Regierung lobt den UNRAST-Verlag
Man reibt sich doch ein wenig die Augen: Der – so der lange Titel – „Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien“ Staatsminister Wolfram Weimer ehrte bei der diesjährigen Buchmesse neben dem Konkursbuch Verlag aus Tübingen, den März Verlag aus Berlin auch den UNRAST-Verlag aus Münster mit dem Deutschen Verlagspreis 2025, der mit einem Preisgeld in Höhe von jeweils 50.000 Euro verknüpft ist.
Beginnend mit dem Wortmodul „Bekenntnis zur Vielfalt gegen die Monokultur“ verbreitet das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung unter anderem die Worte des Staatsministers, dass es gerade „die kleinen und unabhängigen Verlage“ sein sollen, die „das Rückgrat unserer Buch- und Debattenkultur“ sind. Sie seien es doch die die „Stimmen in die öffentliche Debatte [bringen], die sonst ungehört blieben.“ So etwas brauche nun mal „eine lebendige Demokratie“ gibt sich der Pressetexter des Staatsministers überzeugt. Im Namen von Weimer wird daran noch „ein Bekenntnis zum Wagnis gegen die Beliebigkeit“ angehängt. Sein „Respekt“ gelte all jenen Verlagen, „die mit Haltung, Mut und intellektueller Redlichkeit für die Freiheit des Wortes eintreten.“ In der Laudatio wird dem UNRAST Verlag dann sogar noch „kritisches Denken, das Infragestellen traditioneller Normen“ bescheinigt die – hört, hört! – „zum intellektuellen und politischen Ungehorsam, zum tieferen und weiteren Verständnis unserer Welt ermutigen.“ Kurz, so die weitere Preisbegründung, mit dem von UNRAST veröffentlichten 528 Titeln – „von antifaschistischer und feministischer Gesellschaftstheorie bis hin zu internationaler Belletristik und Graphic Novels“ halte der Verlag beständig an seiner Gründungsidee fest, die „dem Traum einer anderen Wirklichkeit verpflichtet“ sei.
Die Begründung der Bundesregierung für den dicken Preis an den UNRAST-Verlag, dem ich als Autor mit ein paar Publikationen verbunden bin, hat mich etwas verblüfft. Einerseits: Gegen ein „kritisches Denken“, einem intellektuellen wie politischen Ungehorsam, sowie einer Ermutigung um auch so zu einem „tieferen und weiteren Verständnis unserer Welt“ zu gelangen, lässt sich eigentlich nichts einwenden. Andererseits: Ob es sein kann, dass damit auch ich mit meinen Publikationen für den UNRAST-Verlag – zuletzt: Legenden um Entebbe (2016) – mitgemeint bin? Das ist ja ein Ding. Richtig aber auch: Mit dem Entebbe-Sammelband ging es mir als Herausgeber und natürlich auch allen anderen Autor:innen mit dem was zu diesem komplexen Ereignis zu sagen war, allemal auch darum, die neugierigen Leser:innen zu einem „tieferen und weiteren Verständnis unserer Welt“ zu ermutigen. Was denn sonst?
Allerdings: Wenn man plötzlich von der Regierung mitgelobt wird, muss man sich natürlich immer in Acht nehmen. Bei dem Preisgeld wird es sich doch wohl nicht um einen versteckten Beerdigungskostenzuschuß handeln?
Auf der anderen Seite gilt nun für die Genoss:innen des UNRAST-Verlages das was uns Stefan Heym in seinen 1988 publizierten Memoiren als Anekdote von dem großen Bertold Brecht aus dem Jahre 1953 hinterlassen hat: Heym beschreibt dabei zunächst seinen Zwiespalt gerade einmal zwei Wochen nach dem Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 den von der Akademie der Künste (Ost) erstmals vergebenen Heinrich-Mann-Preis anzunehmen. Immerhin 10.000 DDR-Mark. Kurz vor Aushändigung des Preises steht Heym auf und kündigt auch im Namen seiner beiden Mit-Preisträger Wolfgang Harich und Max Zimmering an:
„Ehre ja, Geld nein; das Geld möge vielmehr den Opfern des 17. Juni zugute kommen und deren Familien, denn die gab es ja auch, die loyalen Genossen, die dem Ansturm standhielten, als andere sich verkrochen, und die die Prügel einsteckten und Schlimmeres …“
Darauf entsteht eine allgemeine Verwirrung und jemand ordnete erstmal eine „Pause“ an. Da sieht Heym plötzlich Brecht, der ihm zuwinkt, ihn an dem Ellbogen greift und aus dem Räum führt. Draußen sagt Brecht:
„Hören Sie, H., wenn diese Regierung ihnen Geld geben will, dann hat sie´s auch, und dann nehmen Sie`s. Und noch einen Rat: ein Schriftsteller kann gar nicht genug Geld haben.“ Und läßt ihn stehen. Und so griff Stefan Heym kurzerhand doch das Preisgeld aus den Händen des späteren Kulturministers der DDR Johannes R. Becher ab. (Neue Zeit v. 2.7.1953)
Auch in diesem Sinne: Auch mein Glückwusch an den UNRAST-Verlag für den Deutschen Verlagspreis von einer Regierung, die dafür gerade Geld übrig zu haben scheint.
Markus Mohr
Quellen und Hinweise:
Interview mit Martin Schüring vom UNRAST-Verlag mit WDR 3, siehe:
Deutscher Verlagspreis für Verlag in Münster / WDR 3 Resonanzen vom 16.10.2025, https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr3/wdr3-resonanzen/audio-deutscher-verlagspreis-fuer-verlag-in-muenster-100.html
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