Was haben Linke, die die „Einheit zwischen Politik und Bürgern“ meiden, zur Corona-Krise zu sagen?

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Was haben Linke, die die „Einheit zwischen Politik und Bürgern“ meiden, zur Corona-Krise zu sagen?

Im Brockhaus‘ Konversations-Lexikon von 1908 heißt es: Das Kapital bilden „im volkswirtschaftlichen Sinne solche Güter, die selbst Produkte der menschlichen Arbeit sind und als Mittel zu weiterer Produktion verwendet werden“.

Die Bedingungen menschlicher Arbeit werden dabei von den Besitzern der Produktionsmittel bestimmt. Es handelt sich beim Kapitalismus also nicht um ein rein rationales System, in dem Menschen ihre gesellschaftlichen Beziehungen gleichberechtigt und friedlich regeln können, sondern um ein durch die Macht des Besitzes bestimmtes Verhältnis. Diese Macht will die entschiedene Linke brechen und basisdemokratisch neu bestimmen.

Diejenigen die vom Kapitalismus profitieren oder sich anderweitig zu ihrem Vorteil darin als Regierung zu arrangieren wissen, müssen eben das, sprich die Benennung des Kapitalismus als ein inhumanes und irrationales System, mit dem Begriff der „Verschwörungsideologie“ unkenntlich machen. Aus ihrer Sicht kann hier nur über Beliebiges, auch Nebensächliches aber definitiv nicht über die Sache selbst gesprochen werden. Worüber wird denn nun in dem durch die Herausgeber Hanloser, Nowak und Seeck publizierten Sammelband unter dem Titel: Corona und linke (Kritik(un)fähigkeit gesprochen, präsentiert in 35 Beiträgen? Es handelt sich meist um kurze, zusammenfassende, von den HerausgeberInnen als „links“ eingestufte Analysen, Kommentare und Meinungen zur Coronapolitik der seinerzeit bestehenden Regierungen in Bund und Ländern – und ihren konkreten Folgen. Der Sammelband ist aus 16 digitalen Diskussionsveranstaltungen hervorgegangen und erfasst den Zeitraum von Dezember 2020 bis Ende Juni 2021. (1) Dabei führen einige Beiträge die LeserInnnen auch in Bereiche, die in den Massenmedien kaum eine Beachtung gefunden haben. Sie benennen, empirisch gestützt, auch die konkreten (Alltags-) Wirkungen politischer Entscheidungen. Und berichten aus eigener Erfahrung vor Ort.

Betroffen von „Corona“ sind zum Beispiel Gefangene in deutschen Haftanstalten. Konstatin Behrens und Thomas Meyer Falk berichten, dass zu Beginn der Pandemie einige Gefangene freigelassen wurden, darunter zu Geldstrafen, ersatzweise Haft, verurteilte. Schon vor der Infektionswelle litten Inhaftierte „unter einer systematischen gesundheitlichen Unterversorgung“. Die durch den Freiheitsentzug beabsichtigte Isolation der Strafgefangenen wurde zu Beginn der Pandemie im März 2020 noch verstärkt: „totales Besuchsverbot, Wegfall aller Freizeitangebote … Bei Verdachts- und Infektionsfällen wurden ganze Stationen und Hafthäuser komplett in den Einschluss genommen und bei Neuzugang oder Transport wurden Inhaftierte ebenfalls in die Quarantäne geschickt. Dabei konnten sie teilweise weder zu den Duschen gehen noch den Hofgang wahrnehmen … zahlreiche Gefangene haben Tage und Wochen in Isolationshaft verbracht.“ Monate später gab es etwas Lockerung: eine Stunde Besuch im Monat durch ein oder zwei Personen und noch 2020 wurde bundesweit das System Skype eingeführt. (K. Behrens, Gefangen in der Pandemie, 101, 103 – T. Meyer Falk, Corona Im Knast, 107 f)

Nicole Lindner verweist auf die „Würde des obdachlosen Menschen in Coronazeiten“ und fragt: Warum wird einer „seit Jahren leerstehenden Wohnung mehr Wert beigemessen als der Gesundheit des Einzelnen?“ (89, 91f) „Ruft den Kältebus, wenn ihr einen Obdachlosen seht!“ schreibt Stefan Schneider und beschreibt die Perspektive von Obdachlosen: „Ich will in diese beschissene Notübernachtung nicht: diese Schikanen beim Einlass, diese Taschenkontrollen, diese Alkoholkontrollen, … dieses Anstellen müssen zu einem bestimmten Zeitpunkt… dieses zwangsgemeinschaftliche Unterkommen in der Traglufthalle, wo hunderte Menschen untergebracht werden.“ (93) Die Lösung sei: „Housing First“. Jeder einzelne Wohnungslose bekommt eine Wohnung. Das sei in Finnland schon mit großem Erfolg angegangen worden.

