»Polizei hat Antifaschismus zum Hauptproblem erklärt« (Interview)

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Neonazigegner rufen trotz Repression zu Blockaden gegen rechten Aufmarsch am Samstag in Frankfurt/Main auf. Ein Gespräch mit Wolf Wetzel (Sprecher des Koordinierungsrates der Anti-Nazi-Koordination (ANK) in Frankfurt am Main)

Interview von Wera Richter, veröffentlicht in in Junge Welt am 05.07.2007

Am Samstag wollen Neofaschisten durch Frankfurt/Main marschieren. Ein breites antifaschistisches Bündnis, in dem Kirchenvertreter wie Autonome arbeiten, ruft zu Blockaden auf, um den Aufmarsch zu verhindern. Geht das ganz ohne Gewaltdebatte?

Nein, die gab es auch bei uns. Kurz nach der Großdemonstration in Rostock zu Beginn der G-8-Proteste, wo man die Medialisierung ATTAC und der Polizei überlassen hat, kam sofort die Warnung, daß sich solche Bilder in Frankfurt wiederholen könnten. Es wurde auch formuliert, daß man mit der Antifa nicht zusammenarbeiten dürfe. Das Ergebnis stundenlanger Diskussionen war, daß wir natürlich unterschiedliche Vorstellungen haben. Ein Teil versteht sich weder pazifistisch noch gewaltfrei. Aber es war klar, daß es darum geht, das Gemeinsame wie das, was uns unterscheidet, deutlich zu formulieren. Wichtig war die Übereinkunft, sich nicht voneinander zu distanzieren, sondern die Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt zu stellen.

Ein Ergebnis der Debatte war, ein Kooperationsgespräch mit der Polizei im Vorfeld des Naziaufmarsches abzulehnen. Mit welcher Begründung?

Die Polizei hat aufgerüstet und einen Großeinsatz angekündigt. Sie hat zudem erklärt, daß der Antifaschismus und nicht der Neofaschismus das Hauptproblem ist. Damit ist klar, es gibt keine Kooperation, sondern Verfolgung. Und an einer Verfolgung beteiligen wir uns nicht. Für die Anti-Nazi-Koordination (ANK) war die Ablehnung des Gesprächs ein politisch mutiger Schritt. Wir haben den Wortsinn eines Kooperationsgesprächs wieder in den Mittelpunkt gestellt.

Was heißt, die Polizei hat aufgerüstet?

Es ist die Polizei, die Rostock wiederholen will, nämlich mit polizeistaatsähnlichen Zuständen bis hin zur Abriegelung eines gesamten Stadtviertels. Mehrere tausend Beamte werden im Einsatz sein. Wir wissen, daß bereits seit Mittwoch Beweissicherungstruppen in Frankfurt sind. Die Polizeiführung hat erklärt, daß sie bei jedem Anzeichen von Gewalt mit allen Mitteln, also mit aller Gewalt, einschreiten wird.

In all der Zuspitzung hatte die CDU-Oberbürgermeisterin Petra Roth die ANK für Dienstag abend zum Gespräch eingeladen. Was wollte sie?

Sie hat gemerkt, daß der Versuch, das ganze als Gang-Auseinandersetzung zwischen Neofaschisten und Antifas darzustellen, in der die Stadt Frankfurt demokratisch in der Mitte steht und den Rest der Polizei überläßt, nicht mehr funktioniert. Jetzt steht die Politik der Stadt Frankfurt im Mittelpunkt öffentlicher Auseinandersetzungen, und das ist gut so. Petra Roth hat gemerkt, daß der politische Schaden groß ist, wenn die einzige Reaktion die ist, das Problem gewaltsam zu lösen. Deshalb hat sie zu dem Gespräch eingeladen. Das Ergebnis läßt sich kurz zusammenfassen: Einigkeit bestand auf beiden Seiten darin, daß ein Naziaufmarsch in Frankfurt/Main unerwünscht ist. Einigkeit bestand auch in der Einschätzung, daß es zum Erreichen dieses Zieles unterschiedliche legitime Wege und Mittel gibt.

Und was wird Frau Roth am Samstag tun?

Der Neofaschismus hat seinen Nährboden in der politischen Mitte. Die CDU trägt mit ihrer rassistischen, nationalistischen Politik viel dazu bei, daß es die NPD gibt und daß sie so bürgernah auftreten kann. Unser Vorschlag ist, daß Petra Roth am Samstag an Ort und Stelle sein sollte. Wenn sie den Aufmarsch nicht will, soll sie das zeigen. Sie muß nun zu ihren Worten stehen. Die politisch entscheidende Frage wird sein, wieviel Einfluß sie auf die Frankfurter Polizeiführung hat.

Die NPD geht derzeit juristisch noch gegen Auflagen vor, unter anderem weil ihr der Marsch in die Innenstadt verwehrt wurde. Womit rechnen Sie?

Im schlimmsten Fall fällt die Entscheidung für deren Route erst am Freitag. Es gibt Signale, daß sich die NPD mit einem Kompromiß, der sie bis in den Stadtteil Bockenheim ziehen ließe, zufrieden gibt bzw. das als Erfolg werten würde. Das wäre hochgradig gefährlich. Diese Demonstrationsroute würde im wahrsten Sinne des Wortes nur einen Steinwurf entfernt an zwei antifaschistischen Zentren entlangführen. Es gibt im Internet klare Gewaltandrohungen von Neofaschisten. Die allerdings will der Polizeipräsident, selbst auf Nachfrage hin, nicht kennen. Das grenzt schon an Strafvereitelung im Amt.

Was ist die Orientierung für Antifaschisten für den Sonnabend?

Es geht uns erstens darum, die Anfahrt von Neofaschisten nach Frankfurt zu verhindern. Die sollen erst gar nicht in die Stadt reinkommen. Sollte das nicht gelingen, dann werden wir Blockaden bilden, mit dem Ziel, daß die Neonazis nicht zur Auftaktkundgebung kommen. Sollte das aufgrund polizeistaatsähnlicher Zustände auch nicht gelingen, werden wir uns zu einer Demonstration formieren und deutlich machen, daß die Stadt Frankfurt dafür verantwortlich ist, daß Neofaschisten ungestört marschieren können.

* antinazikoordination.de.vu Infotelefon ab Freitag: 069/24253123

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