Kriegsmaschinerie stoppen – Was tun?
Teil I findet sich hier:
Kriegsmaschinerie stoppen: https://overton-magazin.de/kolumnen/kohlhaas-unchained/die-kriegsmaschinerie-stoppen/
Teil II findet sich hier:
Kriegsmaschinerie: Wie stoppen? https://overton-magazin.de/kolumnen/kohlhaas-unchained/kriegsmaschinerie-wie-stoppen/
Teil III findet sich hier:
Die Kriegsmaschinerie stoppen. Wofür? https://overton-magazin.de/kolumnen/kohlhaas-unchained/die-kriegsmaschinerie-aufhalten-wofuer/
„Als wir gegen den Vietnam-Krieg protestierten, ignorierten man unsere Kritik. Wir mussten erst den Rasen betreten, damit über diesen Krieg gesprochen werden kann.“ (Peter Weiss, Autor des Buches: „Die Ästhetik des Widerstands” (1972)
Teil IV
Ich möchte diesem letzten Beitrag eine Schlussfolgerung aus den vorangegangenen Beiträgen vorausschicken:
Gerade wurde ein „Waffenstillstand“ im Libanon beschlossen. Man muss kein Militärexperte sein, um festzuhalten, dass dieser Waffenstillstand nichts an der Grundlage des Konfliktes ändert. Im Gegenteil: Der Waffenstillstand ist voller kolonialer und imperialer Anmaßungen. Er zieht u.a. eine neue Grenze zwischen Israel und dem Libanon (Pufferzone). Und man behält sich alles vor, wenn die Hisbollah nicht das macht, was man von „Ungeziefer“ erwartet.
Die Grundsatzfrage, wie man eine Kolonialfrage antikolonial löst, wird niemals von den Kolonialmächten beantwortet.
Das betrifft den Staat Israel als Landräuber Palästinas und die von allem imperialen Staaten unterstützte Handlung, zuerst Palästina zu „teilen“ und dann den Rest dem kontrollierten Aushungern, den UN-Flüchtlingswerken zu überlassen.
Das gilt auch für den Krieg gegen Russland auf dem Boden der Ukraine.
Der Krieg hat nicht mit dem Angriffskrieg Russlands 2022 begonnen, sondern mit dem seit Jahrzehnten geführten Krieg gegen Russland, mit Vertragsbrüchen (1989/90), mit dem militärischen Vormarsch der NATO (als so genannte Osterweiterung getarnt) an die Grenzen zu Russland, mit dem offen benannten Bruch der Minsk I und II Abkommen 2014 und dem seitdem betriebenen und gewollten Krieg gegen die abtrünnigen Republiken (Donezk und Luhansk).
Nichts spricht dafür, dass es eine „Friedenslösung“ gibt, die die Anerkennung der imperialen Grundkoordinaten, die 1989/90 vereinbart wurden, berücksichtigt: Keine NATO-Osterweiterung als Versprechen für den Rückzug aller russischen Soldaten und Atomraketen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken. Egal, welche Friedensinitiative diskutiert wird: Das Ziel, Russland zu „ruinieren“, wird nicht aufgegeben.
Ich bin mir ganz sicher, dass diese Kriege, die in einen Weltkrieg münden, nicht von den Kriegsparteien beendet werden (können). Es wird auf einen massiven Widerstand in den europäischen Staaten und in den USA ankommen, der so stark und mächtig ist, dass die Kriegsregierungen in Europa und den USA Sorge haben müssen, dass sie den Krieg im eigenen Land verlieren. Es geht um das „Vietnam-Syndrom“. Der Krieg in Vietnam, gegen den Vietcong wäre noch jahrelang weitergeführt worden, selbst wenn er militärisch nicht zu gewinnen war. Denn es gab keine US-Regierung, die diese „Niederlage“ eingestehen wollte – abgesehen vom industriell-militärische Komplex, der nicht vom Frieden lebt, sondern vom Krieg. Es waren in erheblichem Maße die Millionenfachen Anti-Vietnam-Proteste, die unzähligen Formen des Widerstandes (in den USA und in Europa),
Kein BSW wird uns da „retten“, kein „Trump“, kein „Scholz“, keine selbstberuhigenden Reden, von wegen: Es wird nichts so heißt gegessen, wie gekocht.