Linke Kritikunfähigkeit heißt für mich, dass unglaublich viel bei den Linken an der Oberfläche bleibt, dass es kaum tiefgehende Analysen gibt“. (Schneider 97; siehe auch den Beitrag von Dietlind Schmidt, „Wen Corona besonders trifft!“ 98 f)

Die Statistik der Arbeitslosen erfasst nicht alle Menschen, die in der Corona-Krise ihren Job verloren haben. Die ersten Entlassungswellen trafen vor allem Arbeitsbereiche mit einem höheren Frauenanteil, darunter Einzelhandel, Gastgewerbe und Tourismus. Anne Seeck, schreibt in ihrem Beitrag „Feministische Perspektiven in der Corona-Krise“ dass eben diese das Patriarchat festigt, „denn die klassische Rollenverteilung wird weiter zementiert. … Sobald die Kinderbetreuung mit einer stärkeren beruflichen Einschränkung einhergeht, fallen die Familien schnell in traditionelle Muster zurück. Väter übernahmen … nur dann mehr Kinderbetreuung, wenn ihre Partnerinnen mehr Geld als sie verdienen oder in einem systemrelevanten Beruf arbeiten. … Mit dem Existenzdruck, der Isolation, der eingeschränkten Bewegungsfreiheit und dem steigenden Alkoholkonsum nimmt in den Familien auch die häusliche Gewalt zu. Das eigene Zuhause ist dann der gefährlichste Ort für Frauen.“ Beim Verdienst sind Frauen nach wie vor benachteiligt. Im Verkauf von Lebensmitteln liegt ihr Anteil bei 73, in der Krankenpflege bei 80, in der Altenpflege bei 83 und in der Kinder-Betreuung bei 92%. (Anne Seeck, 43 ff)

Einen besonderen Akzent setzt Seeck beim Thema „Angst im Kapitalismus“. Neben den unmittelbar sichtbaren materiellen Folgen „wurde zudem von Seiten des Staates bewusst Angst erzeugt. In einem bekanntgewordenen internen Papier des Innenministeriums … wurde unter anderem eine härtere Kommunikationsstrategie verlangt. Gefahren seien stärker zu betonen, sonst drohe ‚Anarchie‘.“ (Seeck, 77) Kontaktbeschränkung, Angst, Armut gehören zu den Signaturen der Corona-Politik. Seeck verweist auch auf die massiven „sozio-ökonomischen und psycho-sozialen Folgen der Corona-Krise“. (74 ff) „Die Beschäftigten im Niedriglohnsektor – seit den 1990er Jahren ist dieser um gut 60 Prozent gewachsen – waren von den ökonomischen Folgen … besonders betroffen, weil sie häufig mit Kurzarbeit und entsprechenden Einkommenseinbußen konfrontiert sind. Der Niedriglohnsektor umfasst über sieben Millionen Arbeitsplätze. Bei Minijobs und Leiharbeit waren massive Jobverluste zu verzeichnen, befristete Verträge liefen aus.“ (75) So verschärfte die Politik in der Corona-Krise auch die materielle soziale Ungleichheit. „Den Großaktionären Klatten und Quandt [BMW] wurden fast 800 Millionen Euro Dividende ausgezahlt“, Volkswagen erhielt Kurzarbeitergeld vom Staat. (74)

Elisabeth Voß sieht, auch in der „Linken“, ein patriarchales Rollback wirken.

Ausgerechnet in der Corona-Krise, in der autoritäre Herrschaft und Profitwirtschaft deutlich sichtbar werden“, überlasse die in Grabenkämpfen zerlegte „gesellschaftliche Linke … die Kritik an Staat und Kapital der gesellschaftlichen Rechten.

Das auf einer Berliner Demo gegen demonstrierende Kritiker staatlicher Corona-Maßnahmen „voller Hass“ von „Antifas“ staatstragend gebrüllte „Wir impfen euch alle!“ ist ihr zum Symbol dieses Versagens geworden. (Voß 35)

Linksjugend Leibzig 2021

 

Hanloser kommentiert: „In der Parole … mag ein subversiver Kommunikationsguerilla-Witz liegen, aber er transportiert auch ein gemein machen mit der Herrschaft.“ (Hanloser, 25) „Laber mich und andere nicht voll. Lockdown. Maske. Alle impfen. Abwarten. Punkt.“ heißt es „in autoritärem Befehlston“ auf einer „linken“ Mailingliste. Diese Parole reiht sich staatstragend ein in das von ARD und ZDF betriebene Online-Spiel „Corona-World“: „Schlüpfe in die Rolle einer Krankenschwester, die nach einem harten Arbeitstag einfach nur im Supermarkt einkaufen will. Aber Vorsicht! Überall lauern Infektionsgefahren. Nimm Dich in Acht vor Joggern, Party People, Preppern und hochansteckenden Kindern. Schlage zurück, indem Du Deine Gegner desinfizierst.“ (35 ff)

