Die Große Koalition aus ›berechtigtem Protest‹ und Pogrom
Mannheim-Schönau zählt zu den klassischen Arbeitervororten
beschaulich, grau
mit ein wenig Grün drum herum und viel geselligem Vereinsleben.
Früher war dort die KPD stark
bis sie 1956 verboten wurde
Mannheim-Schönau zählte zu den traditionellen SPD-Hochburgen.
Heute ist Mannheim-Schönau eine neofaschistische Hochburg.
Mit zuletzt knapp siebzehn Prozent der Stimmen erzielte die REP ihr bestes Wahlergebnis von ganz Mannheim.
Mannheim-Schönau wird heute sozialplanerisch als ›sozialer Brennpunkt‹ geführt:
Hohe Arbeitslosigkeit
viele SozialhilfeempfängerInnen
Drogenprobleme
Kriminalität.
Statistisch gesehen, von allem zuviel.
Mannheim-Schönau hat auch eine leerstehende ehemalige Gendarmeriekaserne.
Eigentlich hat die Stadt versprochen, dort ein Jugendprojekt einzurichten
eine Autowerkstatt oder etwas Ähnliches
was die Jugendlichen auf andere Gedanken bringen soll.
Doch daraus wurde nichts.
Im Februar 1992 wurde dort ein Sammellager für Flüchtlinge eröffnet.
Mannheim-Schönau hat auch ein Freizeitheim, ein Jugendzentrum
und Sozialarbeiter, die einfach wissen, dass Flüchtlinge Rauschgiftdealer sind.
Das wissen sie aus Funk und Fernsehen
haben es also mit eigenen Augen gesehen.
Als die Bitte an sie herangetragen wurde, die Flüchtlinge die Sporthalle mitbenutzen zu lassen, lehnten sie ab.
Ihr Widerspruch hatte Erfolg:
»Inzwischen ist es den Betreuern des Jugendfreizeitheimes gelungen,
diese Besuche der Asylbewerber abzustellen.«[1]
Mannheim-Schönau hat BürgerInnen, denen es schlecht geht
und die wissen, wem es auf jeden Fall schlechter gehen müsste.
»Wenn ich morgens arbeiten geh’
liegen die Asylanten schon faul in der Sonne.«
Eine verkehrte Welt.
»Das hat mit Ausländerfeindlichkeit überhaupt nichts zu tun,
schreiben Sie das,
die sollen sich nur anständig benehmen
uns reicht’s jetzt nämlich.«[2]
Mannheim-Schönau hat einen SPD-Oberbürgermeister
der nicht wie manch seiner Parteigenossen zappelt
sondern Haltung annimmt
wenn es um Schicksalsfragen der deutschen Nation geht.
Regelmäßig ist er Ehrengast auf dem CDU-Parteitag
ganz vorn in der ersten Reihe.
Unter dem Jubel christlicher Parteigänger verkündete er
dass man »vor einer Grundgesetzänderung nicht zurückschrecken« dürfe.
In Bonn gäbe es zwar ständig Gesprächsrunden
»aber in Wirklichkeit geschieht nichts.«[3]
Genauer musste er nicht werden.
Alle wußten, welcher Grundgesetzartikel damit gemeint war
Der Asylrechtsartikel 16,2.
Mannheim-Schönau hat eine Heimat-Presse
die es versteht, mitzuzündeln
und sich gleichzeitig um die Brandspuren sorgt:
»Auf ein Wort .(…)
Schaut her, die bösen Schönauer? Dummes Zeug!
In ganz Deutschland
werden die Proteste gegen die massenhafte Einwanderung von Asylbewerbern
darunter ein Großteil Wirtschaftsflüchtlinge
die den wirklich Hilfsbedürftigen schaden
zunehmen.
Leider wird es auch vermehrt gewalttätige Aktionen geben.
Das schadet unserem Ansehen im Ausland.
Und wieder einmal sei es geschrieben: die Politiker sind gefordert.
Nicht morgen oder übermorgen
sondern heute.«[4]
Mannheim-Schönau erfüllt alle Voraussetzungen für einen »berechtigten Protest«.
Am 27.5.1992 war es dann endlich so weit
Ein Funke genügte
das Gerücht
eine 16jährige Deutsche
sei von einem Schwarzen
vergewaltigt worden
und 150 Bürger zogen vors Flüchtlingsheim und verbreiteten Lynchjustiz-Stimmung.
Die Polizei verhinderte die Erstürmung.
1992
[1] Mannheimer Morgen/MM am 9.4.1992
[2] Anzeiger 3.6.1992
[3] MM vom 27.1.1992
[4] Joachim Faulhaber, Anzeiger 3.6.1992
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