Käfig zu verschenken

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Käfig zu verschenken

Diese Nachbarschafts-Anzeige hat mich angesprungen und zu allerlei Fantasien ermutigt: Gib es noch Käfige zu verschenken? Haben nicht längt alle, die einen Käfig ihr eigen nennen, den Markt gesättigt? Oder wollen einige auch zwei Käfige, falls der eine kaputtgeht, als eiserne Reserve?

 

 

Bei all den Überlegungen muss man aber auch hinzufügen, dass viele Käfighaltung eigentlich scheußlich und unmenschlich finden, aber bei sich eine Ausnahme machen. Denn sie wurden ja nicht wirklich gezwungen, in den Käfig zu gehen. Sie machen das freiwillig, aus Solidarität mit den Schwachen oder – um das neue Wort zu gebrauchen – mit den Vulnerablen.

 

 

Auch wenn vieles an dem „Gesundheits“minister Karl Lauterbach strange wirkt, also eben gar nicht cool, so hat er ihnen doch aus der Seele gesprochen und den Irrsinn auf den Punkt gebracht:

Käfig zu verschenken

Die vorangegangenen Kolummen findet ihr hier: https://overton-magazin.de/kolumnen/kohlhaas-unchained/

 

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2 Kommentare

  1. Lieber admin,

    ich kann nicht anders, als hier zu kommentieren, obwohl sich der Kommentar auf einen Post auf einer anderen Seite bezieht.

    In meiner eigenen Schulzeit hatte ich noch Lehrer/innen, die von Reich 3 geprägt waren, als Täter oder so ähnlich, als Opfer oder so ähnlich. Spürbar für Schüler/innen: Allesamt traumatisiert und nicht zurechnungsfähig (würde ich heute sagen, damals hatten die alle Verträge). Obwohl gesetzlich verboten, waren Ohrfeigen und Hinterkopfschläge noch an der Tagesordnung. Das Ausweichen vor Schlagversuchen wurde mit Einträgen im Klassenbuch bestraft, seitens der Lehrer/innen in der Hoffnung, dass die Eltern die angedachten Schläge nachholen würden.

    Glücklicherweise habe ich später auch andere Erfahrungen in der Begegnung mit dem nicht nur mir aufgezwungenen Schulsystem machen können, es gab tatsächlich Lehrer/innen, die Bildung vermitteln und Kinder fördern wollten. (Sind mittlerweile alle vermutlich entlassen oder in Isolationshaft.)

    Wenn ich so etwas lese, wie „Wetzel sollte seine Fantasie zügeln“, dann fallen mir zahlreiche Klassenbucheinträge und Äußerungen ehemaliger Reich-3-Lehrer/innen ein. So eine Aussage weckt in mir „schlimme Erinnerungen“. Ich erinnere mich dann an meine Grundschulzeit. An eine Mitschülerin und einen Mitschüler, mit denen übel umgegangen wurde. Und ich erinnere mich an meine Hilflosigkeit. Ich fand es Unrecht, beschämend, wusste jedoch nicht, was ich dagegen hätte tun können. Ich opponierte dann halt einfach, gegen alles, was „die Autoritäten“ taten und sagten.

    Die Mitschülerin kam aus einem, wie es heißt, Arbeiterhaushalt und Randbezirk (mir gut vertraut), hatte Probleme mit der Rechtschreibung und Eltern, die zwar durchaus fürsorglich waren, ihr dabei aber nicht helfen konnten. Der Mitschüler war – nach üblicher Auseinandersetzung zwischen Jungen, wir mussten also erst einmal einen Ringkampf ausführen, bevor wir uns verständigten – mein Freund. Was mir damals nicht klar (als Kind damit egal) war: Er war ein Roma. Ich habe erst sehr viel später verstanden, dass es rassistische und nazistische Motive waren, die seiner Ausgrenzung, seiner – öffentlich, vor der Klasse erfolgten und von meinen Mitschülern applaudierten – Verhöhnung ob seiner Schwächen im Lesen, Schreiben und Rechnen zugrunde lagen. Da hockt man als 8-jähriger in einer Grundschulklasse und weiß nicht, wie man gegen Unrecht vorgehen kann – dieses Gefühl hat mich nie verlassen und war Teil meiner Berufswahl.

    Und dann lese ich so einen Satz: „Wetzel sollte seine Fantasie zügeln“. Wie kommt jemand – heute, in einem „Erwachsenenforum“ – dazu, so einen Satz von sich zu geben? Hybris? Bosheit? Dummheit? Leute, die solche Sätze äußern, wollen Menschen nicht nur gefesselt, geknebelt und am Boden liegen sehen, die wollen ihnen auch noch die letzte Ausflucht aus ihrem Foltergefängnis nehmen, die Fantasie. Dabei ist die Fantasie die Grundlage „menschlicher“ Chancen auf eine Weiterentwicklung. („Menschlich“ setze ich in Anführungszeichen, schlicht weil alles, das Menschen zuwege bringen, wesentlich Folter, Zerstörung und Tod ist.)

    Meiner Meinung nach waren die Mujeres Libres der Gipfelpunkt menschenmöglicher Entwicklung. Die wurden von Franko und Konsorten niedergemetzelt. Das war es dann mit der Menschheit.

    Als Thatcher starb, tanzten schottische Frauen auf der Straße („Dingdong, the witch is dead“). Das war für die deutsche Presse „pfui böse“. Nun ist Lizzy (Borden took an Ax and gave …) Truss die neue Thatcher, bereit, Atombomben herumzuwerfen. Und trotz Brexit freut sich die EU darüber. Weil die EU auch gerne mal Atomkrieg machen will.

    1. Ich danke Ihnen sehr für die berührenden Worte. Was Ihre Mitschüler waren, war mein Vater, der sich mit 18 Jahren freiwillig zur SS meldete. Das zu verstehen, also nicht nur zu verurteilen, dauerte Jahrzehnte. Was dabei entsteht ist kein abstraktes Wissen, das man bei der nächstbesten Gelegenheit aufgibt. Und was jener Kommentar mit “zügelloser Fantasie” meint, ist die Angst des Kommentators, eine Angst, der er und wir nicht nachgehen dürfen.
      Was die Herzens-Größe einer anderen Gesellschaft angeht, so teile ich Ihren Verweis auf die mujeres libres und ganz vielem, was mit der spanischen Revolution (1936-39) einhergeht.

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