei auf, die »Asylpolitik zum Thema zu machen«.

Die potenziellen Täter/innen wurden mit einem prallen Argumentationskoffer auf den Weg geschickt: Von »Das Boot ist voll«[2] … »Es kann nicht sein, dass ein Teil der Ausländer bettelnd, betrügend, ja auch messerstechend durch die Straßen ziehen, festgenommen werden und nur, weil sie das Wort ›Asyl‹ rufen, dem Steuerzahler auf der Tasche liegen.«[3] … über den SPD-Rausschmeißer Friedhelm Farthmann »Kurzen Prozess, an Kopf und Kragen packen und raus damit!«[4] bis hin zum drohenden, angedrohten »Staatsnotstand«[5]

Je nach blutigem Erfolg wurde der rassistische Anschlag zunächst, also heuchlerisch bedauert, um im selben Atemzug wirkliches Verständnis für die »berechtigten Sorgen und Ängste der deutschen MitbürgerInnen« zu bekunden.

Dem folgte die Aufforderung, schleunigst das Grundrecht auf Asyl abzuschaffen, mit dem unausgesprochenen Versprechen, den Terror der Straße in ein institutionalisiertes, geordnetes Verfahren überzuführen.

Das blies auch vielen ›Lichterketten‹ das Licht aus, die den Terror der Straße beklagten, aber nichts gegen eine geregelte, also von wirtschaftlichen Interessen bestimmte ›Zuwanderung‹ einzuwenden hatten, die den ›nützlichen Ausländer‹ ins Herz bzw. in den Kapitalkreislauf einschließt.

Es war dieses Duo aus ›Regierungs-Politik‹ und ›aufgebrachtem Volk‹, das in mörderischem Einklang dabei war, ein wesentliches Erbe aus der militärischen Kapitulation des deutschen Faschismus zu beseitigen: Die Verpflichtung, Menschen Schutz zu gewähren, die aus religiösen, politischen und weltanschaulichen Gründen verfolgt werden und um ihr Leben fürchten müssen.

Mitte 1992 machte die autonome L.U.P.U.S.-Gruppe den Vorschlag, am Tag der Abschaffung des Grundrechtes auf Asyl den Bundestag in Bonn zu blockieren. Viele autonome, außerparlamentarische und antifaschistische Gruppierungen beteiligten sich damals in antirassistischen Initiativen – nicht so sehr aus politischer Überzeugung, sondern der Not gehorchend. Die Hoffnung, dass mit diesem bundesweiten Aufruf alle außerparlamentarischen, antifaschistischen und militanten Gruppierungen zusammen gebracht werden könnten, erfüllte sich jedoch nicht. Sehr schnell stellte sich heraus, dass viele autonome Gruppen starke Bedenken hatten, derart defensiv aufzutreten, als Verteidiger von Grundrechten, zugespitzt formuliert, als Verfassungsidealisten.

Selbst der Verweis auf die Dialektik von (bürgerlichem) Recht und Widerstand, von Legalität und Legitimität konnte nicht wirklich umstimmen. Eine grundsätzliche Diskussion blieb aus, deren Bedeutung nichts an Aktualität eingebüßt hat:

»Die schnelle Ablehnung dieses Raums (die öffentliche Debatte um die Berechtigung der Grundgesetzänderung, d.V.) als reformistische Spielwiese ist hier wie so oft falsch. Die Verfasstheit der Gesellschaft ist immer umkämpft. In sie haben sich in der Vergangenheit auch zahlreiche Kämpfe von links eingeschrieben, die zwangsläufig nicht unmittelbar revolutionär waren. Reformistisch ist die Verlängerung dieser Kämpfe in eine Strategie der schrittweisen Systemüberwindung. Da wir von einem weiter sich verschärfenden gesellschaftlichen Klima, von härterem staatlichen Durchgreifen gegen Flüchtlinge und von einer anhaltenden Krise der fordistischen Produktionsweise ausgehen, stellt sich die Frage, ob es nicht ein Ansatz sein könnte, der bürgerlichen Demokratie ihre Demontage vorzuhalten, die Verfassung von denen einzuklagen, die vorgeben, ihre Patrioten zu sein?«[6]

Auch wenn zeitliche Überforderungen dazukamen, so waren doch diese politischen Vorbehalte entscheidend dafür, dass sich in die mehrmonatigen Vorbereitungstreffen nur ca. 20 – 30 Gruppierungen einbinden ließen. Interessanterweise waren die Hochburgen autonomer/militanter Politik, Hamburg und Berlin, relativ schwach, während Gruppen aus dem internationalistischen Spektrum stark vertreten waren.

