Bundesweite Demonstration in Frankfurt am 30. August – erst verboten, jetzt ‚erlaubt‘

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Für den 30. August 2025 gibt es einen Aufruf zu einer bundesweiten Demonstration in Frankfurt gegen den Genozid in Gaza und für ein „freies Palästina“.

Für den 30. August 2025 gibt es einen Aufruf zu einer bundesweiten Demonstration in Frankfurt gegen den Genozid in Gaza und für ein „freies Palästina“.

Die Jüdische Allgemeine vom 26.8.2025 lässt die israelische Botschaft ausführlichst zu Wort kommen:

„Die israelische Botschaft in Berlin hat eindringlich vor einer für den kommenden Samstag geplanten, israelfeindlichen Großdemonstration in Frankfurt gewarnt. Dort sei ‚mit vermummten Massen, die radikal-islamistische und antisemitische Parolen rufen‘ zu rechnen, betonte die Botschaft.

 

Wir haben in den letzten Wochen gesehen, wohin solche Aufmärsche führen: zu Angriffen auf jüdische Institutionen und Anwohner‘, so die Botschaft. ‚Sagen Sie später nicht: Ich habe es nicht gewusst!‘. Die Botschaft rief die Stadt Frankfurt, Polizei und Justiz auf, entschieden einzuschreiten, damit es ‚nicht erneut eine Judenjagd auf den Straßen Frankfurts‘ gebe.

 

 

Hintergrund ist eine angekündigte Kundgebung des Bündnisses United 4 Gaza, das am Samstag ab 15 Uhr am Hafenpark mehrere Tausend Teilnehmer mobilisieren will. Unterstützt wird die Aktion von Gruppen wie Free Palestine FFM und Blackpower Frankfurt. In Videos rufen Aktivisten dazu auf, ‚gemeinsam für die Befreiung unseres Volkes in Palästina‘ zu demonstrieren. (…)

 

Die Kritik an der geplanten Demonstration wächst. Der Frankfurter CDU-Chef Nils Kößler bezeichnete die Aktion laut Frankfurter Rundschau als ‚antisemitisch motivierte, israelfeindliche Mobilisierung‘ und forderte ein Verbot.

Auch der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker (CDU) warnte: ‚Die Anmelder zeigen klar, dass sie das Existenzrecht Israels nicht anerkennen. Aus Völkerverständigung wird Volksverhetzung, wenn deutsche Banken und die EZB als Teil ethnischer Säuberung verunglimpft werden.‘ Becker forderte die Stadt auf, endlich ‚konsequent einzuschreiten‘.“

 

Wer hätte gedacht, dass nach dem Holocaust die Juden die Drecksarbeit für uns machen.

Ein deutscher Jahrtausend-Traum geht damit Erfüllung.

Die Reaktionärsten der Reaktionäre melden sich wieder einmal zu Wort. Sie haben kein Problem damit, einen Völkermord in Gaza zu unterstützen bzw. zu leugnen. Sie finden Kriegsverbrechen nicht der Rede wert, wenn damit die „Drecksarbeit“ (Bundeskanzler Merz) erledigt wird.

Sie haben alle zusammen aber ein riesiges Problem, ihren Irrsinn noch glaubwürdig zu vermitteln.

 

Dazu gehört in der ersten Reihe der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker (CDU). Tatsächlich versteht er von Antisemitismus so viel wie ein Fisch vom Angeln. Kurzum, er macht sich lächerlich, sobald er sich zu Wort meldet.

Gegen die VeranstalterInnen gerichtet, sagte er: „Aus Völkerverständigung wird Volksverhetzung, wenn deutsche Banken und die EZB als Teil ethnischer Säuberung verunglimpft werden.“

 

 

Man könnte auch sagen, dass das Unterbewusstsein ein weiteres Mal mit ihm durchgeht. Was haben „deutsche Banken und die EZB“ mit Völkerverständigung zu tun? Nicht das geringste, Herr Beck. Sie sind nicht gegründet wurden, um Völkerverständigung zu betreiben, sondern Profite für sich und Dividenden für ihre Anleger zu erwirtschaften.

