Die Legende von der „kaputtgesparten“ Bundeswehr
Die Bundeswehr sei „stahlgewordener Pazifismus“ (Die Zeit), sei „Schrott“ (Bild), weil sie „chronisch unterfinanziert“ (Deutschlandfunk) sei, erklärten uns die Laufstallmedien bereits 2014.
Eigentlich sollte man sich über diese Behauptung totlachen. Deutschland gehört zu den führenden Waffenexporteuren und die Empfängerländer kaufen „Schrott“? Ja, echt?
Die deutschen Bundesregierungen haben seit Jahren Milliarden in die Bundeswehr gesteckt und die Soldaten haben keine Unterhosen und die Waffen schießen nicht! Ach ja.
Gleichzeitig werden sie gelobt, für ihre Auslandseinsätze und ihre professionelle Einstellung. Wie passt das zusammen?
Ein großes Lob für die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr kommt seit Jahrzehnten von der israelischen Armee (IDF): Ziel war und ist es, „die Einsatzerfahrungen der israelischen Streitkräfte für den angestrebten Umbau der Bundeswehr zur weltweit operierenden Interventionstruppe zu nutzen. Dazu bemühten sich die deutschen Streitkräfte um Ausbildung in Israel unter anderem im ‚Häuser- und Tunnelkampf‘. In der Bundeswehr heißt es, die Zusammenarbeit der Streitkräfte beider Länder sei ‚unglaublich eng‘.“ (german-foreign-policy.com vom 2.10.2024)
Eine israelische Armee, die über die besten Waffen, Techniken und Kriegserfahrungen verfügt, lobt eine Bundeswehr, die nicht einmal Unterhosen für ihre Soldaten hat? Und zudem steht Deutschland an zweiter Stelle für Waffenlieferungen an Israel und Israel schickt die Waffen nicht zurück, sondern setzt sie dankbar beim Vernichtungskrieg in Gaza ein!
Und noch etwas passt so gar nicht zusammen: Das Märchen von der „kaputtgesparten“ Bundeswehr hat fast keine parlamentarische Opposition. Alle, also auch die kaputte LINKE, wollen eine starke Bundeswehr, die unser Land verteidigt. Ach ja? Gegen wen? Wer bedroht uns?
Die Legende von der „kaputtgesparten“ Bundeswehr hat keine inneren Feinde, kennt nur Kameraden im Geiste: Sie wird mit Inbrunst von CSU/CDU, über FDP bis hin zur AfD vertreten. Man kann auch sagen: Die „Brandmauer gegen rechts“, die CSU/CDU, FDP, FDP, Grüne bis LINKE bis zur Unkenntlichkeit vereint, hat also einen ähnlichen Legendenstatus wie die „kaputtgesparte“ Bundeswehr.
Keine einzige im Bundestag vertretene Partei widerspricht dieser Legendenbildung vehement und offensiv. Wie kriegsbesessen alle Parteien dabei sind, wird deutlich, wenn man die Frage stellt:
Was wäre schlimm daran, wenn die Bundeswehr tatsächlich „kaputtgespart“ wäre, also eben nicht kriegstauglich ist?
Wahrscheinlich wird man diese Frage in keiner öffentlich-rechtlich-privaten Talkshow stellen können, ohne bei jedem zweiten Wort in Lanz-Manier unterbrochen zu werden.
Keine im Bundestag vertretene Partei kämpft gegen jeden Krieg, gegen jede Art der Kriegsertüchtigung. Alle haben lediglich eine Prioritätenliste.
Die Grünen wollen zuerst Russland ruinieren und verschieben die Kriege, die folgen werden, auf danach. Sie denken ganzheitlich, haushälterisch.
Die SPD will selbstverständlich mitmachen, hat aber noch den letzten „Russlandfeldzug“ in den Knochen. Sie will Russland endlich besiegen – aber ohne das Stalingrad-Feeling, mit der Sowjetflagge auf dem Reichstag 1945 am Ende. Also will sie mitmachen, ohne ganz direkt dabei zu sein. Die Zusage, dass deutsche Waffen, die ja angeblich nur Schrott sind, nicht gegen russische Ziele eingesetzt werden sollen, sind keinem Zurückhaltungsmodus, sondern einem Selbsterhaltungstrieb geschuldet.