Damit wir tatsächlich Stellung beziehen, müssen wir auch die besagte „moralische Äquivalenz“ (Arundhati Roy) aufgeben, die in eine politische Äquivalenz mündet, in der man beide Seiten als Kriegsfalken und Hardliner in eins setzt. In dieser Zone der Neutralität kann man nur noch an andere appellieren, was auch den überwiegenden Rufen nach „Waffenruhe“ und „Friedensverhandlungen“ entspricht.
Doch die Kriegsverbrechen, die tatsächlich auf beiden Seiten begangen werden, machen die beiden Seiten nicht gleich und austauschbar. Es geht um eine imperiale Weltordnung, um die selbsternannten Weltpolizisten, die in Gaza, im Libanon und in der Ukraine (an der Ostfront) um ihre Vormachtstellung kämpfen.
Und deshalb geht es darum, zu verstehen, warum der Krieg in Vietnam ganz besonders in den USA selbst verloren wurde: Der Feind war nicht länger der Vietcong, sondern die eigene Regierung. Den Krieg, irgendwo anders, hier zu entschlüsseln, hier zu verorten und hier zu begreifen, war eine der großartigsten Leistungen der Anti-Vietnam-Bewegungen.
Das drückte sich in eindrucksvollen Statements aus, wie das von Mohamed Ali, der den Kriegsdienst 1967 u.a. mit dem Satz verweigerte:
„My conscience don’t let me go shoot my brother … Mein Gewissen erlaubt es mir nicht, einen Bruder zu erschießen. Wofür sollte ich sie erschießen? Sie haben mich nie einen ‚Nigger‘ genannt. Sie haben meine Mutter nicht vergewaltigt. Und sie haben auch meinen Vater nicht umgebracht. Warum also sollte ich auf sie schießen?“
Und in Deutschland setzte die außerparlamentarische Opposition (APO) diese Einsicht in die Parole um: „Schaffen wir zwei, drei, viele Vietnams“.
Was tun?
Wie kann man Druck machen, dass das, was wir nicht länger wollen auch nicht mehr geschieht? Kann man einen Krieg, einen drohenden Weltkrieg aufhalten? Kann man die Waffen, die auf uns gerichtet sind, gegen sie drehen? Kann man Bertold Brecht nicht nur literarisch folgen –und wenn wie?
Die Frage ist so alt wie die Herrschaft.
Ich möchte eine letzte Schlussfolgerung, eine sehr wesentliche Prämisse für das Folgende vorausschicken. Wir sollten über die gegenwärtig miesen Voraussetzungen für eine eigenständige, radikale und nicht partei-politisch instrumentalisierte Anti-Kriegsbewegung nicht herumreden.
Wir können aber sehr wohl das Wissen, auf das wir zurückgreifen können, in Erinnerung rufen und in unserem Handeln berücksichtigen.
Alle wissen, dass das Thema Krieg in den nächsten Jahren, bis zum Ausbruch, die Gemüter erhitzen und ganz verschiedene und gegensätzliche „Akteure“ auf den Plan rufen wird. Das reicht von AfD bis hin zur alten und „neuen“ Friedensbewegung.
Wen will man alles „mit ins Boot nehmen“, was will man „offen“ lassen? Man sollte sich nicht daran beteiligen. Daran ist schon die alte Friedenbewegung gescheitert.
Es ist sehr einfach, damit nicht taktisch und klientelistisch umzugehen. Es reicht als Grundkonsens: Wir werden alles tun, unterstützen und fördern, was Deutschland kriegsuntauglich macht.
Und noch etwas würde diffuse Beteiligungen und gezielte Instrumentalisierungen ausschließen:
Wir erklären uns ausdrücklich solidarisch mit allen Aktionsformen, die diesem Ziel dienen. Das schließt ein, dass wir eigene, andere Aktionsformen und Möglichkeiten präferieren und nicht bereit sind, sie gegeneinander auszuspielen.
