Baugelände der Landebahn Nord am Frankfurter Flughafen besetzt

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In der Nacht vom 27. auf den 28.5.2008 haben Aktivistinnen von Umweltinitiativen das 250 Hektar große Gelände im Kelsterbacher Wald, das für die Landebahn Nord-West am Frankfurter Flughafen gerodet werden soll, besetzt.

Der Verweis auf den Startbahn-West-Widerstand in den 80er Jahren kann helfen – aber auch ganz viel verbauen.

Diese Aktion ist unter den Bürgerinitiativen (BI) nicht unumstritten, selbst die Kelsterbacher BI ist gespalten. Ein Teil will weiterhin den Rechtsweg beschreiten, der bisher nur zu einem geführt hat: Die Fraport erklärt stolz, dass der Ausbau voll ›im Plan‹ (Flughafenchef Bender) liege, was für die Fraport und ihre Aktionäre nichts anderes heißt, als dass »wir uns ein Zaudern rund um den geplanten Ausbau nicht leisten können« (FR vom 8.3.2006).

Wie widersprüchlich die Situation ist, lässt sich an der Rolle des Bürgermeisters von Kelsterbach eindrucksvoll belegen: Obwohl auch diese Gemeinde gegen die Enteignung und Rodung des Waldes klagt, verkündete derselbe Bürgermeister – nach Bekanntwerden der Besetzung – ein Ultimatum: Die BesetzerInnen hätten ihre Aktion zu beenden, andernfalls ließ er sie räumen.

Wie wichtig und richtig diese Besetzung war, belegt das gerade ergangene Vor—(Ab)-Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes in Kassel.

Eigentlich hat die Fraport zugesagt, dass sie auf Rodungen im Kelsterbacher Wald verzichten wolle, bis der Rechtsstreit zwischen der Flughafenbetreiberin und der Kommune endgültig geklärt sei. Nichtsdestotrotz bestand sie darauf, so genannte »vorbereitende Maßnahmen« durchzuführen – was nichts anders heißt, als dass sie sich die Zeit schenken wollten, zwischen dem feststehenden Urteil und der Begründung, an der noch gearbeitet wird. Dagegen klagte die Gemeinde Kelsterbach und unterlag. Den Kommunen, so der Vorabbeschluss, »stehe nicht die Befugnis zu, eine Funktion als Hüter der Natur wahrzunehmen«. So genannte »besonders dringliche Arbeiten« können also durchgeführt werden.

Dass dieser Rechtsstaatsposse die BesetzerInnen zuvorgekommen sind, ist ein gutes Zeichen, zumal der Bürgermeister von Kelsterbach nun auch seine Räumungsdrohung zurückgenommen hat. Jetzt kommt es darauf an, die Besetzung auf eine breite Basis zu stellen.

Viele ›alte‹ StartbahngegnerInnen sind berechtigt skeptisch und vorsichtig – auch aus guten Gründen. Es gibt aber auch Gründe, die vorgeschoben sind und alles andere als die Erfahrungen im Kampf gegen die Startbahn West reflektieren:

Der erste gewichtige Einwand ist, dass die meisten BI’s deprimierend rechtsgläubig seien und trotz aller juristischen Niederlagen am ›Klageweg‹ festhalten. So wahr diese Kritik ist, so falsch wäre es jedoch zu behaupten oder zu suggerieren, der Kampf gegen die Startbahn 18 West hätte anders begonnen! Bevor 1980 das Hüttendorf errichtet wurde, vergingen Jahre mit Rechtsstreits, Einwänden und Klagen, die allesamt angeschmettert und verloren wurden. Erst als dieser Rechtstaatsglaube erschüttert war, wuchs der Mut, einen Schritt weiterzugehen. Und Ironie am Rande: Als die BI Walldorf-Mörfelden beabsichtigte, sich den drohenden Rodungen mit einer Hütte in den Weg zu stellen, wurde beschlossen, dafür einen Bauantrag bei der zuständigen Gemeinde Flörsheim zu stellen!!

Auch der zweite Einwand hält nur dem ersten Blick stand: Vielen Anwohnern und Betroffenen der geplanten neuen Landebahn gehe es um ihre Ruhe, ggf. um den Wertverlust ihres Hauses, also um die Wahrung privater Interessen. War das zu Beginn des Startbahn West-Konflikt anders? Nein.

Und hindert das daran, über das individuelle Eigeninteresse hinauszuschauen, andere Erfahrungen zu machen? Gerade der über 25 Jahre zurückliegende Startbahn-Widerstand beweist doch, dass erst die Bereitschaft, diesen Konflikt auszutragen, andere Vorstellungen einzubringen, selbst ein anderes Beispiel zu geben, zu dem geführt hat, was dann als Gespenst von der »Unregierbarkeit einer ganzen Region« in die Geschichtsbücher eingehen sollte.

Wolf Wetzel

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