Ganz anders die FDP, mit ihren Strack-Rheinmetall, dem „Flintenweib“ an der Speerspitze. Sie würde am liebsten gegen Russland und China gleichzeitig Krieg führen. Sie kann den Weltkrieg gar nicht erwarten und ist (im sicheren Rückraum) kaum aufzuhalten.
Und die AfD? Sie ist keine Anti-Kriegspartei! Sie hat der Erhöhung des Bundeswehrhaushaltes zugestimmt. Sie hat die Hand gehoben, als es darum ging, den 100 Milliarden Euro zuzustimmen, die als „Sondervermögen“ getarnt wurden und nichts weiter als Kriegsanleihen sind.
Die AfD führt das Märchen von der „kaputtgesparten“ Bundeswehr seit langem in ihrem Portfolio. Sie ist gegen den US-(an-)geführten Krieg auf dem Boden der Ukraine. Das stimmt. Sie ist aber gleichzeitig eine willige Unterstützerin des Vernichtungskrieges in Gaza!
Die „kaputtgesparte Bundeswehr“ – eine wiederaufbereitete „Dolchstoßlegende“
Die Bundeswehr steht „mehr oder weniger blank“ da. (Heeresinspektor Alfons Mais, 2020)
Wenn sich Legenden die Hand reichen, ist der Wahnsinn völlig normal.
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges stand fest: Deutschland hat sich in Russland und im Rest der Welt nicht „selbstverteidigt“, sondern war als Kriegsverbrecher-Nation unterwegs. Man hat 1918 kapituliert und musste den Versailler „Friedensvertrag“ unterschreiben. Der sah u.a. ein quasi demilitarisiertes Deutschland vor. Also ein Deutschland, das militärisch nicht mehr in der Lage sein soll, andere Länder zu überfallen. Eigentlich eine der besten Ideen, die man der Welt schenken konnte.
Komplettiert wurde dieses „Siegerdiktat“ von einem revolutionären Aufstand in Deutschland. Man wollte nicht nur keinen Krieg mehr, im Ausland, sondern auch keinen im Inneren. Denn die Gründe für diesen Ersten Weltkrieg lagen nicht nur am Kaiserreich, sondern an einer politischen und ökonomischen Ordnung, die Krieg zur Aufrechterhaltung braucht.
Es entstanden Soldaten- und Arbeiterräte, die das parlamentarische System ersetzen sollten. Das war nur konsequent, denn selbst die „Opposition“ im Parlament hatte den „Kriegskrediten“ (sie heißen jetzt „Sondervermögen“) zugestimmt. Diese „Opposition“ hatte einen Namen: die SPD. Sie hatte bis zum bitteren Ende dem Kaiserreich und den Kriegszielen zugestimmt.
Nach dem Ende des „Zweiten Reiches“ flohen der Kaiser und sein Gefolge. Aber die Klasse, die weder gewählt, noch in den Krieg zieht, blieb. Und die wählte einen „genialen“ Schachzug: Man hob die SPD aufs Schild und ließ diese schließlich (mit der Zentrumspartei zusammen) auch den Versailler Vertrag unterschreiben. Die SPD war dankbar – für diese Machtoption … und zeigte sich erkenntlich: Als die kriegsmüden Soldaten und Arbeiter keinen Block auf die SPD hatten und ihr den Verrat nicht verziehen, rächte sich die SPD und ließ auf die Arbeiter und Soldaten schießen, die sich diesem Kotau nicht unterwarfen. Damit wurde der SPD-Mann Gustav Noske, mittlerweile Oberbefehlshaber der Regierungstruppen, betraut.
Bereits 1907, also vor dem Ersten Weltkrieg, machte er für die SPD die Kriegslinie fest und reproduzierte das Kriegsmotiv von einem Deutschland, das sich „verteidigen“ müsse, denn es habe die Pflicht und Schuldigkeit dafür zu sorgen, „dass das deutsche Volk nicht etwa von irgendeinem Volk an die Wand gedrückt wird“. (vorwärts vom 9. Juli 2023)
Kurz nach Kriegsbeginn 1914 war der SPD-Mann Noske voll dabei: „„So ist denn Krieg im Land. Uns alle beherrscht jetzt nur die Frage: Wollen wir siegen? Und unsere Antwort lautet: Ja.“ (s.o.)