Palästina-Protestcamps in den USA
Diese Camps auf den jeweiligen Universitätsgeländen waren groß und wirksam. An über 80 Universitäten wurden die Verlogenheit der US-Politik diskutiert, Israel mit Waffen und kriegsrelevanten Daten zu beliefern und gleichzeitig das Leid der Zivilbevölkerung zu beklagen.
Die Protestcamps forderten von den Universitätsleitungen, dass alle wissenschaftlichen und kulturellen Verbindungen zu israelischen Institutionen gekappt und alle Formen der Zusammenarbeit eingestellt werden. Die Camps hatten weit über die USA eine Signalwirkung, denn in der Folge kam es zu vielen Protestcamps in Unis in Europa. Auch wenn viele Protestcamps abgebrochen wurden, bleibt es beharrlich bei den Forderungen.
In Mailand/Italien hat die monatelange Mobilisierung der ‚Studenten-Intifada‘ der Staatlichen Universität Mailand zu einem außergewöhnlichen Sieg geführt: Die Universität Mailand wird ihre Beziehungen zur Reichman University einfrieren: „Die Reichman University ist nicht nur eine akademische Institution, sondern ein Symbol des Zionismus“, schrieben die Jungen Palästinenser in ihrer Mitteilung zur Bekanntgabe. Die Studenten prangern an, dass diese Universität eng mit den militärischen Institutionen des israelischen Staates verknüpft ist, da sie jedes Jahr eine Konferenz für hochrangige Mitglieder der israelischen Streitkräfte ausrichtet. Auf diese Weise hat die Universität nun alle Austauschprogramme mit israelischen Hochschulen vorerst eingestellt. Fast ein Jahr nach den ersten Protestaktionen erneuern die Studenten ihre Forderungen: „Wir haben gezeigt, dass studentischer Widerstand funktioniert“, heißt es in der Mitteilung weiter. „Nun fordern wir das Gleiche in allen italienischen Städten!“ (Mailand – Studenten gewinnen: Die Universität friert alle Beziehungen zu israelischen Universitäten ein, 23.10.2024)
Im Juni dieses Jahres hatte bereits die Universität von Palermo als erste in Italien alle Abkommen mit Israel ausgesetzt.
Waffenlieferungen an Israel (und die Ukraine) verhindern.
Die belgischen Gewerkschaften sprachen sich mit als erste in Europa gegen Waffenlieferungen an Israel aus: „Wir, die verschiedenen im Bereich der Bodenabfertigung tätigen Gewerkschaften, rufen unsere Mitglieder auf, die Abfertigung von Flügen einzustellen, die militärisches Gerät transportieren“, hieß es bereits im November 2023 in einer gemeinsamen Erklärung.
Hier und dort streuen Werktätige tatsächlich Sand ins Getriebe der Kriegsmaschinerie. Zuletzt ist das in der Nacht zum 19. Oktober 2024 im griechischen Piräus gelungen, wo Dockarbeiter die Verladung von Munition für Israel verhindert haben. (jW vom 24.10.2024)
In der Türkei ist die politische Lage besonders und erklärend zugleich.
Offiziell hat sich die türkische Regierung gegen das israelische Kriegskabinett gestellt und die Kriegshandlungen in Gaza als Genozid verurteilt. Es gingen Hunderttausende in der Türkei auf die Straße, um sich solidarisch mit dem palästinensischen Widerstand zu zeigen. Auch der Ministerpräsident Erdogan und seine Partei AKP haben diese Großdemonstrationen unterstützt. Aber genau hier wird ein sehr taktisches Verhältnis sichtbar. Man nimmt mit dieser scheinbaren Unterstützung Rücksicht auf die große Mehrheit in der türkischen Gesellschaft, die mit Palästina solidarisch ist. Tatsächlich unternimmt die türkische Regierung nichts, was in Richtung politischer und wirtschaftlicher Konsequenzen geht. Im Gegenteil: Selbst die Waffengeschäfte gehen weiter und bewaffnen damit genau das, was man als Kriegsverbrechen anprangert. Als Palästina-Solidaritätsgruppen erfahren hatten, dass ein israelisches Kriegsschiff in Ambarli-Hafen von Istanbul Halt machen will, versuchten sie das zu verhindern. Die Polizei schritt ein, damit die Belieferung von Waffen nicht gestört wird.