Auch viele Kinder gehörten zu den Opfern der Corona-Politik. Im europäischen Vergleich habe Deutschland Kinder entgegen den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation mit besonders langen und strikten Lockdown-Maßnahmen bedacht, rügte die EU-Menschenrechtskommissarin Dunja Mijatovic.  Einer Sympathie für „rechte Querdenker“ unverdächtig ist die Apotheken Umschau. Sie schreibt: „Erinnern Sie sich an die erste Welle der Pandemie? Solidarität war das Mantra der Stunde. ‚Die Jungen bleiben zu Hause, damit Oma und Opa vor dem Virus geschützt sind.‘ Eine bittere Lehre dieser Pandemie ist: Für Kinder und Jugendliche hat es diese Solidarität nie gegeben. Ihre Bedürfnisse standen in jeder Phase der Krise hinten an – und das, obwohl bald klar war: Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie stellen für Kinder ein höheres Gesundheitsrisiko dar als das Virus selbst.“ (Januar-Heft 2022, S. 15)

Die Kampfrhetorik kennt kaum Grenzen. Auf einer „streng moderierten Attac-Diskussionsmailingliste“ formulierte ein Teilnehmer Gemeinsamkeiten als Plattform einer kritischen Diskussion: „Übereinstimmung: Leben schützen und anerkennen, dass Corona deutlich gefährlicher ist als eine normale Grippe.“ Antwort: „Es ist keine Übereinstimmung von uns, dass Corona deutlich gefährlicher ist als eine normale Grippe. Das rhetorische Mittel Corona in einem Satz mit normaler Grippe zu setzen kennst Du und es verharmlost die Situation und es zieht indirekt einen Vergleich.“ Voß:

Dass Corona nicht mit der Grippe verglichen werden dürfe, erinnert an das Argumentationsmuster, der Holocaust würde verharmlost, wenn er mit anderen Völkermorden verglichen würde. Schon der Begriff ‚Coronaleugner‘ kann Assoziationen zu ‚Holocaustleugner‘ wecken. Wer Corona zum absolut Furchtbaren, Unvergleichlichen stilisiert, beansprucht eine nicht kritisierbare Position, schon Nachfragen gelten als Sakrileg.“ (Voß, 38)

„Verschwörungstheorien“ simplifizieren und personalisieren. Das lasse sich auch über „linke Kritik“ an Kritikern von Corona-Politik sagen, wenn auf „Fragen oder Argumente nicht mehr eingegangen wird, sondern diese pauschal als ‚Geschwurbel‘ abgetan werden, und wenn es ausreicht zu behaupten, jemand stünde beispielsweise den Querdenkern nahe oder sei bei denen aufgetreten … So wird Antifaschismus zur leeren Selbstdarstellung in der neoliberalen Konkurrenz um Aufmerksamkeit, bleibt ideologisch, ohne real etwas zu bewirken. Mit Erich Fried lässt sich feststellen: ‚Ein Faschist, der nichts ist als ein Faschist, ist ein Faschist. Aber ein Antifaschist, der nichts ist als ein Antifaschist, ist kein Antifaschist!‘“ (Voß 39f, s. a. Hanloser 26) (3)

Die bisher nicht beherrschte Pandemie hat auch eine innenpolitische Dynamik: Den Ruf nach einem stärkeren Staat bis hin zu einer straffen, gewaltsamen Führung. Die Institutionalisierung und Technisierung von Überwachung nicht „staatstragender“ sozialer und politischer Bewegungen. Sind antiautoritäre Linke nicht aufgerufen, hier wachsam zu reagieren? Als ein Beispiel (ungewollter?) autoritärer Staatsfixierung zeigt sich der Aufruf einer „ZeroCovid“-Initiative vom Januar 2021. Auch von „Linken“ wurde u.a. folgendes unterschrieben: „Das Ziel darf nicht in 200, 50 oder 25 Neuinfektionen bestehen – es muss Null sein. …Wir setzen uns dafür ein, dass die Sars-CoV-2-Infektionen sofort so weit verringert werden, dass jede einzelne Ansteckung wieder nachvollziehbar ist. … Darum fordern wir diese unerlässlichen gesellschaftlichen Maßnahmen:

  1. Gemeinsam runter auf Null: Das erste Ziel ist, die Ansteckungen auf Null zu reduzieren. Um einen Ping-Pong-Effekt zwischen den Ländern und Regionen zu vermeiden, muss in allen europäischen Ländern schnell und gleichzeitig gehandelt werden. Wenn dieses Ziel erreicht ist, können in einem zweiten Schritt die Einschränkungen vorsichtig gelockert werden. Die niedrigen Fallzahlen müssen mit einer Kontrollstrategie stabil gehalten und lokale Ausbrüche sofort energisch eingedämmt werden. …Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir eine solidarische Pause von einigen Wochen. Shutdown heißt: Wir schränken unsere direkten Kontakte auf ein Minimum ein – und zwar auch am Arbeitsplatz! … Wir müssen die gesellschaftlich nicht dringend erforderlichen Bereiche der Wirtschaft für eine kurze Zeit stilllegen. Fabriken, Büros, Betriebe, Baustellen, Schulen müssen geschlossen und die Arbeitspflicht ausgesetzt werden. Diese Pause muss so lange dauern, bis die oben genannten Ziele erreicht sind.“

Dieser Appell richtete sich nicht abstrakt an eine zu schaffende ideale Weltregierung, sondern mit konkreten Forderungen („fordern wir“) an die in Europa aktuell bestehenden Häupter der Exekutiven im Allgemeinen und an die Regierung Merkel im Besonderen. Eine vorgeblich entschiedene Linke bettelt beim Staat, seine Macht zur pandemischen Flurbereinigung einzusetzen. „Es muss Null sein“ und „jede einzelne Ansteckung wieder nachvollziehbar“, „Die niedrigen Fallzahlen müssen mit einer Kontrollstrategie stabil gehalten werden.“ Eine schwarze Utopie.