Aus dem proklamierten Sieg wurde eine Kapitulation. Doch selbst diese brachte Gustaf Noske nicht zur Besinnung. Im Gegenteil. Sein Krieg im Inneren ging weiter und wurde blutig. Denn nun ging es gegen jene, die diesen Krieg von Anfang an verurteilten und jeden Patriotismus vermissen ließen. Als 1919 rebellierende Soldaten und Arbeiter zu Massendemonstrationen aufgerufen hatten und „Nieder mit der Regierung Ebert/Scheidemann“ riefen, konnte sich Reichspräsident Ebert auf „Genosse“ Noske verlassen. Er sollte mit Waffengewalt den Aufstand niederschießen. In der Parteizeitung der SPD „Vorwärts“ wird diese entscheidende Phase so beschrieben. Noske trifft am 6. Januar 1919 Friedrich Ebert:
„Ich bin der Meinung, dass nun mit Waffengewalt Ordnung geschaffen werden muss“, erklärt Noske. Ebert erwidert: „Dann mach Du doch die Sache“. Daraufhin entgegnet Noske: „Meinetwegen, einer muss der Bluthund werden“. (s.o.)
Dabei bediente er sich alter Heereseinheiten und vieler Freicorps-Truppen, die später treu dem Dritten Reich dienen sollten.
Zwischen Schlacht und Schlächter
Und wer ein wenig Gegenwartsbezug braucht, den kann man an Wirtschaftsminister Robert Habeck verweisen, der vor seinem Regierungsamt – mit seiner Frau zusammen – das Theaterstück: „Neunzehnachtzehn/Revolution in Kiel“ verfasst hatte.
Darin machen das Ehepaar Habeck aus einem Massenmörder und Kriegsbegeisterten einen Menschenrechtskämpfer, der ganz tragisch zwischen Revolution und Ordnung balancieren musste. Das hat zwar alles nichts mit der tatsächlichen Rolle von Gustaf Noske zu tun, vielmehr hingegen mit dem Versuch Habecks, sich mit ihm zu identifizieren. Klaus Gietinger, Filmemacher und Autor, hat dazu eine exzellente Analyse geschrieben:
Der „Politikerstar (Habeck, d.V.) dichtet Noske einen Zielkonflikt an (Revolution oder Ordnung), den er nie hatte. Noske war nie ‚ohne Plan‘ oder gar ‚revolutionär‘, sondern immer konter- gewesen, er ließ auch nicht Jahre nach der Revolution, sondern schon nach wenigen Wochen Arbeiter massenhaft füsilieren. Aber Habeck weiß gleichwohl, dass Noske sich als Bluthund bezeichnete und die Arbeiterbewegung ‚endgültig gespalten hat‘. Das interessiert den Beinah-Kanzler aus Kiel aber gar nicht. Er sieht sich als Revolutionär (der er wie Noske wohl nie war), welcher jetzt Realpolitik machen, zwischen ‚schlecht und schlechter‘ wählen und ‚Verantwortung‘ übernehmen muss, wie einst der rechte Sozialdemokrat. Fragt sich, ob auch Habeck irgendwann zwischen Schlacht und Schlächter wählen will und dann für beides stimmt – etwa als Innen- oder Verteidigungsminister.“ (Noske 2.0)
Verdienstvolle Landes-Verräter
Doch das Regierungsgeschenk 1919 an die SPD war mehr als vergiftet. Als die Trümmer des Krieges beseitigt waren, waren dieselben bürgerlichen Parteien dabei, den Schuldigen für die Kapitulation zu finden. Dieser sollte naheliegend die SPD sein, die den Versailler Vertrag (mit-) unterschieben hatte, den man später parteiübergreifend als „Schandfrieden“ bezeichnete. Nun war die SPD am verlorenen Weltkrieg schuld. Die Militärs, die alte Klasse verbreitete fortan das Märchen, dass Deutschland nicht an der Front verloren habe, sondern zuhause: Die „Dolchstoßlegende“ war geboren.