Die Frage, wie man die Idee einer Blockade in Bonn umsetzen konnte, nahm den größten Raum ein. Das Zutrauen war nicht umwerfend, nachdem klar wurde, dass die anwesenden Gruppen nur eine (Eigen-)Mobilisierung von ca. 1.500 Menschen ›garantieren‹ konnten. Eine Materialblockade wurde nach längeren Diskussionen verworfen. Schließlich einigte man sich auf eine Menschenblockade, in der Hoffnung, damit auch andere Organisationen/Gruppierungen wie das Spektrum des ›Trägerkreis Aktion Asyl‹ gewinnen zu können. Auch die zweite Frage, ob man von vorneherein die ›Bannmeile‹ rund um den Bundestag übertreten wolle, wurde angesichts des zu erwartenden Polizeigroßaufgebots negativ beantwortet. Man einigte sich auf vier zentrale Punkte, die den Zugang zum Bundesstag erschweren bzw. verunmöglichen sollten – Blockadepunkte, die allesamt außerhalb der Bannmeile lagen. Ob wir tatsächlich die Bundestagssitzung aufgrund der fehlenden Zahl von Abstimmungsberechtigten ›platzen‹ lassen oder nur deren Eröffnung verzögern konnten, hing im Wesentlichen davon ab, wie viele sich dem Blockadekonzept anschließen würden, die nicht direkt an den Vorbereitungen beteiligt waren. Mit dieser unbekannten Variablen X wurden die Aufgaben an die verschiedenen Gruppen verteilt, ein Kommunikationsnetz aufgebaut (zum ersten Mal vertraute man dabei der ersten Mobilfunkgeneration), um die verschiedenen Blockadepunkte miteinander zu verbinden und gegebenenfalls ›Verschiebungen‹ vornehmen zu können. Aus einen einfachen und bestimmten Grund …

Die ›Festung Bonn‹

Die Taktik der Bonner Polizeiführung lässt sich am besten mit Marcuses Worten von der ›repressiven Toleranz‹ umschreiben. Einerseits wurden Medien und Öffentlichkeit auf eine ›Festung Bonn‹[7] eingeschworen, die einen reibungslosen Ablauf der Abschaffung des Asylrechts garantieren sollte. Im Rahmen dieses martialischen Polizeiaufgebots zeigte man sich jedoch ›gesprächsbereit‹. Nachdem ein Anschreiben, mit der Polizeiführung zusammen die Blockade des Bundestages zu besprechen, abgelehnt wurde, wandte sie sich an eine Bonner Gruppe, die in die Vorbereitungen eingebunden war, um ihr eine sinnlose ›Ortsbesichtigung‹ anzubieten.

Auch ohne dieses Angebot war allen Beteiligten klar, dass das Polizeikonzept eine gewaltsame Räumung der Blockadepunkte nicht unbedingt vorsah – sollten sich andere Wege finden, die Bundestagsabgeordneten an ihren Abstimmungsort zu eskortieren. Wenn also der ›Landweg‹ ausfiel, blieb nur noch der Luft – bzw. Wasserweg übrig. Per Hubschrauber Bundestagsabgeordnete einfliegen zu lassen, hätte nicht in das Bild gepasst, das unbedingt den Anschein größtmöglichster Normalität wahren wollte. Wir rechneten also damit, dass viele Abgeordnete per Schiff dorthin gelangen würden – eine Anlegestelle befand sich in unmittelbarer Nähe des Bundestagsgeländes.

Sollte sich diese Annahme bewahrheiten und die tatsächliche Anzahl der BlockadeteilnehmerInnen dazu ermutigen, war geplant, den Blockadepunkt nahe der Anlegestelle dorthin zu ›verlegen‹, was neben der ›Bannmeilenverletzung‹ eine deutliche Zuspitzung bedeutet hätte.

Aus Frankfurt fuhren die Busse um 3 Uhr morgens los, mit einem eigenen Kurierdienst ausgerüstet, um mögliche Straßenkontrollen und andere Schikanen zu umfahren. Tatsächlich gelang es, über einige Umwege und dank abenteuerlustiger Busfahrer, um kurz nach 6 Uhr in Bonn anzukommen. Auch ein Schiff, das von Frankfurt aus losfuhr, kam mit über 200 DemonstrantInnen an Bord pünktlich an. Die vier Blockadepunkte wurden ab 8 Uhr morgens eingenommen. Man wusste aus den Mitteilungen an Parlamentarier, dass sie möglichst früh anreisen sollten, damit die geplante Eröffnung der Bundestagssitzung um 10 Uhr nicht in Gefahr geriet. Tatsächlich blieben immer wieder Parlamentarier in den Blockaden hängen. Parlamentarier, die entweder alle mit ›Nein‹ stimmen wollten oder gleich die Polizei zu Hilfe riefen. Diese verhielt sich im Großen und Ganzen erwartungsgemäß. Sie wollte ihnen den Weg nicht freiprügeln, sondern verwies tuschelnd auf den Wasserweg.