Welche Folgen hätte ein völliger Stillstand der Wirtschaft, von Produktion, Handel und Transport für die Bevölkerung im Allgemeinen und die abhängig Beschäftigten im Besonderen? Für die medizinische Versorgung? Auch aktuell für’s Impfen? Wie lange soll der komplette Lockdown real dauern („einige Wochen“, „so lange dauern, bis die oben genannten Ziele erreicht sind“ – vielleicht Monate oder doch Jahre?) und vor allem: mit welchen Gewalt-Mitteln flächendeckend durchgesetzt und kontrolliert? Dazu nichts Näheres. In seiner AlltagsKonsequenz ist „ZeroCovid“ einer modernisierten Staats-Diktatur näher als Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.

Auch aus libertärer Sicht gab es eine scharfe Kritik am Aufruf mit seiner Forderung nach härtestem Shutdown. Gerald Grüneklee kommentierte: „Ihr legitimiert mit eurem Appell den starken Staat. … Aber verkauft das bitte schön nicht noch als irgendwie progressiv, gar radikal. Eine fast religiös anmutende Heilserwartung spricht aus euren Zeilen, die doch überaus weltfremd sind. Es tut mir leid: euer Weltbild ist paternalistisch und reaktionär. Eure Vorstellungen sind autoritätshörig und staatstragend. Ihr macht Politikberatung und nennt das ‚links‘.“ (4) Elisabeth Voß nennt das Programm von ZeroCovid eine vom Staat übernommene „Ausrottungsfantasie“ (36).

Grüneklees „Polemik“ zielt auch auf eine Schwachstelle der im Sammelband vorgestellten Diskussion: Was heißt und ist hier „links“? Anne Seeck notiert: „Es gibt eigentlich nicht ‚die‘ Linke.“ (Seeck 11) Stimmen aus anarchosyndikalistischer Richtung sind zum Beispiel nicht direkt vertreten. Ein Manko. Der querbeet benutzte Begriff „links“ erscheint in seinem politisch-gesellschaftlichen Inhalt oft verschwommen. Ein gemeinsamer Nenner könnte die Forderung nach Vergesellschaftung der Produktionsmittel sein. Doch schon beim Thema Staat und Autoritarismus gibt es nicht „die“ Linke. Auch historisch nicht. Zwischen ZK-Fixiertheit und Rätedemokratie klafft ein Abgrund. „Der Staat drückt nieder, das Gesetz betrügt“ heißt es im Juni 1871 in der „Internationalen“. Das sei letztlich eine bürgerlich-liberale Kritik nach FDP-Art? Die (Neo-)Liberalen wollen keinen starken Staat in der Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik – das ist hier zu ihrem Vorteil. Sehr wohl aber rufen sie nach Polizei und Militär, wenn „gefährdet ist das Palladium des sittlichen Staates, das Eigentum“ (Heinrich Heine).

Einer der Organisatoren von ZeroCovid, der Wirtschaftsgeograf Christian Zeller liefert in dem Buch einen längeren Beitrag zu dessen Intentionen – nachträglich. Er ist durchtränkt von einer hohen Selbstdarstellung: „ZeroCovid setzte ein Zeichen und verschob den öffentlichen Diskurs“ (56) In einer Umdrehung der staatlichen „Angstmach“-Politik kritisiert er ZeroCovid-Kritiker: Sie sähen die Lage durch „eine scheinbar antiautoritäre Brille und angsterfüllt durch einen Überwachungsstaat“. (55) Dagegen setzt er seine Politikberatung. „Die etwas entschlosseneren und angemesseneren Maßnahmen der deutschen Regierung in der dritten Welle lassen sich teilweise auch auf den von der Wissenschaftsinitiative NoCovid und von der ZeroCovid-Kampagne bewirkten öffentlichen Druck zurückführen.“ (57) Erfolgreiche Politikberatung oder Selbstüberschätzung?

Die Folgen des kulturellen Lockdowns sind Thema in mehreren Beiträgen.