Man kann auch sagen, dass die türkische Regierungspolitik für viele arabische Staaten steht. Sehr viele Menschen in Gaza und im Libanon fragen immer wieder nach den „Brüdern“, nach den „Brüderstaaten“, die nicht helfen. Sie stehen zwar gedanklich an der Seite Palästinas, aber ihre praktischen Schritte sind extrem platonisch bis widersprüchlich. Das hat viel mit der Verfasstheit vieler arabischer Staaten zu tun. Sie haben alle autoritäre, reaktionäre Staatsformen, die nach wie vor die besten Geschäfte (Öl, Rohstoffe etc.) mit den Staaten machen, die Israel bis zum Genozid unterstützen. Gleichzeitig müssen sie mit einer Bevölkerung leben, die mit ihrer starken Unterstützung mit Palästina ihr eigenes Schicksal spiegeln:
Das heißt aber auch, dass diese arabischen Regierungen immer mit der Angst leben, dass ihre vorgetäuschte Solidarität mit Palästina entlarvt wird und die Frage im Raum steht: Auf welchen Kosten lebt eine winzige Minderheit arabischer Scheichs und Milliardäre?
Strike Germany – Ein Gespenst geht um die Welt
„STRIKE GERMANY is a strike against anti-Palestinian racism and censorship in their most advanced official forms. As Gaza is being annihilated, artists and cultural workers have a responsibility to fight.“
Zu den wenigen staatsnahen Medien, die über diesen Boykottaufruf berichteten, gehört der Deutschlandfunk. Anfang Januar 2024 berichtete er darüber:
„Die gut 1.000 Unterzeichner des Aufrufs “Strike Germany” werfen Deutschland eine zu große Nähe zu Israel vor. Sie fordern unter anderem, Veranstaltungen deutscher Kultureinrichtungen zu boykottieren, weil diese „Solidaritätsbekundungen mit Palästina unterdrücken“ würden. Wer den Aufruf gestartet hat, ist bisher unbekannt.“
Der Deutschlandfunk hatte bei der Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth, nachgefragt, was sie davon halte. Sie wollte sich dazu nicht äußern, um dann doch noch etwas recht Überraschendes nachzuschieben:
„Das Büro der Grünen-Politikerin schickte der Rheinischen Post eine Stellungnahme. Darin hieß es, die Kulturstaatsministerin habe mehrfach betont, dass sie von Boykottaufrufen in der Kultur nichts halte. ‚Sie schätzt die Situation in der deutschen Kultur auch völlig anders ein‘.“
Diese Äußerung ist mehr als absurd. Sie weiß sehr wohl um die zahlreichen Boykottmaßnahmen in Deutschland, immer dann, wenn es um die Kritik an der israelischen Regierungspolitik geht. Es gibt schon lange vor dem israelischen Einmarsch in Gaza 2023 eine auf Bundesebene organisierte Verbotskampagne, wenn es um den BDS-Boykottaufruf geht, der auf internationaler Ebene den Kampf gegen die israelische Besatzung mit einem Boykottaufruf verknüpft.
„BDS“ steht fürBoykott, Desinvestitionen und Sanktionen
Anstatt darüber öffentlich zu diskutieren, darüber öffentlich zu streiten, wie man eine Besatzung gutheißt oder wie man sie nicht hinnimmt, wurde 2019 ein Anti-BDS-Beschluss verabschiedet, der Initiatoren und Unterstützerinnen der BDS-Kampagne die öffentlichen Räume verweigern soll. In Folge dieser massiven Zensurmaßnahme wurden zahlreiche Autoren, Künstlerinnen und Kulturschaffende ausgeladen oder erst gar nicht eingeladen, weil man deren Haltung und deren politische Einstellung als „Israel bezogenen Antisemitismus“ brandmarkten will.
