Wehe, der Widerstand gegen die israelische Besatzung und den Genozid in Gaza ist der Falsche

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Wehe, der Widerstand gegen die israelische Besatzung und den Genozid in Gaza ist der Falsche

Wenn man in Deutschland etwas vom palästinensischen Widerstand hört, dann gibt es nur die Hamas. Dass dies ganz und gar nicht stimmt, stört nicht und ist nicht sonderlich bemerkenswert. Das ist so verlogen wie die Behauptung, Israel würde sich seit dem „7. Oktober“ 2023 verteidigen – in Gaza, im Libanon, in Syrien und wo es militärisch möglich ist.

Was tatsächlich viel bedrückender ist, wenn es „Linke“ gibt, die zwar irgendwie gegen Kolonialismus und Besatzung sind, woran sie aber eine Bedingung knüpfen: wenn es nicht die „Hamas“ gäbe.

Die Hamas steht für sie für Gotteskrieger und Rückfall in vorbürgerliche Zeiten. Sie selbst wähnen sich in einem fortgeschrittenen Zustand, wo das Kapital Gott ersetzt hat. Diesen Fortschritt wollen sie verteidigen.

Im besten Fall kommt es bei dieser „Linken“ zu einer politischen Äquidistanz: Man neutralisiert sich mit der Haltung, dass sich das israelische Kriegskabinett Netanjahus und die Hamas nichts schenken, also zwei Seiten einer Medaille sind.

Dagegen hat sich zum Beispiel die Schriftstellerin und Aktivistin Arundhati Roy anlässlich der Verleihung des PEN Pinter Prize 2024 gewandt. Es ist eine ausgezeichnete Stellung- und Parteinahme, die diesen „toten Winkel“ nicht ausblendet, sondern in den Mittepunkt ihrer ausgezeichneten Dankesrede stellt.

Zuerst ruft sie den Krieg in Vietnam in Erinnerung, die US-Militärdoktrin, alles zu töten, was sich bewegt. Und sie verweist auf die Pentagon-Papiere und andere Militärdokumente, in denen man den Streit darüber nachzeichnen kann, „wie ein Völkermord begangen werden kann. Ist es besser, Menschen sofort zu töten oder sie langsam zu verhungern? Was würde besser aussehen?“

Mit dieser kurz skizzierten Geschichte wendet sie sich dem Völkermord in Gaza zu.

Wie jeder Staat, der ethnische Säuberungen und Völkermord in der Geschichte durchgeführt hat, haben Zionisten in Israel, die sich für ‚das auserwählte Volk‘ halten, mit der Entmenschlichung der Palästinenser begonnen, bevor sie aus ihrem Land vertrieben und ermordet wurden.

Premierminister Menachem Begin nannte Palästinenser ‘zweibeinige Tiere’, Yitzhak Rabin nannte sie ‘Heuschrecken’, die ‘zerquetscht werden könnten’ (…) Nachdem diese zweibeinigen Tiere, Heuschrecken, Hunde und nicht existierenden Menschen ermordet, ethnisch gereinigt und ghettoisiert worden waren, wurde ein neues Land geboren. Es wurde als ‚Land ohne Menschen für Menschen ohne Land‘ gefeiert. Der atomar bewaffnete Staat Israel sollte als militärischer Außenposten und Tor zum natürlichen Reichtum und den Ressourcen des Nahen Ostens für die USA und Europa dienen. Ein schöner Zufall von Zielen und Vorgaben.“

Sie benennt im Weiteren ein paar widerliche Details dieses Vernichtungskrieges, die im „freien Westen“ nicht gezeigt werden.

Und dann hält sie inne und fragt sich laut, in welchem Dilemma sie nun steckt, wenn man von ihr erwartet, dass sie „die Hamas, die anderen militanten Gruppen in Gaza und ihre Verbündeten Hisbollah im Libanon, dafür verurteilen soll, Zivilisten getötet und Menschen als Geiseln genommen zu haben. Und um die Menschen in Gaza zu verurteilen, die den Hamas-Angriff gefeiert haben.“

Sie weiß um diese erwartete „Neutralität“ bzw. „moralische Äquivalenz“: „Sobald das erledigt ist, wird alles einfach, nicht wahr? Na ja. Jeder ist schrecklich, was kann man tun? Lass uns stattdessen einkaufen gehen …

Sie enttäuscht diese Erwartung auf großartige Weise:

Ich weigere mich, das Verurteilungsspiel zu spielen. Lassen Sie mich das klarstellen. Ich sage unterdrückten Menschen nicht, wie sie ihrer Unterdrückung widerstehen sollen oder wer ihre Verbündeten sein sollten.“

Sie hätte es damit bewenden lassen können. Doch, und das wissen und beschäftigt viele: Hamas und Hisbollah haben das Recht, sich gegen die Besatzung zur Wehr zu setzen. Doch Hamas und Hisbollah haben nicht nur dieses Recht, sie haben auch eine politische und gesellschaftliche Vision – von dem, was nach der Besatzung kommen soll.