Wie reagierte die SPD auf diese Anschuldigung, „Vaterlandsverräter“ zu sein? Sie duckte sich weg, sie bereitete ein weiteres Mal den Revisionisten den Weg. Das machte sie sicherlich nicht gerne, aber man war eben auch verbrannt: Schließlich hatte man den Kriegskrediten, also dem Krieg, bis zur letzten Patronen zugestimmt. Tatsächlich war diese Strategie sehr erfolgreich. Die SPD machte alles mit und war in den folgenden Jahren ein treuer Wegbereiter für den nächsten Weltkrieg. Der gefährlichste Feind dabei waren für die SPD nicht die Kriegsertüchtiger, die der NSDAP geradezu auf die Bühne hoben, sondern die KPD, die sie unentwegt an ihre Rolle als Kriegsfinanzier des Ersten Weltkrieges erinnerte.
Aus der Geschichte lernen
Man kann aus der Geschichte lernen. Man kann lernen, dass ein Weltkrieg nicht plötzlich und überraschend ausbricht, sondern lange vorbereitet wird – im Inneren und im Äußeren. Man kann lernen, dass dazu Geschichtsrevisionismus und Geschichtsatavismus eine zentrale ideologische Rolle spielen. Dazu gehört die Reaktivierung von Feindbildern, die selbst dann wieder aufgerufen werden, wenn der Feind („die Roten“) längst tot ist. Dazu gehört ganz sicher das unsterbliche Feindbild: der Russe. Dabei sind gar nicht so sehr die reaktionären, revanchistischen Kreise führend. Es ist die angebliche politische Mitte, die mit allen Mitteln die Bevölkerung dazu bringt, ernsthaft und verängstigt zu glauben, dass Russland „zum dritten Mal“ Deutschland angreifen und unterjochen wird – wenn man sie nicht rechtzeitig, also in der Ukraine stoppt. Andernfalls werden sie morgen in Berlin stehen. Dass die Russen das nicht schon längst getan haben, als die Bundeswehr „kaputtgespart“ wurde, also völlig verteidigungsunfähig war, ist nicht paradox, sondern perfides Merkmal russischer Kriegsstrategien. Erst wenn wir uns ganz sicher wiegen, machen sie sich über uns her.
Die zweite Dolchstoßlegende
Als sich abzeichnete, dass die bisherige US-geführte Weltordnung nur noch mit vielen Kriegen zu retten ist, war klar, dass man sich auf diesen Weltkrieg vorbereiten muss. Die Militärhaushalte der NATO-Mitglieder wurden erhöht und die innere Militarisierung nahm Fahrt auf. Die Bundeswehr soll ganz normal, die Schüler sollen ganz früh ans Soldatentum herangeführt werden. Seitdem macht die Bundeswehr Werbetouren in deutschen Schulen.
Während man zum Ausgleich das Gendern, die Vielfalt und Diversität simulieren soll, zum Hauptschulfach gemacht hat, die öffentlich-rechtlichen Anstalten das * mit einem Stocken in den Umlauf bringen, geht es in dem kriegsentscheidenden Fragen mono-kausal zu: Jetzt fliegen den Zuhörern Worte wie „Doppelwumms“, „Kriegstauglichkeit“, „Kriegsertüchtigung“ und „Kriegswirtschaft“ nur so um die Ohren.
Parallel dazu säubert man die medialen Anstalten von „kritischen“ Stimmen, die sich der Kriegslogik widersetzen. Wobei es tatsächlich bereits reicht, einen Krieg und sein Zustandekommen vielschichtig und komplex darzustellen: Michael Andreas Lüders, Gabriele Krone-Schmalz, Oskar Lafontaine, Ulrike Guérot usw.
Dass es dabei tatsächlich um Kriegsvorbereitungen geht, kann man daran ablesen, dass selbst einst geschätztes Führungspersonal zum Teufel gejagt wird. Dazu gehört selbst ein Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, der damals noch den Deal des Lebens eingeleitet hatte, als er Nordstream I und II mit Russland ausgehandelt hatte. Das sorgte vor allem in Deutschland für traumhafte Extrarenditen, die Deutschland an die EU-Spitze uneinholbar machte. Als jedoch klar war, dass man einen Krieg gegen Russland lancieren will, musste die Lebensader des zweiten deutschen Wirtschaftswunders gekappt … also in die Luft gesprengt werden. Damit war auch der „Genosse der Bosse“, Gerhard Schröder gestorben. Man machte ihn zum „Putinfreund“ und nahm ihm kleinlich und gründlich-deutsch sogar die Privilegien, der er als Ex-Bundeskanzler genoss.