Diese Kampagne ist nach wie vor wichtig und wirksam.
Boykott israelischer Kulturinstitutionen
„Zu einem Kulturboykott gegen Israel hat Ende Oktober 2024 das Internationale Palästinensische Literaturfestival aufgerufen. Tausende Autoren und Autorinnen aus aller Welt haben die dazu verfasste Petition unterschrieben. Betroffen sind generell israelische Kulturinstitutionen, darunter auch Verlage und die in ihnen publizierenden Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Beschuldigt werden diese Kultureinrichtungen (und ihre Protagonisten), ‚sich an der überwältigenden Unterdrückung der Palästinenser mitschuldig gemacht oder diese stillschweigend beobachtet (zu) haben‘. Unter den Unterzeichnenden des Aufrufs finden sich prominente Namen wie Annie Ernaux, Arundhati Roy, Jonathan Lethem, Naomi Klein und Sally Rooney, die sich weigern, dass ihre Bücher auf Hebräisch erscheinen.“ (Moshe Zuckermann,2024)
Denk-mal nach … Umsturz
Man kann etwas zum Kippen bringen, damit es richtig dasteht. Das passierte in Frankfurt-Höchst, das ansonsten nur mit dem Kapitalriesen Höchst-AG und Industrieschnee in Verbindung gebracht wird. Dort befindet sich ein „Otto-von-Bismarck-Denkmal“. Bismarck wird in die deutsche Staatsgeschichtenerzählung als einer der Staatengründer geehrt. „Er“ hat Deutschland zu dem gemacht, was man heute „great“ nennt. Damals war die Vereinigung genauso „friedlich“ wie 1989/90. Ein bisschen Druck, ein bisschen Krieg und das Erste Reich stand.
Dabei wird selbstverständlich die Kolonial-Geschichte des Bismarck-Reiches vorsätzlich und gerne vergessen und verschwiegen: Ein Facebook-Profil in der lokalen Gruppe Frankfurt-Höchst brachte die Tat mit der am 15. November 2024 stattfindenden „Dekoloniale Berliner Afrika-Konferenz“ in Verbindung:
„Genau vor 140 Jahren gab es die Afrika-Konferenz in Berlin 1884/85, die Bismarck einberufen hat. Darin waren ausschließlich europäische und westliche Mächte eingeladen, die sich beim ‚Wettlauf um Afrika‘ ein Stück sichern wollten.“
Deshalb fiel die Bismarck-Statue auf den den Boden der Realitäten:
„Ein Otto-von-Bismarck-Denkmal in Frankfurt wurde von bislang unbekannten Tätern zerstört. Es sei in der Nacht angesägt worden, dann sei die Bronzestatue vom Sockel gestürzt worden, teilte die Polizei am Freitag mit. Außerdem seien Schriftzüge angebracht worden, die auf eine politisch motivierte Tat schließen ließen. Sie hätten einen Bezug zu der Rolle Bismarcks in der Kolonialzeit. Der Staatsschutz ermittelt wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung, es werden Zeugen gesucht.
Welchen Schriftzug die Täter auf dem Denkmal hinterließen, lässt sich anhand der in den sozialen Medien geposteten Fotos feststellen: Das Denkmal wurde am „Körper“ des gestürzten Reichskanzlers mit dem Schriftzug „Colonizer“ beschmiert, zusätzlich dazu wird am Sockel mit weißem Farbspray mitgeteilt, dass es sich um eine „Antikoloniale Aktion“ handelt.“
Bismarck steht u.a. für dieses:
Unter seiner Kanzlerschaft wurden drei von ihm mitverantwortete Kriege geführt:
1. Krieg gegen Dänemark (zusammen mit Österreich)
2. Krieg gegen Österreich zwecks Vorherrschaft des militaristischen Preußens.
3. Krieg gegen Frankreich, um damit einen europäischen Konkurrenten auszuschalten.
In diesem Zusammenhang gab er der reaktionären französischen Thiers-Regierung den „Segen“, um die Pariser Kommune 1871 im Blut zu ertränken. Passend zur blutigen Niederschlagung der Pariser Commune wurde das Sozialisten-Gesetz erlassen, weil man die damals noch revolutionäre Sozialdemokratie ausschalten wollte.