Die „Fusion“ war ein politisch-utopisches Festival in Mecklenburg-Vorpommern. 2019 zog es bis zu 70.000 Besucher an. Auch die Frankfurter Punkrockband Capulco spielte. Das zunächst entwickelte Konzept für 2020 kritisierte die Band: Personalisierte Corona-Testung mit digitaler Kontaktverfolgung. „Eine Teilnahme basierend auf PCR-Tests in Kooperation mit dem Gesundheitsamt sowie die Empfehlung der Corona-Warn-App macht das Fusionkonzept zu einer technokratischen Dystopie, die wir ablehnen. … Die Normalisierung von kontrollierter sozialer Distanz als gesellschaftlicher Basis würde die Abschaffung von (unkontrolliertem) ‚öffentlichem Raum‘ bedeuten – einer Grundvoraussetzung für politisches Handeln. … Wir fordern für eine verbleibende radikale Linke 1. Die widerwärtige, pandemische Staatsgläubigkeit schleunigst abzuschütteln und zu einer tiefgreifenden Staatsfeindschaft zurückzufinden.“ (Capulco, 49, 52 f)

Bei der sogenannten „Kontaktpersonenrückverfolgung“ arbeiten manchmal Soldatinnen und Soldaten mit Gesundheitsämtern zusammen, schreibt Andreas Komrowski in: Die Bundeswehr im Pandemieeinsatz. „Sie telefonieren mit Menschen, die positiv mit COVID-19 getestet wurden, um ihnen die Personalien von Freund:innen und Bekannten zu entlocken, mit denen sie in den letzten 14 Tagen engen Kontakt hatten.“ Die werden dann ebenfalls amtlich kontaktiert und, nach Anordnung durch einen zivilen Amtsarzt, in häusliche Quarantäne gesteckt. (Komrowski, 154) Ob mit oder ohne Bundeswehr: Wer will (oder muss) Freunde und Bekannte denunzieren? Ein Teil des Problems hat sich inzwischen durch die Überlastung von Gesundheitsämtern mit einer Flut von (möglichen) Kontakten auch aus Termingründen von selbst geschwächt. Hinzu kommt eine wahrscheinlich vorhandene aber nicht empirisch belegbare Ablehnung solcher „Meldungen“ durch viele Menschen. Zur analytischen Durchdringung nicht nur der „Blockwart“-Bereitschaft in der deutschen Gesellschaft, sondern vor allem auch ihrer realen Umsetzung fehlt es wiederum an Daten (noch?). Das gilt, auf einer verwandten Ebene, auch für den Betrieb einer Corona-Warn-App. Der kann als ein weiterer Versuch zur (Zwangs-)Digitalisierung der Gesellschaft gesehen werden.

Ein theoretisches Bezugsfeld des Bandes besetzt das relativ ausführliche Gespräch zwischen Detlef Hartmann und Gerhard Hanloser: „Digitalisierung und gesellschaftliche Zerstörung. Die Corona-Rebellen als Ausdruck des krisenhaften Umbruchsgeschehens“. (132 ff)

Hartmann galoppiert hier in einem wilden Ritt durch die Geschichte. So tritt er zuweilen in Weglöcher und auf theoretische Stolperfallen. Doch als wesentliche Erkenntnis bleibt: „Die aggressive Landnahme eines großen Teils des kommunikativen Raums durch Smartphone und social media hat alle Teilnehmer nicht nur auf neue Art vereinzelt, sondern auch diejenigen, die sich dem Diktat der immerwährenden Erreichbarkeit entziehen, vielfachen Sanktionen unterworfen. … Weniger als in den USA aber dennoch schon sehr weitgehend haben auch in der BRD neue technologische Avantgarden die Schaltstellen sozialer Macht eingenommen. Sie sind dabei, die Gesellschaft einer neuen Expertokratie zu unterwerfen. … Amazon, Ocado u. a. sind die großen Gewinner der Corona-Krise und zugleich die Zerstörer des überkommenen öffentlichen Raums.“ (Hartmann, 143, 147)

Ein besonderes Kapitel im massenmedialen Corona Deutungs- und -Meinungskampf ist der Umgang mit dem Begriff „Wissenschaft“. Voß schreibt hier: „Die Art und Weise wie manche Linke heute auf Wissenschaftlichkeit beharren, die vermeintlich Eindeutiges festgestellt hätte, hat schon fast einen religiösen Charakter“. „Alternative Medien gelten als Organe zur Verbreitung von Fake News, und wenn bei Berichten über Querdenken-Demos Esoterikerinnen, Homöopathen, Anthroposophinnen und Impfskeptiker als Teilnehmende aufgezählt werden, dann schwingt zumindest unausgesprochen mit, es sei doch klar, dass die alle irgendwie verschwörungstheoretisch oder rechts seien, mindestens rechtsoffen.“ (Voß 41) Ein näherer Blick in die Geschichte der medizinisch-biologischen Wissenschaften zeigt, in welchen Ausmaß auch hier gesellschaftlich-politische Perspektiven und Interessen „Wissenschaft“ mitdefinierten und die gesellschaftliche Anerkennung und praktischen Folgen ihrer Resultate mitbestimmten. Für die Weimarer Republik und die NS-Zeit reicht auch eine zusammenfassende Lektüre vorhandener Fachliteratur zu Vererbungslehre (u. a. „der geborene Verbrecher“; Euthanasie) und „Rassenkunde“ – alles als verpflichtende Ergebnisse von „Wissenschaft“ dem Publikum eingetrichtert. Die Berufung auf die Autorität „der“ Wissenschaft hat bei der „wissenschaftlichen“ Festschreibung von Geschlechterrollen auch nach 1945 und ab 1949 in der BRD eine bedeutende Rolle gespielt.