Wie sie dazu steht, erklärt Arundhati Roy sehr eindrucksvoll und unmissverständlich:

„Ich bin mir sehr bewusst, dass es für mich als Schriftstellerin, als Nichtmuslimin, als Frau, die ich bin, sehr schwierig und vielleicht unmöglich wäre, unter der Herrschaft der Hamas, der Hisbollah oder dem iranischen Regime zu überleben. Aber das ist hier nicht der Punkt. Es geht darum, uns über die Geschichte und die Umstände zu informieren, unter denen sie entstanden sind. Der Punkt ist, dass sie gerade gegen einen anhaltenden Völkermord kämpfen. Es geht darum, uns zu fragen, ob eine liberale, säkulare Streitmacht gegen eine Völkermord-Kriegsmaschine antreten kann. Denn wenn alle Mächte der Welt gegen sie sind, an wen müssen sie sich wenden, außer an Gott? (…) Mir ist bekannt, dass einige ihrer Aktionen – die Tötung von Zivilisten und die Geiselnahme am 7. Oktober (…) Kriegsverbrechen darstellen. Es kann jedoch keine Äquivalenz zwischen diesem und dem geben, was Israel und die Vereinigten Staaten in Gaza, im Westjordanland und jetzt im Libanon tun. Die Wurzel all dieser Gewalt, einschließlich der Gewalt vom 7. Oktober ist Israels Besetzung des palästinensischen Landes und seine Unterwerfung des palästinensischen Volkes. Die Geschichte begann nicht am 7. Oktober 2023.

Ich frage Sie. Wer von uns, der in dieser Halle sitzt, würde sich bereitwillig der Erniedrigung unterwerfen, der Palästinenser in Gaza und im Westjordanland seit Jahrzehnten ausgesetzt sind? Welche friedlichen Mittel hat das palästinensische Volk nicht versucht? Welchen Kompromiss haben sie nicht akzeptiert, außer dem, bei dem sie auf die Knie kriechen und Dreck essen müssen?“

Aber es gibt noch einen weiteren niederträchtigen Grund, eine solche „neutrale“ Position einzunehmen. Man leugnet einfach, dass der Widerstand gegen die israelische Besatzung vielschichtig ist.

Dazu zählt der unglaubliche Wille der Menschen in Gaza, diesen nicht zu verlassen, lieber in und mit den Trümmern zu leben, als der „freiwilligen“ Deportation nach Jordanien oder Ägypten zuzustimmen. Wer nicht der Logik des Krieges folgen will, der sollte diese Menschen nicht auslöschen, sondern sichtbar machen. Sie sind die Basis des Widerstandes. Und diese Haltung ist beeindruckend und beispiellos.

 

 

Aber es gibt auch einen organisierten, bewaffneten Widerstand, der von jener „Linken“ übersehen wird. Dazu gehört auch die PFLP. Diese Organisation ist älter als Hamas und stört diese „Linke“ gewaltig. Sie ist säkular, versteht sich als sozialistisch und war an dem Ausbruch aus der „Freiluftgefängnis“ Gaza am 7. Oktober 2023 beteiligt.

Am Beispiel der PFLP könnte man laut und deutlich diskutieren, was an ihren Ideen falsch ist, was man für eigene (bessere) Ideen hat – worauf die PFLP seit Jahrzehnten sehnsüchtig wartet. Ausgerechnet von einer deutsche Linken, die als politische und organisatorische Kraft unter die Nullgrenze gefallen ist.

Das Netzwerk red. Media hat mit dem Sprecher der Abu Ali Mustafa Brigade, dem militärischen Arm der PFLP gesprochen:

„The Palestinian resistance has a message for Netanyahu: “We in Gaza are still present and strong.

red. media spoke with fighters from the Abu Ali Mustafa Brigades, the military wing of the PFLP. They shared their stances on Trump’s policies, the growing strength of the Axis of Resistance, the intensifying intifada in the West Bank, and more:

https://t.me/theredstream/13482

https://t.me/wolfwetzel/192

Das Interview ist 3.30 Minuten lang (mit englischen Untertiteln).

Wolf Wetzel

Quellen und Hinweise:

Die Kriegsmaschinerie stoppen. Wofür? Wolf Wetzel, 2024: https://wolfwetzel.de/index.php/2024/11/26/die-kriegsmaschinerie-stoppen-wofuer/

 

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