Des Weiteren wäre die Kongo-Konferenz (1984/85) zu erwähnen; die der Sicherung deutscher Interessen auf dem afrikanischen Kontinent diente.
Für was die AfD steht, hat uns die Alternative für Deutschland selbst verraten. Es ist alles, nur nicht alternativ. Es ist stockreaktionär:
„Der AfD-Abgeordnete Frank Grobe schrieb die Tat ‚Linksextremisten‘ zu. ‚Das ist Teil des linksextremen Kulturkampfes und ein Anschlag auf unsere Geschichte und Identität. Stoppt endlich die Cancel Culture!‘, schrieb er auf X und postete das Foto der demolierten Bismarck-Statue.“ (rt deutsch vom 15.11.2024)
Am 14. November 2024 fanden in Berlin zwei antimilitaristische Besetzungen am Molecule Man und am Brandenburger Tor statt, die das Endes des Krieges in Nahost forderten und sich gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland richteten.
Die Beteiligten kleideten den Molecule Man mit einem roten Tuch ein, auf dem zu lesen war:
„Dritten Weltkrieg verweigern. Keine Mittelstreckenraketen in Deutschland. Keine Eurofighter in Kurdistan.“
Bundesweite Veranstaltungsreihe „Club der Totgeschwiegenen“
Candice Breitz, Michael Rothberg, Udi Raz, Anwar El Ghazi, Jeremy Corbyn, Ghassan Hage, Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost, Iris Hefets, Anaïs Duplan,
Raphaël Malik, Deborah Feldman, Vincent Bevins, Sharon Dodua Otoo, Elisa Baş, Nadja Vancauwenberghe, Masha Gessen, Arabian Panther, Daniela Ortiz, Emilia Roig,
Taqadum Al-Khatib, Combatants for Peace, Kaya Yanar, Mohammad Shawky Hassan, Malcolm Ohanwe, Adania Shibli, Annie Ernaux, Judith Butler
sind einige Namen, die sich allesamt eines schuldig gemacht haben: Sie haben den Vernichtungskrieg in Gaza kritisiert und haben sich nicht vor der „deutschen Staatsraison“ verbeugt.
Auch auf dem zweiten Schlachtfeld wird hinter den Linien aufgeräumt. Damit ist der Krieg auf dem Territorium der Ukraine ab 2022 gemeint. Dieselben, die unentwegt vom „Verteidigungskrieg“ Israels fabulieren, wissen hingegen, dass man den russischen Einmarsch in die Ukraine mit nur einem Wort erklären kann: „Angriffskrieg“. Wer darauf besteht, dass der Krieg in der Ukraine noch weitaus mehr Beteiligte hat und der Krieg vor allem von jenen gewollt ist, für die Ukraine nur ein Bauer auf dem Schachbrett ist, ist ganz schnell raus aus dem „Geschäft“. Dazu gehören vor allem jene Stimmen, die einst zu den Flaggschiffen der öffentlich-rechtlichen Bildungsanstalten gehörten wie Michael Lüders oder die Publizistin Gabriele Krone-Schmalz, die einst Moskau-Korrespondentin der ARD war. Beide können sich mittlerweile vor Auszeichnungen wie Putinversteherin bis Putinpropagandist oder einfach die „5. Kolonne Moskaus“ kaum retten.
Der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko, der ehemalige SPD-Ministerpräsident des Saarlandes und Mitgründer der Linkspartei Oskar Lafontaine, Sahra Wagenknecht (BSW), Sevim Dağdelen (BSW), Ulrike Guérot, Alice Schwarzer (Emma) usw. zählen auch dazu.
Diese Frontbegradigung macht nicht einmal vor einst so verdienten Sozialdemokraten Halt. Ihnen wird nun die „Entspannungspolitik“ zum Verhängnis. Dazu zählen der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt genauso wie der einstige „Genosse der Bosse“, Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder.