Nachdem der Koordinierungsrat genug und sichere Informationen hatte, dass die ›Schiffsvariante‹ überwiegend genutzt wurde, entschied man sich, den Blockadepunkt an die Anlegestelle vorzuziehen. Da jedoch die Variable X, die Zahl derer, mit denen wir nicht rechneten, überschaubar klein, also bedeutungslos blieb, war ein Vordringen an die Anlegestelle mit ›Masse‹ nicht möglich – zumal das Überraschungsmoment mehr als kalkulierbar war. Der Plan war großartig, der Versuch scheiterte.

Es war vielleicht 11 Uhr, als die Information durchsickerte, dass die Bundestagssitzung in wenigen Minuten eröffnet werden würde. Daraufhin wurde die Entscheidung getroffen, die Blockadepunkte aufzulösen und zu einem großen Demonstrationszug zusammenzuführen. Es waren möglicherweise 3 -4000, als über den Lautsprecherwagen der Vorschlag gemacht wurde, in die Theodor-Heuss-Allee zu ziehen, die direkt auf den Bundestag führte. Da es über die Blockade hinaus keine Absprachen und kein Konzept gab, wurde dieser Vorschlag zur Abstimmung gestellt. Eine übergroße Mehrheit stimmte zu. Als der Demonstrationszug in die Theodor-Heuss-Allee einbog, war diese bis auf den letzten Zentimeter von Polizeieinheiten vollgestellt. Die Aufforderung an die Polizei, den Weg freizumachen, um ungehindert der gesetzgeberischen Versammlung bei ihrer verfassungsfeindlichen Tätigkeit beizuwohnen, blieb ungehört. Sie hatte andere Anweisungen: Es folgten Wasserwerfer- und Knüppeleinsätze … und mit etwas Verspätung Parlamentarier, die mit einer Zweidrittelmehrheit einem ›Asylkompromiss‹ zustimmten, der die Gesinnung jener erahnen lässt, die die de facto Abschaffung des Asylrechts für einen Kompromiss hielten.

Was an diesem Tag passierte, was an diesem Tag befürchtet wurde, was möglich gewesen wäre, fasst ein Bericht der Frankfurter Neue Presse/FNR vom 27.5.1993 zusammen:

»Abgeordnete auf Schleichwegen zum Bundestag.

Die Polizei schaute ruhig zu, als gestern 10.000 Gegner der Asylrechtsänderung das Bonner Regierungsviertel völlig abriegelten und Abgeordnete, Mitarbeiter des Bundestages und Journalisten mit Gewalt am Zutritt hinderten. Die 4.000 zur Sicherheit des Bundestages während der Asyldebatte aufgebotenen Polizisten kontrollierten hinter Stacheldraht obendrein die Ausweise derjenigen, denen es gelungen war, die Blockade der Demonstranten zu durchbrechen. Durch die beispiellose Aktion, mit der die Demonstranten sämtliche Zufahrtswege versperrten, wurde die Arbeit in der Bannmeile des Regierungsviertels lahmgelegt.

130 Abgeordnete mussten mit Hubschraubern eingeflogen werden, um zur Parlamentsdebatte zu gelangen. 260 Parlamentarier kamen mit einem Ausflugsschiff über den Rhein; andere schlugen sich zu Fuß oder mit dem Auto zum alten Wasserwerk durch. Viele wurden angepöbelt. Vereinzelt kam es zu Schlägereien zwischen Demonstranten und Abgeordneten. Das Redemanuskript des Abgeordneten Wolfgang Ullmann von der Gruppe Bündnis 90/Grüne wurde bei dem Versuch, die Sperren zu durchbrechen, zerfetzt. Dem CDU-Abgeordneten Manfred Kolbe wurde die Brille von der Nase geschlagen. Die Demonstranten versuchten, ihm die Aktentasche wegzunehmen. Der in Deutschland weilende Außenminister von Mali kam, von Demonstranten aufgehalten, zu spät zum Gespräch mit Staatsminister Helmut Schäfer ins Auswärtige Amt. Ein Fernsehkorrespondent wurde blutig geschlagen. Autos wurden beschädigt. Mit Sprechchören forderten die Demonstranten zwischendurch: ›Um Europa keine Mauer, Bleiberecht auf Dauer‹.

