Weihnachtsbrief an den Oberbürgermeister-Kandidaten der Frankfurter SPD

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                                                        Offener Brief an den Genossen Peter Feldmann

Lieber Genosse Peter,

zum Jahresausklang wirbt deine Partei für eine Veranstaltung:

»Gut Wohnen! Macht Wohnen arm?«

Respekt, Respekt: Wie lange hat deine Partei über diese vordergründig ausgewogene und hintersinnige Paradoxie gebrütet?

Liebe Genosse Peter,

lasst euch für die Beantwortung dieser Frage ruhig Zeit. Noch seid ihr ja in der Opposition, da darf, da muss man ja solch kecke Fragen stellen (dürfen).

Bevor ihr also darauf eine Antwort findet, könntet ihr doch folgende Fragen vorneweg schon einmal beantworten:

Als ihr in der Regierung wart, und das wart ihr oft und lange in Frankfurt war die Situation für viele Menschen mit geringen Einkommen nicht viel anders. Billiger, bezahlbarer Wohnraum wurde zerstört, um Dutzenden Hochhäusern und Versicherungspalästen Platz zu machen.
Deine älteren Genossen erinnert sich bestimmt noch ganz genau daran, als ihr mit dem rechtlich bedeutungslosen ›Fünf-Finger-Plan‹ das gesamte Frankfurt-Westend in ein Eldorado für die Business Class verwandeln wolltet und dies mit viel Polizei und viel Zynismus gegenüber jenen, die dies verhindern wollten, auch durchgesetzt habt.
Manche deiner Genossen können sich sicherlich noch lebhaft an diese turbulenten 70er Jahre erinnern: Legendär ist der Ausspruch des Genossen und Oberbürgermeisters Böller im Oktober 1971, »ihm sei die Gesundheit von Polizisten und Demonstranten zu schade, um sie für die Interessen von Hausbesitzern aufs Spiel zu setzen, die ihre soziale Verpflichtung aus dem Eigentum so entscheidend vernachlässigen
Vollmundig versprachen deine Genossen, dass sie diese verfehlte Stadtpolitik korrigieren würden. Kaum verklungen wurden ›Befreiungen‹ vom gültigen Bebauungsplan wie Freikarten an Investoren verteilt.
Und als deren informellen Zusagen nicht zur vollsten Zufriedenheit eingelöst wurden, drohten sie deinen Genossen mit Regressansprüchen in Millionenhöhe. Danach wurde es ganz still um deine Genossen und um die angedrohten Regressansprüche. Wie viele Millionen Mark habt ihr damals aus dem städtischen Haushalt darauf aufgewendet, damit diese illegalen und rechtlosen Absprachen zwischen Genossen und Bossen nicht ans Tageslicht kamen?
Noch heute stehen viele dieser Hochhäuser, genutzt oder leer, in der Landschaft, obwohl die meisten davon aufgrund von ›Befreiungen‹ genehmigt wurden, die eklatant gegen den damals gültigen Bebauungsplan verstoßen. (VG-Urteil Frankfurt vom 16.05.2011‭ ‬-‭ ‬Az.:‭ ‬8‭ ‬K‭ ‬3785/10)

Wem sagen wir das …

Wäre es also nicht an der Zeit, die Kellerleichen dieser Stadt, die bislang anonym verscharrt wurden, würdig zu begraben?

Also lieber Genosse: Was habt ihr damals anders gemacht und was würdet ihr wieder so machen, damit ihr aus der Opposition an die Regierung kommt?

Ich wüsche Dir schon jetzt ein Frohes Fest und viel Muße zur Beantwortung dieser Fragen.

Wolf Wetzel                    22.12.2011

Ehemaliger Hausbesetzer/Mit-Autor von

›Wir wollen alles‹ – Häuserkampf von 1970 – 1985‹ Hrsg. Wolf Wetzel (Band 21),
›Besetzen lohnt sich –bleiben auch‹ – Häuser- und Stadtkämpfe von 1985 bis morgen‹ (Band 22), Hrsg. Andrej Holm/Wolf Wetzel, Laika Verlag, Hamburg 2012

Dieser Offene Brief wurde am 22.12.2011 an Peter Feldmann geschickt: http://feldmann-frankfurt.de/kontakt/#nachricht

Zur Ausleuchtung des Hintergrundes dieses Weihnachtsbriefes empfehle ich den Beitrag: Steht die Frankfurter Skyline vor dem Abriss?

 

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  1. Fiel dem Oberbürgermeister-Kandidaten der Frankfurter SPD, Peter Feldmann, dazu denn überhaupt nichts ein? Das wäre noch weniger, als ein lauwarmes Dementi. Fakt ist offensichtlich, daß Wolf Wetzel sehr sauber recherchiert hat.

    1. Danke für das Lob. Tja, die Fakten sind mehr als gerichtsfest recherchiert. Genau deshalb wohl schweigt sich Herr Feldmann/SPD aus. Ich habe ihn nochmals an meinen Offenen Brief erinnert, ohne eine Antwort darauf bekommen zu haben. Sein Wahlkampfversprechen “Wohnen für alle” würde dann in sich zusammenfallen. Denn Fakt ist, dass Schwarz-Grün in Frankfurt nur das fortgesetzt hat, was SPD-Regierungen in Frankfurt nie anders gemacht haben und auch nicht anders machen werden. Es gibt Kernthemen, da gibt es keine Wahl, sondern nur eine Große Koalition (Atomfrage/Krieg/Global Player).

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