All diese Künstler, Schauspielerinnen, Autoren, Politiker und Aktivistinnen wurden in den letzten Jahren ausgeladen, sanktioniert, denunziert und stehen nun auf „Faesers Liste“.
Ich könnte noch viele mehr auszählen. Alle hier Gebrandmarkten und über Bord Geworfenen haben weder zum bewaffneten Kampf aufgerufen, noch zum Sturm auf die Bastille, pardon zum Sturm auf das Bundeskanzleramt.
Auch die Systemfrage wurde nicht gestellt. Sie alle haben vehement den politischen Monotheismus in Frage gestellt, indem sie Krieg und Frieden nicht für dasselbe halten, indem sie These und Antithese nicht als Zeitverschwendung abtun, sondern als Grundlage von Erkenntnisgewinn verstehen, was man bei passender Gelegenheit gerne auch mal als Errungenschaft der Aufklärung preist.
Und, jetzt komme ich auf das Besondere an dieser Mischung aus Denunziation, Zensur und Silencing:
Sie trifft (im Wesentlichen) keine eh schon Marginalisierten, am Rand Lebenden oder an den Rand Gedrängten. Sie gehörten alle zum politischen und kulturellen Establishment. Sie waren eine/r von ihnen, also das, was man als „lebendige Demokratie“ angepriesen hatte. Damit ist mehr als eine Verschiebung der Feindmarkierung gemeint. Es ist ein deutliches Zeichen dafür, dass selbst die Risse im System größer werden.
Wir bedauern all dies seit ein paar Jahren, wir kritisieren es, mit wachsender Müdigkeit. Und wir alle lassen es zu, dass es Erfolg hat. Wir lassen uns den Raum nehmen, den wir für Diskussionen und das Zusammenkommen brauchen. Wir lassen uns die Personen nehmen, denen wir zuhören wollen, mit denen wir diskutieren wollen.
Solang wir uns die Finger wund schreiben, solange wir ein paar Tränen vergießen und dann weitermachen, wird sich das fortsetzen.
Sie werden die Abtrünnigen weiterhin markieren, an den Pranger stellen, über sie herfallen, sie persönlich fertigmachen, ihnen ihre beruflichen Möglichkeiten einschränken. Sie werden nicht mehr eingeladen, sie werden ausgeladen. Veranstaltungen mit ihnen werden „abgesagt“. In aller Regel müssen sie damit alleine, ganz alleine klarkommen.
Es kann nicht mehr darum gehen, die Liste der Verbrannten um weitere Namen zu ergänzen, sich darüber aufzuregen und dann alles mitzumachen.
Wir müssen dafür sorgen, dass sie uns sehen, dass wir sie hören können, dass wir zusammen sein wollen – ein Grund mehr, das durchzusetzen, wenn ihnen das nicht passt.
Dazu könnte man überall „Clubs der Totgeschwiegenen“ gründen und sich vornehmen, die zahlreichen „Tot/Angesagten“ einzuladen. Das würde dazu beitragen, sie nicht alleine zu lassen. Gleichzeitig wäre dies ein ganz wichtiger Beitrag, das Silencing zu durchbrechen.
Generalstreik
Der Generalstreik war immer eine entscheidende Waffe, dem (bevorstehenden) Krieg das produktive Rückgrat zu brechen: Keine Waffen produzieren, keine Waffen verschicken, an keiner „Kriegswirtschaft“ mit-arbeiten.
Ende November organisierten in Italien die Basisgewerkschaften einen Generalstreik mit insgesamt 500.000 Beteiligten. Es ging um vielen, in wahrsten Sinn des Wortes um alles. Zusammen, mit Vertretern der palästinensischen Verbände (Udap, Api und Gp).
„Höhere Löhne, weniger Prekarität, Recht auf Gesundheit und Studium, Sicherheit am Arbeitsplatz und ein entscheidendes Nein zu Kriegs- und Kriegswirtschaft „und für das Ende von Bombenangriffen und bewaffneten Konflikten Gaza“ (il manifesto vom 30.11.2024)
Organisierung
Einige Viele werden nicken. Alles gute Vorschläge. Aber ich bin alleine. Was soll ich da ausrichten?