Nach Augenzeugenberichten wurden die Demonstranten gegen mittags zunehmend aggressiver. Plötzlich warfen mehrere Hundert vermummte Mitglieder autonomer Gruppen Flaschen und Pflastersteine auf die Polizeikette. 13 Polizisten wurden verletzt, sechs Streifenwagen beschädigt. Acht Randalierer wurden vorübergehend festgenommen.

Wegen der Tatenlosigkeit der Polizei forderten Bundestagsabgeordnete den Rücktritt des Bonner Polizeipräsidenten Michael Kniesel. Der Abgeordnete Hartmut Koschyk (CSU) nannte es unverständlich, wie ein Schiff mit 200 Demonstranten aus Frankfurt in unmittelbarer Nähe des Bundeshauses habe anlegen dürfen. Dagegen hießen CDU-Generalsekretär Peter Hintze und der SPD-Abgeordnete Hans-Jochen Vogel das Einsatzkonzept gut. Kniesel verteidigte sich: ›Eine Straßenräumung hätte zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen geführt‹. Das Hauptziel, die Abgeordneten sicher und rechtzeitig in den Bundestag zu bringen, sei erreicht worden.«

Eine gnadenlose Bilanz

Einige hielten die damalige Analyse, der Asylrechtsparagraf 16.2. im Grundgesetz werde nicht ›verschärft‹, sondern abgeschafft, für alarmistisch und übertrieben. In der Tat, rein sprachwissenschaftlich wurde der Grundrechtsartikel 16.2 nicht abgeschafft, sondern ›ergänzt‹, in der schärfsten Auslegung wurde nur seine Anwendung ›eingeschränkt‹.

Welche Auswirkungen dies seitdem hat, nicht semantisch sondern im wirklichen Leben derer, die existenziell darauf angewiesen sind, dokumentiert u.a. die staatseigene Bundeszentrale für politische Bildung, die nicht gerade für ihre ›systemfeindliche‹ Gesinnung bekannt ist:

»Sinkende Asylbewerberzahlen im Zuge restriktiver Asylpolitik

Asylrechtsreform, flankierende Maßnahmen und verschärfte Grenzkontrollen drückten die Zahlen der Asylsuchenden 1993 auf ca. 320.000 und 1994 sowie 1995 sogar auf ca. 127.000 und ließen sie fortan noch weiter sinken: 1998 unterschritten die Zahlen wieder die Schwelle von 100.000 (98.644), sanken 1999 (95.113) und 2000 (78.564) weiter und lagen 2001 bei 88.287 sowie 2002 bei 71.127.

›Festung Deutschland‹: Drittstaatenregelung und weitere Abwehrmaßnahmen
Die historische Botschaft des alten Artikels 16 GG trägt nicht mehr seit der Änderung des Grundrechts auf Asyl im ›Asylkompromiss‹, der am 1. Juli 1993 rechtskräftig wurde. Nach dem seither gültigen Artikel 16a GG hat in aller Regel keine Chance mehr auf Asyl,

wer aus ›verfolgungsfreien‹ Ländern stammt oder über so genannte ›sichere Drittstaaten‹ einreist, mit denen Deutschland lückenlos umgeben ist. Die Folge: Die Bundesrepublik ist für Asyl suchende Flüchtlinge de jure auf dem Landweg legal kaum mehr erreichbar.«[8]

Was sich zwischen, hinter diesen vielen Anführungszeichen verbirgt, belegt eine andere, blutige Statistik:

»Die Zahl der Flüchtlinge, die in der BRD Asyl beantragten, war 2007 mit 19.164 die niedrigste seit 31 Jahren. Zugleich wurden bei 28.572 Entscheidungen des Bundesamtes nur 304 (!) Personen als Asylberechtigte anerkannt (1,1 %). 6.893 (24,1 %) Menschen erhielten einen Abschiebeschutz nach § 60 Abs.1 des Aufenthaltsgesetzes.

Die vorliegende Dokumentation zeigt in über 5.000 Einzelgeschehnissen die Auswirkungen des staatlichen und gesellschaftlichen Rassismus auf die Betroffenen. Auf Flüchtlinge, die gehofft hatten, in diesem Land Schutz und Sicherheit zu finden, und letztlich an diesem System zugrunde gingen oder zu Schaden kamen. Die jährlichen Zahlen der Dokumentation sinken im Gegensatz zu den Zahlen der AsylbewerberInnen n i c h t. Sie bleiben konstant. Auszugehen ist von einer wesentlich höheren Dunkelziffer.