Im Abschnitt unter der eigentlich schlichten aber im aktuell herrschenden Diskurs verdächtigen Titel: „Medizin ist politisch“ skizziert der in Berlin praktizierende Arzt Michael Kronawitter wie interessiert die Dramatik der Corona-Pandemie nach Maßgabe starker politischer Player prolongiert wird. In einem im März 2020 zunächst intern erstellten, dann auf öffentliche Nachfrage durch das Bundesinnenministerium veröffentlichtes Papier: „Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen“ ist, so Kronawitter mit „erschreckender Klarheit dokumentiert, welche Art von ‚Risikokommunikation‘ die Bundesregierung plante und (…) offensichtlich mit Hilfe der meisten Medien umsetzen konnte. Notwendig sei eine Kommunikation, heißt es dort, die den Worst Case mit allen Folgen für die Bevölkerung unmissverständlich, entschlossen verdeutliche. An zweiter Stelle der strategischen Ausrichtung steht die Geschlossenheit. ‚Politik und Bürger müssen dabei als Einheit agieren.‘ Die notwendige Kommunikationsstrategie wird dann zusammenfassend auf den Punkt gebracht. ‚Um die gewünschte Schockwirkung‘ zu erzielen müssten die konkreten Auswirkungen auf die menschliche Gesellschaft verdeutlicht werden. Hierbei sollten ‚Urängste‘ vor qualvollem Ersticken, ohne medizinische Hilfe wegen überfüllter Krankenhäuser geweckt werden.“ Kronawitter führt in der Folge quellengestützt aus, wie mit schlecht oder gar nicht belegten Horrorszenarien eine Politik der Katastrophenstimmung produziert wird und folgert: „Modelle, die eine Apokalypse vorhersagen, verkaufen sich nicht nur in den Medien besser. Der Wissenschaftsbetrieb erhält mit Katastrophenbildern mehr Aufmerksamkeit und damit auch in der Regel auch mehr finanzielle Zuwendung. In diesem Fall wurde auch der Auftrag der Politik erfüllt.“ (Kronawitter, Malen nach Zahlen, 161f, 164)

Anfang Februar 2021 veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung auf der ersten Seite ihres Feuilletons einen Beitrag des Schriftstellers Thomas Brussig unter dem Titel: „Mehr Diktatur wagen“. Brussig schreibt u. a.: „Wie mit dem Coronavirus umzugehen ist, ist Behau der Wissenschaft und nur der Wissenschaft. Dazu ein Gedankenexperiment: Angenommen, es gäbe ein Virus, so hervorragend übertragbar wie das Coronavirus, aber so tödlich wie der Tollwut-Erreger; eine Infektion wäre also das sichere Todesurteil. Da wäre es glatter Selbstmord, für Ratschläge aus der Wissenschaft erst nach Mehrheiten, Kompromissen und Konsensen zu suchen. … Die weiche Stelle unseres Systems zeigt sich in der Schwerfälligkeit und Unfähigkeit, notwendige Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Die Politik führt ihre Debatte von der Wissenschaft entkoppelt, viel zu oft fragen Politiker ‚was‘ beziehungsweise ‚wie lange man (es) den Menschen noch zumuten kann‘. Als käme es darauf an. Hier tobt ein Virus, mit dem sich weder verhandeln noch das sich überzeugen oder einschüchtern lässt. Wollen wir das Virus loswerden, sind wir gezwungen, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen. Dank der Wissenschaft wissen wir, welche Maßnahmen nötig sind, wir wissen sogar, welchen Preis wir zahlen müssen, wenn sie ausbleiben. … ‚Mehr Diktatur wagen!‘ wäre das Gebot der Stunde. … Dass uns die Pandemie in einen Ausnahmezustand versetzt, ist wörtlich zu nehmen. Der Regelzustand bleibt die Demokratie mit ihren Freiheiten und Grundrechten. … Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen ergibt sich aus der Frage nach ihrer Wirksamkeit. … App-Pflicht … Die Demokratie sollte ihre Rituale und Umständlichkeiten nicht so wichtig nehmen. Corona … hat einen Lernprozess ausgelöst“. (SZ 9.2.21)

Dieser unverhohlene, wörtliche Aufruf zu einer – wenn auch zeitlich begrenzten – Diktatur an prominenter Stelle eines gutbürgerlich-liberalen Blattes nähert sich einem Diktum von Carl Schmitt: „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.“ Aber kann man eine bestellte Diktatur auf Knopfdruck wieder abbestellen?