Mit diesem Königsopfer macht die SPD seitdem klar, was mit „Zeitenwende“ umschrieben ist. Man gibt die Option auf, mit Russland besonders gute Geschäfte zu machen und dabei bestens miteinander auszukommen, um sich eindeutig und demonstrativ an die Seite der untergehenden US-dominierten Weltordnung zu stellen.
Dass man für diese Kriegspolitik nochmals 200 Milliarden Euro zur Verfügung stellt, um explodierende Kostensteigerungen (vor allem im Energiesektor) halbwegs abzufedern, kann selbst der halbstarke „Doppelwumms“ nicht verbergen.
Und an diesem Punkt kommt die zweite „Dolchstoßlegende“ dazu: Man erklärte landauf, landab, dass es vor allem die SPD sei, die die Bundeswehr seit Jahren vernachlässigt, „kaputtgespart“ habe. Zur Tarnung habe sie von Entspannungspolitik geredet und damit dem Feind in die Hände gespielt, was einem Landesverrat sehr nahekomme.
Nun, die SPD hätte darauf offensiv reagieren oder zumindest ein wenig Selbstwertgefühl zeigen können. Doch wie in den 1920er und 1930er Jahren macht die SPD das, was sie kann, was sie lange geübt hat: Sie duckt sich weg, sie kneift, sie ist feige. Alleine zur „Nordstream I und II“-Story, ihre ökonomischen Gründe, ihr geostrategischer Profit, der staatsterroristische Akt der Sprengung, die Farce der „Tätersuche“ … zu all dem könnte die SPD sehr viel sagen und der transatlantischen „Freundschaft“ mächtig in die Suppe spucken.
Stattdessen macht sie das, was sie bereits in den 1920er Jahren gemacht hat: Um den Makel des „Landesverräters“ loszuwerden, wurde sie zu ergebenen Handlangern von imperialen Kriegszielen. Und dabei ist der Zwang, es ganz besonders doll zu beweisen, dass man zur untergehenden Weltordnung dazugehören will, geradezu aberwitzig groß: Man ist nach den USA der wichtigste Kriegspartner an der Seite des Selenskyj-Regimes. Und beim Vernichtungskrieg in Gaza verliert man gar jeden Verstand und erklärt in vorbürgerlicher Manier, dass der Staat Israel zur „deutschen Staatsraison“ gehöre. Man hört den Kaiser W. dabei heraus. Mehr noch: Während viele Staaten auf Distanz zum Kriegskabinett in Israel gehen, setzt sich die deutsche Bundesregierung auf den Schoss von Netanjahu und weist demonstrativ die Anschuldigung eines Völkermords als völlig unbegründet zurück.
Wolf Wetzel
Wolf Wetzel
Publiziert im Magazin Overton am 8.10.2024: https://overton-magazin.de/kolumnen/kohlhaas-unchained/die-legende-von-der-kaputtgesparten-bundeswehr/
Nachschlag
Ein guter Nachtrag vom „Altlandrebellen“: Zum einen geht es um handfeste Zahlen, was die „verarmte“ Bundeswehr angeht. Zum zweiten schließt der Altlandrebell noch die Lücke zu der neu gegründete Partei Bündnis-Sahra Wagenknecht (BSW), was ich aus Zeitmangel außen vor ließ:
„Jürgen Wagner von der IMI hat schon 2019 hier ausgerechnet, dass der Etat der Bundeswehr gegenüber der Jahrtausendwende um satte 35 % inflationsbereinigt angestiegen ist. Der Kriegsetat lag 2000 bei umgerechnet 24,3 Milliarden Euro, 2019 bei 43,2 Milliarden. Und da wurden sogar noch einige Geschichten außen vorgelassen.