Bisher haben sich einige bis viele damit abgefunden, weil sie doch eine (bessere) Partei wählen. Mit dieser Art von Selbstberuhigung muss man behutsam umgehen. Sie hat eine lange Tradition: Die GRÜNEN sollten in den 1980er Jahren „unsere“ Anliegen vertreten. Was auf der „Straße“ nicht erfolgreich war, sollte im Parlament zum „Sieg“ führen. Gut, der Sieg führte bestenfalls zur Mülltrennung und zum ersten rot-grünen Angriffskrieg gegen die ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien 1999. Dann hat man die „LINKE“ gewählt, mit derselben Hoffnung. Nun sind wir bei einer Eine-Frau-Partei angelangt: „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW).
Genau das wird ein entscheidender Punkt sein: Die weniger noch existierenden organisatorischen Strukturen sind völlig überfordert.
Wir werden uns organisieren müssen – und zwar auf eine Weise, die uns Spaß macht, die uns guttun und den vielen anderen Mut macht, das Homeoffice zu verlassen.
Wolf Wetzel
Quellen und Hinweise:
Mailand – Studenten gewinnen: Die Universität friert alle Beziehungen zu israelischen Universitäten ein, L’indipendente vom 23.10.2024: https://www.lindipendente.online/2024/10/23/milano-vincono-gli-studenti-luniversita-congela-tutti-i-rapporti-con-gli-atenei-israeliani/
Strike Germany – Ein Gespenst geht um die Welt, Wolf Wetzel, 2024: https://wolfwetzel.de/index.php/2024/03/26/strike-germany-2/
Wenn Kabarettisten von Bord gehen und Abtrünnige über Bord geworfen werden. Teil II, Wolf Wetzel, 2023: https://wolfwetzel.de/index.php/2023/08/01/wenn-kabarettisten-von-bord-gehen-und-abtruennige-ueber-bord-geworfen-werden-teil-ii/
Archive of silence: https://docs.google.com/spreadsheets/d/1Vq2tm-nopUy-xYZjkG-T9FyMC7ZqkAQG9S3mPWAYwHw/edit#gid=1227867224
Die Hamburger Morgenpost, eine portugiesische Korvette und zwei israelische U-Boote, Dagmar Henn, RT DE vom 24.10.2024: https://luuul.ru/uv/service/hvtrs8%2F-dg.pt%2Ccmm-mgilulg-203612-oopggnroqt%2Fpmrvueigsksahg-iopvgtve%2Fuld%2Fzuek%2F
SDS/APO Hamburg, Jahre der Revolte – Informationen und Diskussion zu 1968 und heute:
Hans-Dietrich Genscher. Die Biografie. Hans-Dieter Heumann, Schöningh, Paderborn 2012, S. 280
Boykott gegen Lidl in Schweden, Bojkotta, 2024: https://www.facebook.com/reel/1038603254600315
Blockade der New Yorker Börse in Lower Manhattan, 2024: https://www.facebook.com/ninamaleika/videos/1181096249664970
Kulturboykott gegen Israel, Moshe Zuckermann, 2024: https://overton-magazin.de/top-story/kulturboykott-gegen-israel/
„Antikolonialistische Aktion“: Bismarck-Denkmal in Frankfurt geschändet und gestürzt, rt deutsch vom 15.11.2024: https://luuul.ru/uv/service/hvtrs8%2F-dg.pt%2Ccmm-ggsglnsahcfv%2F0240%3A7%2Faltkkmlmnkaniqtksahg-ckvimn%2Fbksoapci-felkoan-kn%2Fbksoapci-felkoan-drcnifwrv-eeqcjagnfev%2F
Streik, Basisgewerkschaften auf 28 Plätzen, il manifesto vom 30.11.2024: https://ilmanifesto.it/sciopero-sindacati-di-base-in-28-piazze
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