Und wenn genau diese Banken mit Israel Geschäfte machen, dann hat das zum gegenwärtigen Zeitpunkt etwas mit Beihilfe zum Genozid zu tun. Und dies prangern die VeranstalterInnen an.

Genau diese Kritik mit „Volksverhetzung“ in Verbindung zu bringen, hat doch etwas gehemmt antisemitisches, Herr Beck?

Umso mehr regen sind sich diese Herrschaften auf, wenn es noch Menschen in Deutschland gibt, die diesen Völkermord und ihre Genozidfreunde stören.

Sie sehen, sehnen sich nach „vermummten Menschenmassen“, die „erneut eine Judenjagd auf den Straßen Frankfurts“ unternehmen werden.

Dabei sein werden „radikal-islamistische“ Terroristen. Sagen wir es deutlich: Eine schwerbewaffnete Gruppe der Hamas wird erwartet, die ihre Teilnahme als Selbstverteidigungsrecht versteht, um gegen die Besatzung und ihre Helfershelfer (in Deutschland) zu kämpfen.

Ganz vergessen hat die Israelische Botschaft aber noch viel Schlimmeres: Das dreckige Dutzend, die Glorreichen Sieben und ein Bataillon Wehrwölfe haben fest versprochen, für den nötigen Doppel-Wumms zu sorgen. Auch Räuber Hotzenplotz und Kohlhaas haben zugesagt, ihre Fähigkeiten einzubringen. Zudem haben sich Dracula, Frankenstein und Golem verbündet, um dieser Demonstration zu einer nervenaufreibenden Angelegenheit zu machen. Die Veranstalter, so wird gesagt, hätten noch einige Überraschung in petto.

 

Ich finde, da muss man hingehen. Man sollte sich das monsterhafte Ende von Bankfurt nicht entgehen lassen.

Jetzt erst recht gegen jede Form des Silencing

Es war mit den Vorankündigungen bereits angedeutet, was auch das Ordnungsamt in Frankfurt blind verstand:

„Es sollte eine Großdemonstration werden: Unter dem Motto „United4Gaza – Stoppt den Völkermord jetzt!“ sollten am Samstag (30. August) bis zu 5.000 Pro-Palästina-Demonstrierende durch die Frankfurter Innenstadt ziehen. Nun hat das Frankfurter Ordnungsamt die Demo verboten, wie die Stadt am Mittwoch mitteilte.

In der Mitteilung bezeichnete die Stadt die geplante Demo als „potenziell antisemitische Versammlung“ und begründete das Verbot mit einer möglichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. „Nach Erkenntnissen der Versammlungsbehörde liegen in Bezug auf die für den 30. August angemeldete Demonstration derart belastende Umstände vor, die ein komplettes Verbot der Versammlung rechtfertigen“, heißt es von der Stadt. Auch etwaige Ersatzkundgebungen wurden vom Ordnungsamt verboten.“ (FR vom 28.8.2025)

Derart belastend“ ist hier nur eines: Eine Begründung, die substanzloser und denunziatorischer nicht sein kann.

Bemerkenswert ist, dass die FR-Redaktion sofort die Türen zur Meinungsfreiheit fest verschlossen hat:

„Liebe Leserinnen und Leser, wir bitten um Verständnis, dass es im Unterschied zu vielen anderen Artikeln auf unserem Portal unter diesem Artikel keine Kommentarfunktion gibt.“

Lächerlicher kann sich eine für liberal haltende Zeitung nicht machen. Sie ist integraler Bestandteil des Silencing-Netzwerkes.

Potenziell … antisemitisch – potenziell faschistisch, ja?

In der Verbotsverfügung des „Ordnungsamts“ steht tatsächlich, dass die Demonstration „potenziell antisemitisch“ ist, sein könnte, sein muss.