Das Kernproblem der Bundeswehr – ich kann mich da nur wiederholen – sind weder das Geld noch die Ausrüstung, sondern a) die endemische Korruption und b) die Uneinigkeit der rivalisierenden Fraktionen der herrschenden Klasse, die sich jahrzehntelang nicht einig waren, ob sie sie als stehendes Heer zur Verteidigung des Zentrums („Bündnisarmee“) oder als koloniale Schutztruppe für Abenteuer in der Peripherie („Interventionsarmee“, „out of area“) einsetzen sollen. Dementsprechend hat man ein ganzes Sammelsurium an Gerätschaften, Plänen und Waffen unterschiedlichster Spezifikation – vom Wiesel über Boxer und Westentaschenpatrouillenboote (F125) bis zum Eurofighter. (…)
Das Märchen von der „kaputtgesparten“ Bundeswehr hat fast keine parlamentarische Opposition. Ne, nicht „fast keine“, lieber Wolf. GAR KEINE. Wer plappert dieses grimme Märchen denn nicht nach? Du schriebst selbst, wie die Altparteien dieses Seemannsgarn spinnen, die AfD es aufnimmt und die linkende Wokepartei heuer sowieso. Auch – und gerade – APO-Angehörige wie Volt, Piraten und Co. KG. Meinst Du vielleicht das BSW, das Du in Deinem Text mit keinem Wort erwähnst, tickt da irgendwie anders? Stelle diese Fragen hier doch mal Friedenstaube Sahra:
‚Alle, also auch die kaputte LINKE, wollen eine starke Bundeswehr, die unser Land verteidigt. Ach ja? Gegen wen? Wer bedroht uns?‘
Die ließ nämlich auf ihrer Homepage wie folgt:
‚Die Bundeswehr hat den Auftrag, unser Land zu verteidigen. Für diese Aufgabe muss sie angemessen ausgerüstet sein. Den Einsatz deutscher Soldaten in internationalen Kriegen lehnen wir ebenso ab wie ihre Stationierung an der russischen Grenze oder im Südchinesischen Meer.‘
(…) Frau Wagenknecht hilft hier schlicht einerseits die Mär von der „kaputt gesparten Bundeswehr“ weiterzuspinnen. Und andererseits ist eben auch sie zu fragen: Wenn man nicht an internationalen Kriegen teilnimmt, gegen wen muss man dann angemessen ausgerüstet sein? Gegen die pösen Hartzer, wenn sie aufmucken? Die pösen Kanaken, wenn sie nicht im Meer ersaufen, sondern über selbiges kommen? Die Ungeimpften? Die kommende Revolution? Gegen wen?
Oder will man etwa den Aufstand gegen die Amis wagen? (…) Doch halt – was schrieb Sahras Göttergatte unlängst in der Weltwoche (gestern auch auf den NDS veröffentlicht)? Ach ja, das:
‚Entgegen den Befürchtungen eines der „bedeutendsten Historiker Deutschlands“ ist das BSW für die Westbindung, für ein geeintes, selbstbewusstes Europa souveräner Demokratien und für eine europäische NATO.‘“
Toll, Westbindung! Man ist also von Freunden umgeben, aber man muss trotzdem weiter rüsten. Auch hier die Frage: Gegen wen und für was?“
Quellen und Hinweise:
Gustav Noske: Vom Korbmacher zu Eberts „Bluthund“, Vorwärts vom 9. Juli 2023: https://vorwaerts.de/geschichte/gustav-noske-vom-korbmacher-zu-eberts-bluthund
Noske 2.0, 2021, Klaus Gietinger, Jacobin: https://jacobin.de/artikel/noske-2-0-robert-habeck-gustav-noske-1918-revolution-in-kiel-matrosenaufstand-novemberrevolution
Wir haben uns den Dritten Weltkrieg verdient, 2024, Wolf Wetzel, Teil I: https://overton-magazin.de/kolumnen/kohlhaas-unchained/wir-haben-uns-den-dritten-weltkrieg-verdient/
Dritter Weltkrieg gefällig?, Wolf Wetzel, 2024, Teil II: https://overton-magazin.de/kolumnen/kohlhaas-unchained/dritter-weltkrieg-gefaellig/
„Im nationalen Interesse Deutschlands“ (III), vom 2.10.2024: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9704
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