Damals gab es eine Leica. Heute etwa zwei Millionen Handys … In Gaza/Palästina.
„Im Sommer 1941 traf der deutsche Soldat und Funker Willy Georg eine mutige und gefährliche Entscheidung. Nicht mit einem Gewehr, sondern mit einer Leica-Kamera bewaffnet, schlich er sich in das Warschauer Ghetto – seine Mission war ganz seine eigene. Er trotzte dem Schweigen des Nazi-Regimes und versuchte, die brutale Realität hinter den Ghettomauern festzuhalten. Es gelang ihm, vier Filmrollen zu drehen, die das Leid, das er miterlebte, dokumentierten, doch schließlich wurde er von einer Nazi-Patrouille gefasst. Obwohl eine Rolle beschlagnahmt wurde, schmuggelte Georg wie durch ein Wunder die restlichen drei heraus. Was er bewahrte, bietet einen seltenen und erschütternden Einblick in die tägliche Qual Hunderttausender.

Das Warschauer Ghetto, das am 16. Oktober 1940 errichtet wurde, war ein Gefängnis für fast 400.000 Juden – über 30 % der Warschauer Bevölkerung –, die auf nur 2,4 % der Stadtfläche eingesperrt waren. Ganze Familien wurden in Einzelzimmer gepfercht, oft zu sieben bis neun Personen. Hunger, Krankheit und Deportation lauerten an jeder Ecke.
Der Tod war allgegenwärtig und meist lautlos – er forderte Leben, ohne dass ein einziger Schuss fiel. Diese entmenschlichende Umgebung bereitete den Boden für eine der mutigsten Taten der Geschichte: den Aufstand im Warschauer Ghetto. Am 19. April 1943 erhoben sich die Ghettobewohner, nur mit geschmuggelten Waffen und ihrer Verzweiflung bewaffnet, gegen ihre Nazi-Unterdrücker. Der Aufstand wurde niedergeschlagen, doch er entwickelte sich zum größten jüdischen Widerstandsversuch des Zweiten Weltkriegs.
Eines von Georgs Fotos fängt eine eindringliche Szene ein: Ein einsamer Junge brach auf der Straße zusammen, umgeben von einer Menge, die mit dem Tod zu vertraut war, um zu reagieren. Es ist mehr als ein Bild – es ist ein Schrei aus der Vergangenheit. Dies ist keine Fiktion, kein ferner Mythos, sondern ein Moment, der sich im Herzen Europas ereignete, während ein Großteil der Welt schwieg. Dank Georgs Mut bleiben diese Bilder als Beweis, als Zeugnis und als Aufruf, niemals zu vergessen.“ (Wow Virals 5)
Die geretteten Fotos wurden später von Rafael F. Scharf herausgegeben und in dem Buch In the Warsaw Ghetto: Summer 1941 veröffentlicht, zusammen mit Texten aus Tagebüchern und der polnischen Untergrundpresse, die die letzte Phase der jüdischen Gemeinschaft in Warschau dokumentiert.
Es gibt ein erdrückendes Wissen im Schweigen (gerade in Deutschland) zur Beihilfe zum Genozid
Die staatliche Medienanstaltslandschaft in Deutschland hat die Meinungsbreite einer Dachrinne. Diese Diagnose ist schwerwiegend. Sie entlastet aber auch. Denn es gibt dieses Wissen trotzdem – in geradezu unerträglicher Hülle und Fülle. Die Angst, die heute viele Menschen in Deutschland haben, erklärt sich nicht mit den Zweifeln und der Unwissenheit, sondern mit dem Wissen, das sie nicht haben wollen.
Alleine die sehr verschiedenen gesellschaftlichen, politischen und imperialen Umstände, die in den 1930er Jahren die NSDAP an die Macht führten und die deutlich anderen Konstellationen heute, lassen in der Tat den „Holocaust“ nicht mit dem Genozid in Gaza gleichsetzen.
Ich möchte hier nur einen Umstand erwähnen, der hoffentlich unerwartet kommt und zum Nachdenken anregt.
In den 1930er Jahren, erst recht nach der Machtübergabe an die NSDAP 1933, hatten die Menschen in Deutschland fast nur staatliche Medien als Quelle, die ausschließlich faschistische Propaganda betrieben. Wer dem nicht folgen wollte, wer dem misstraute, hatte außer berechtigtem Misstrauen wenig in der Hand – im Sinne einer Gegenöffentlichkeit. Viele Menschen konnten sich auf diese Weise damit beruhigen, dass man genaues nicht weiß, dass man sich am besten raushält.
Diese „Entschuldigung“ gibt es heute nicht. Auch wenn die deutschen Medienanstalten fast in Gänze die Fakten, die Bilder, die Berichte und Zeugnisse über einen Genozid in Gaza ausblenden und bewusst unterdrücken, so gibt es diese doch – in einem Maße, dass es kaum auszuhalten ist.
Wer heute wissen will, was an dem Vorwurf Genozid dran ist, warum Widerstand berechtigt ist, warum unser Schweigen schwerer wiegt, als nach 1933, der kann heute (noch) auf unzählige Quellen in der Welt (des Internets) zurückgreifen. Denn die stärkste Waffe in Gaza sind nicht die Waffen, sondern die Handys, die die Menschen dort benutzen, um mit dem Erlebten nicht alleine zu sein. Sie filmen ihre zerstörten Häuser, ihre toten Familienangehörigen, ihre zerstörten Krankenhäuser, Schulen und Notunterkünfte, ihren täglichen Hunger und die Babys, die an Hunger sterben.
Die Angst, die heute viele Menschen in Deutschland haben, erklärt sich nicht mit den Zweifeln und der Unwissenheit, sondern mit dem Wissen, das sie nicht haben wollen.
Wolf Wetzel
Quellen und Hinweise:
Wow Virals 5: https://www.facebook.com/Samrageschichte
Es gibt viele Gründe für den „7.Oktober“, Wolf Wetzel, 2025: https://wolfwetzel.de/index.php/2025/04/04/es-gibt-viele-gruende-fuer-den-7-oktober-2023-teil-iii/
Ein wunderbarer Kommentar: https://www.facebook.com/reel/734918482938397
Der eliminatorische Nationalismus. Zwischen Krieg und Krieg in Gaza um Palästina, Wolf Wetzel, 2023: https://wolfwetzel.de/index.php/2023/11/29/der-eliminatorische-nationalismus-zwischen-krieg-und-krieg-in-gaza-um-palaestina/
Das israelische Kriegskabinett tut alles, dass sich Auschwitz wiederholt, Wolf Wetzel, 2025: https://wolfwetzel.de/index.php/2025/05/12/das-israelische-kriegskabinett-tut-alles-dass-sich-auschwitz-wiederholt/
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