„Ich halte es nicht für verkehrt, radikal und einmal völlig neu zu denken“
Dieser An|Satz klingt sehr mutig, erst recht, wenn man ein gut bezahltes Staatsamt innehat. Da hält man sich für gewöhnlich zurück, wenn man vermeiden will, dass man von der Polizei verprügelt wird oder ein Strafverfahren zu riskieren oder seinen Job zu verlieren.
Es muss also darauf ankommen, was er so „radikal“ denken will, was genau gar nicht so „verkehrt“ ist und was man für richtig „neu“ hält.
Man kann nicht völlig überrascht sein, wenn es folglich nicht um emanzipatorische Vorstellungen, nicht um anti-imperialistische und anti-kolonialistische Ideen geht.
Umsiedlung. Ach so. Na dann.
In diesem Fall geht es um eine „neue“ Weltordnung, um einen sehr „radikalen“ Bruch mit allem, was eigentlich ein Kriegsverbrechen ist, was eigentlich einen mörderischen Kolonialismus ausmacht, was eigentlich ein Herrenmenschentum ausmacht, wenn diese mit Menschenleben, Ländern und Bodenschätzen so umgehen wie ein Imperator.
Ganz konkret geht es um Gaza, also um ein von Israel besetztes Gebiet, das erst erobert, dann okkupiert, und nun zu 90 Prozent zerbombt wurde. Es geht also um ein Land, das Palästina heißt, also das, was vom ursprünglichen Palästina übrig geblieben ist.
Nachdem die Besatzer, zusammen mit ihren Kolonialfreunden das Stück Land Palästina, das zurecht „Gazastreifen“ genannt wird, über 50. 000 Menschen ermordet, alle Krankenhäuser und Schulen zerstört hatten, den Gazastreifen über Monate ausgehungert und dies zuvor – ohne große Aufregung – angekündigt hatten, kommt ein Kolonialfreund namens Donald Trump auf die Idee, dass es nun an der Zeit wäre, den Gazastreifen zu räumen. Damit meint er nicht im geringsten die israelischen Besatzer, sondern jene, die dort noch leben. Er bot ihnen eine „freiwillige Ausreise“ nach Jordanien oder Ägypten an – ohne Rückkehrrecht, versteht sich.
Stattdessen will er seine US-Oligarchen ranlassen, um aus Gaza einen Strand der USA zu machen, eine „Riviera des Nahen Ostens“. All das verkündete er nicht hinter vorgehaltener Hand, sondern laut, deutlich und unmissverständlich.
All das wusste also auch ein hoher Vertreter der deutschen Bundesregierung. Es kennt sich in der Materie aus, er weiß um die unmissverständlichen Äußerungen des US-Präsidenten.
Wenn dieser Mann also sagt, Trump habe gar nicht von Vertreibung gesprochen, sondern „von einer Umsiedlung, während der Gazastreifen neu aufgebaut wird“, dann ist das ein Mann, der sich nicht verhört hat, sondern ein Mann, der für Staatsverbrechen ein gutes, fast rührendes Wort einlegt. Und dieser Mann, der nicht in Gaza lebt, sondern in aufgeräumten, noch nicht ausgebombten Deutschland, weiß auch, wie man so eine „Umvolkung“ verständlich und mit Handwerker-Knowhow erklären kann:
„Während Sie Ihr Haus renovieren, schlafen Sie schließlich auch nicht darin (…).“ (SZ vom 5.3.2025)
Dieser Mann bekleidet nicht nur ein hohes und wichtiges Amt. Es handelt sich um den Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung.
Sein Name ist Felix Klein.
Dieser Mann bewegt sich in der Sprach- und Denkwelt der Nazis, die sehr gerne als jene aufgetreten waren, die neu und laut gedacht hatten, die es auch noch für „radikal“ hielten, wenn sie ihre „neue“ Weltordnung vorstellten. Um diese Weltordnung zu verwirklichen, setzten die Nazis auch auf eine „freiwillige Ausreise“ der Juden.
Staaten ab|schaffen muss in kolonialer Hand bleiben.
Dieser Mann will nicht nur Gaza neu „denken“. Er denkt aber auch weiter: Was ist, wenn auch andere auf Idee kommen, Staaten und Grenzen „radikal“ neu zu denken?
Dann ist der Mann aber aus dem Häuschen.
Er will dafür sorgen, dass das, was er sich für Gaza erlaubt, radikal zu denken, unter keinen Umständen verallgemeinert werden dürfe.
„Klein hatte in dem Interview mit der ‚Neuen Osnabrücker Zeitung‘ des Weiteren den künftigen Bundestag zu Verschärfungen des Strafrechts aufgefordert. So sollten Parolen, die zur Vernichtung anderer Staaten aufrufen, unter Strafe gestellt werden, auch der Satz ‚From the river to the sea, Palestine will be free‘. Mit der Parole ist gemeint, es solle ein freies Palästina auf einem Gebiet vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer geben – dort, wo sich jetzt Israel befindet.“ (spiegel.de vom 5,3,2025)
Und die Moral der Geschichte
Wenn Trump, Netanjahu, Klein & groß Staaten wie ein Eigenheim behandelt, dann ist das radikal und begrüßenswert.
Wenn das andere tun, dann ist das antisemitisch.
Oder ganz sachlich: Die „Vernichtung anderer Staaten“ muss ein Monopol der alten Weltordnung bleiben.
Wolf Wetzel
Quellen und Hinweise:
Gaza unter US-Verwaltung? Antisemitismusbeauftragter Felix Klein lobt Trump-Vorschlag, noz.de vom 4.3.2025: https://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/antisemitismusbeauftragter-klein-zu-gaza-und-linksextremismus-48415794?abt=24121200&piasco=CE-SE-LE-RE
Bundesregierung distanziert sich von Felix Klein, SZ vom 5. März 2025: https://www.sueddeutsche.de/politik/antisemitismusbeauftragter-bundesregierung-distanziert-sich-von-felix-klein-li.3214205
Bundesregierung distanziert sich von Worten ihres Antisemitismusbeauftragten, spiegel.de vom 5.3.2025: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/antisemitismusbeauftragter-felix-klein-bundesregierung-distanziert-sich-von-aussagen-zur-trump-umsiedlung-a-e87a0729-ee9d-4b50-bcaf-251672c8df26
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