Es handelt sich also um eine Möglichkeitsform, die absolut im Gegensatz zum „Bestimmtheitsgebot“ bürgerlicher Rechtsprechung steht. Die Begründung nähert sich damit dem faschistischen Strafrecht, das sich insbesondere durch ein „Willensstrafrecht“ und „Verdachtsstrafrecht“  auszeichnet.

Man kann also – mit Blick auf das Rechtsverständnis des Ordnungsamtes in Frankfurt – von einem „potenziell faschistischen“ Exekutivfragment sprechen, oder?

Nicht im Ansatz gerechtfertigt

„Das Verwaltungsgericht widersprach dieser Einschätzung deutlich: ‚Ein solches Verbot ist bei der vorliegenden polizeilichen Gefahrenprognose nicht im Ansatz gerechtfertigt‘, teilte das Gericht mit. Für ein Verbot müsse eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestehen. Gegen einzelne Störer während der Versammlung müsse man vorgehen. ‚Eine Bewertung von Meinungen, die durch Art. 5 GG geschützt werden, steht staatlichen Stellen nicht zu‘.“ (frankfurt.t-online.de vom 28.8.2025)

Mittlerweile muss man sich über eine an sich banale Rechtsansicht freuen. Beschämend sind jedoch deutsche Verhältnisse, in denen ein Demonstration gegen  Kriegsverbrechen und Völkermord überhaupt „erlaubt“ werden muss.

Ist  der Bundesregierung, die fortgesetzt Beihilfe zum Völkermord in Gaza leistet, auch eine „Erlaubnis“ erteilt worden oder braucht man für einen Genozid keine Erlaubnis, weil er zur deutschen Staatsraison gehört und damit zum vorbürgerlichen Raum?

Die Verwaltungsgerichte – potentiell antisemitisch? Was sonst.

Selbstverständlich legte die Stadt Frankfurt Widerspruch gegen diese Entscheidung ein. Doch auch das Oberverwaltungsgericht in Kassel kam zum selben Ergebnis.

Das gesamte Ensemble aus staatsraisonablen Politikern und Begleitpersonal zeigte sich sehr, sehr enttäuscht.

Man wird nun prüfen, ob die Verwaltungsgerichte in Hessen nicht potenziell antisemitisch seien, mit dem Ziel, diesem Treiben ein Ende zu bereiten.

In der Zwischenzeit werde die Polizei angewiesen, „konsequent einzuschreiten“, auf eine Art und Weise, die sicherstellt, dass sich die Demonstration so anfühlen wird, wie die Stadt Frankfurt es wünscht: verboten.

 

Wenn Sie sich nicht mehr sicher sind, wie man diesen Staat definieren soll, dann merken Sie auch nicht mehr den Unterschied zwischen einem Kriegskabinett und einem Estado Novo. Das ist gut so.

 

Wolf Wetzel

Quellen und Hinweise:

Botschaft warnt vor israelfeindlicher Großdemo in Frankfurt, Jüdische Allgemeine vom 26.8.2025: https://www.juedische-allgemeine.de/politik/pro-palaestinensische-gruppen-organisieren-gross-demonstration/

Eilentscheidung in Frankfurt. Gericht hebt Verbot von Pro-Palästina-Demo auf: https://frankfurt.t-online.de/region/frankfurt-am-main/id_100890098/frankfurt-gericht-kippt-verbot-von-pro-palaestina-demo-united4gaza-.html

Der eliminatorische Nationalismus. Zwischen Krieg und Krieg in Gaza um Palästina, Wolf Wetzel, 2023: https://wolfwetzel.de/index.php/2023/11/29/der-eliminatorische-nationalismus-zwischen-krieg-und-krieg-in-gaza-um-palaestina/

Das größte KZ der Welt, Wolf Wetzel, 2025: https://wolfwetzel.de/index.php/2025/07/09/das-groesste-kz-der-welt/

 

 

 

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