Was in der „Kritik(un)fähigkeit“ fehlt sind qualifizierte Beiträge zum Thema Justiz, Polizei und Gewaltenteilung. Ob Lockdowns und andere Isolier-Maßnahmen wie eine nächtliche Ausgangssperre verhältnismäßige Mittel waren, hat häufiger Gerichte beschäftigt.

Wünschenswert wäre auch ein Beitrag zu den bisherigen Wirkungen der vom Bundesinnenministerium schon im März 2020 bekundeten strategischen Absicht gewesen, mit den treffenden Anti-Corona-Maßnahmen zwischen der Politik und den Bürgern eine „Einheit“ herzustellen. Inwieweit haben sich hier auch linke Gruppen oder Individuen dieser klar formulierten Regierungsstrategie untergeordnet?

Die öffentlichen Proteste gegen die Coronapolitik werden getragen von einer politisch heterogenen sozialen Basis. Sie hat sich seit Beginn der Pandemie verbreitert und differenziert. Genaue, gewichtete, aktuelle Analysen der Berufs- und Milieu-Gruppen und ihrer Bewusstseinslagen stehen noch aus. Einer der frühen beobachtenden Demo-Spaziergänger war Gerhard Hanloser. Auch er stand schon vor dem Problem einer rechts-mitte-links oder sonst was Zuordnung der Demonstranten. Wohin gehören zum Beispiel die Anthroposophen? Ein altes Problem: „Kafka sprach zu Rudolf Steiner, von euch Jungs versteht mich keiner! Darauf sagte Steiner: Franz, ich versteh Dich voll und ganz.“  (2)

Hanloser mahnt: „Freiheit und Gleichheit gleichermaßen einzufordern, die Bürger- und Grundrechte zu wahren, auf den Klassencharakter des Lockdowns hinzuweisen – das wäre die Aufgabe einer interventionistischen und aktivistischen Linken gewesen. … Soziale Interessen sollten von einer Linken benannt werden, die von der allgemeinen ‚Angst im Kapitalismus‘ weiß, die sich in Corona-Zeiten natürlich zuspitzt und zu – teilweisen – irrationalen Haltungen, Ideologien und Positionen führt.“ (Hanloser 23) Ein „linker“ Konformismus wird für Peter Nowak sichtbar:

Die Linke ergeht sich hauptsächlich im Anklagen von ‚Coronaleugnern‘ und ‚Verschwörungstheoretikern‘ und folgt damit einem hegemonialen Diskurs in kapitalkonformen Infektionsschutzzeiten, in dem Demonstrant:innen und nicht Angepasste natürlich stigmatisiert werden müssen, nicht jedoch die kapitalistischen Gewinner, Profiteure und Auslöser der Krise in den kritischen Fokus gerückt werden dürfen.

Hanloser: „Seltsam einmütig waren in anderen Fragen heillos zerstrittene Organe der Linken: von der marxistisch-leninistischen Jungen Welt über die LINKE-nahe Zeitung Neues Deutschland bis zur antideutschen Jungle World wurde propagiert, von den als rechts abgeschriebenen Aufzügen größtmöglichen Abstand zu halten. Einige nahmen sogar erklärtermaßen und freudig-affirmativ eine Mehrheitsposition ein, die als sinnvoll, vernünftig und sogar links beschrieben wurde.“ Die Bereitschaft zu einer Konfrontation mit dem Establishment verblasste. (24, 30) So zutreffend die Beobachtungen der beiden Mitherausgeber zu einer Regierungs-Tendenz im benannten linken Spektrum sind: Ihre hier besprochene Publikation verweist auch auf eine andere Linke, der sie dadurch etwas Publizität verschafft. Denn ein zentrales Problem für die sozialistische, basisorientierte, kapitalismuskritische Linke war die Reduktion ihrer Kommunikation.  Seeck: „Da keine Live-Treffen und Präsenzveranstaltungen mehr staatfinden konnten, zog sich die Linke in Zoom-Konferenzen und andere Online-Formate zurück. Auch linke Zentren und Stadtteilläden waren geschlossen.“ (Seeck 9) Das Einfrieren kritischer politischer und gesellschaftlicher Kommunikation in Theorie und Praxis als Folge von beherrschender Corona-Politik wäre eine neue, weitergefasste Untersuchung wert. Sie könnte auch unterschiedliche, zum Teil nur im Verborgenen wirkende gesellschaftliche Kräfte sichtbar machen.

Zur Taktik und Strategie der Corona-Politik im Ganzen gibt es schon eine Reihe von Wegmarken.