Die Dokumentation umfasst den Zeitraum vom 1.1.1993 bis 31.12.2007:

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Link zum Video von Osapaso auf YouTube: www.youtube.com/watch?v=FAhdDWcCFb8

  • 174 Flüchtlinge starben auf dem Wege in die Bundesrepublik Deutschland oder an den Grenzen, davon allein 130 an den deutschen Ost-Grenzen,
  • 475 Flüchtlinge erlitten beim Grenzübertritt Verletzungen, davon 295 an den deutschen Ost-Grenzen,
  • 149 Flüchtlinge töteten sich angesichts ihrer drohenden Abschiebung oder starben bei dem Versuch, vor der Abschiebung zu fliehen, davon 56 Menschen in Abschiebehaft,
  • 746 Flüchtlinge verletzten sich aus Angst vor der Abschiebung oder aus Protest gegen die drohende Abschiebung (Risiko-Hungerstreiks) oder versuchten, sich umzubringen,
  • davon befanden sich 449 Menschen in Abschiebehaft,
  • 5 Flüchtlinge starben während der Abschiebung und
  • 356 Flüchtlinge wurden durch Zwangsmaßnahmen oder Misshandlungen während der Abschiebung verletzt,
  • 29 Flüchtlinge kamen nach der Abschiebung in ihrem Herkunftsland zu Tode, und
  • 441 Flüchtlinge wurden im Herkunftsland von Polizei oder Militär misshandelt und gefoltert
  • oder kamen aufgrund ihrer schweren Erkrankungen in Lebensgefahr,
  • 70 Flüchtlinge verschwanden nach der Abschiebung spurlos,
  • 13 Flüchtlinge starben bei abschiebe-unabhängigen Polizeimaßnahmen,
  • 405 wurden durch Polizei oder Bewachungspersonal verletzt, davon 129 Flüchtlinge in Haft.
  • 67 Flüchtlinge starben bei Bränden oder Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte,
  • 744 Flüchtlinge wurden z.T. erheblich verletzt,
  • 14 Flüchtlinge starben durch rassistische Angriffe auf der Straße und
  • 719 Menschen wurden verletzt.
  • Durch staatliche Maßnahmen der BRD kamen seit 1993 mindestens 370 Flüchtlinge ums Leben – durch rassistische Übergriffe und Brände in Flüchtlingsunterkünften starben 81 Menschen.«[9]

Die Gründe, gegen diese Abschaffung des Asylrechts zu demonstrieren, gegen das neue Grenzregime, das einen Grundrechtsartikel außer Landes geschafft hat, die blutige Realität dieser Flüchtlingspolitik oft anderen, ›sicheren Drittstaaten‹ überlässt, sind heute nicht mehr spekulativ, sondern erdrückend.

Vom 17. bis 24. August findet in Hamburg ein antirassistisches Camp statt.

Für den 30. August 2008 wird ein Tag ohne Abschiebung vorbereitet. Nähere Informationen finden sich unter: http://abschiebefrei.blogsport.de

Wolf Wetzel 8.8.2008


[2] Titelbildschlagzeile des Magazins ›Der Spiegel‹ vom 9.9.1991

[3] Klaus Landowsky, CDU-Fraktionsvorsitzender in Berlin. Zitiert nach: Stern Nr. 43 vom 17.10.1991

[4] Friedhelm Farthmann, SPD, damaliger Minister in Nordrhein-Westfalen zur ›Lösung der Asylfrage‹. zitiert nach: Der Spiegel Nr. 3/93 vom 17.3.1992

[5] CDU-Bundeskanzler H. Kohl

[6] Aus: autonome l.u.p.u.s. gruppe, Lichterketten und andere Irrlichter, Texte gegen finstere Zeiten, Edition ID-Archiv, Berlin 1994, Ein Tag in Bonn, S. 117, abgelegt unter:wolfwetzel.wordpress.com

[7] »Asylabstimmung: Bonn wird zur Festung. Bei der abschließenden Beratung und Abstimmung über das neue Asylrecht soll der Bundestag Ende April wie eine Festung abgeriegelt und gesichert werden.« Bild am Sonntag

[8] Bundeszentrale für politische Bildung, Flucht und Asyl seit 1990, Klaus J. Bade/Jochen Oltmer: Normalfall Migration, Bonn 2004, www.bpb.de/themen

[9] Antirassistische Initiative e.V. Berlin, Dokumentationsstelle,
www.ari-berlin.org/doku/titel.htm

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