Im Center for Health Security (CHS) der John-Hopkins-Universität, für ihre weltweite Pandemie-Statistik bekannt, wurde im Oktober 2019 ein Szenario für eine weltweite Grippe-Pandemie erstellt. „Gründer und Finanziers des CHS sind neben der WHO eine Reihe privater Stiftungen. Das Szenario einer Corona-Epidemie mit weltweit 65 Millionen Toten wurde in Kooperation mit der Bill & Melinda Gates Stiftung und der Schweizer Stiftung Weltwirtschaftsforum durchgeführt.“ Die Betriebswirtin Elisabeth Voß interpretiert: „Es sollte offensichtlich dazu dienen, Privatisierungen und neoliberale Umstrukturierungen des globalen Gesundheitswesens mit dem Anstrich von Wissenschaftlichkeit voranzutreiben.“ Neben der Erforschung von Impfstoffen ging es auch „um die Bekämpfung von Falschinformationen. Medienunternehmen sollten im Falle einer Pandemie schnell mit den gewünschten Botschaften und Informationen überflutet und Falschinformationen auch technisch unterdrückt werden.“ (Voß 121 f; „Corona-Profiteure sind weltweit im Aufwind“, s. a. 122 Anmerkung 2: Tagungsdokumentation, Internet-Quelle) Anna Holzscheiter, Leiterin einer Forschungsgruppe zur globalen Gesundheit an der TU Berlin, betont, „dass gerade in der globalen Gesundheitspolitik die Verflechtungen zwischen den großen privaten Stiftungen Gates, Wellcome Trust, Open Society Foundation und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren, den Medien und der Wissenschaft so dicht geworden sind, dass man von einem unsichtbaren Netz von Abhängigkeiten und Dominanz sprechen kann.“

Die von Regierungen und ihren Unterstützern betriebene Öffentlichkeitspolitik, ihre Technik und Ideologie, sollte mit Abstand, ohne ein „Wir“ betrachtet werden. Ein allgemeines „Wir“ gibt es nicht, das ist Ideologie. Gerne missbraucht wird auch der alte „linke“ Begriff der Solidarität, nicht zuletzt von stockbürgerlichen Publizisten und Journalisten.

Eine Opposition gegen die Corona-Politik „spalte“ die Gesellschaft und das sei schlecht. Eine Gesellschaft ohne soziale Konflikte, ganz ohne Klassenkampf, hat die Geschichte noch nicht vorzuweisen. Die deutschen Konservativen träumten um 1900 davon, den Klassenkampf „trocken zu legen“. Doch selbst der NS-Staat hat das mit seiner „Volksgemeinschaft“ nicht ganz geschafft.

Eine platte Denunzierung deutlicher, intensiver Kritik an staatlicher Corona-Politik und staatstragender Propaganda wird auch unter „Linken“ betrieben. Die gouvernementale Medienpolitik nutzt hier u. a. das „Framing, das heißt, die gezielte Manipulation der Wirklichkeitsvorstellung durch die Art und Weise der Darstellung. Das Faktum, der ‚fact‘ ist nicht der ‚objektive‘ Gegenstand der Darstellung, sondern der narrative, also erzählförmige Ausdruck seiner Darstellung. Das ‚framing‘ wird daher nicht als Verfälschung verstanden, sondern als neue Art der ‚Wahrheit‘, als ‚Wahrheit‘ auf neuer historischer Stufe. … Ausdruck eines historischen Schubs innovatorischer Gewalt. Ganze die Meinung organisierende Berufsgruppen wie Influencer:innen, Blogger:innen, Identitätsmanager:innen und dergleichen mehr arbeiten dem zu und leben davon.“ (Hartmann, 142)

Eine Art von „Framing“ spielen zum Beispiel Berichte über Demonstrationen gegen die aktuelle Corona-Politik, die eine Beteiligung von Rechtsradikalen herausstellen. Und betonen, mit denen dürfe man nicht gemeinsam auf die Straße gehen – ein Wink mit dem Zaunpfahl: Bei dem Thema bleibt besser zu Hause! „1973 erschien von Bernd Engelmann und Günter Wallraff das Buch ‚Ihr da oben – wir da unten‘, die Verhältnisse schienen klar. Heute wird denjenigen, die Eliten kritisieren, oft viel zu schnell vorgeworfen, Verschwörungserzählungen zu verbreiten. … auch wenn es nicht mit Sachkenntnis und gewählten Worten formuliert wird.“ (Voß 126)

Nicht zuletzt durch seinen sozialgeschichtlichen Ansatz bietet der Band ein gutes Stück Aufklärung und Anregung zu Diskussionen. Dafür danke an die Mühe aller Autorinnen und Autoren.

Markus Mohr, Klaus Wernecke Januar 2022

 

Gerhard Hanloser, Peter Nowak, Anne Seeck (Hrsg.): Corona und linke Kritik(un)fähigkeit. Kritisch-solidarische Perspektive „von unten“ gegen die Alternativlosigkeit „von oben“. Neu-Ulm 2021

(1) Vgl. elisvoss, Corona und linke Kritik(un)fähigkeitCorona-Debatte / Bei einer gut besuchten Online-Diskussion zeigte sich großer Diskussionsbedarf, ebenso wie die Grenzen des Mediums, auf: freitag-blog vom 13.12.2020, URL: https://www.freitag.de/autoren/elisvoss/corona-und-linke-kritik-un-faehigkeit

(2) Zum Thema Anthroposophen s. a. eine von Oliver Nachtwey, Robert Schäfer und Nadine Frei an der Universität Basel/Institut für Soziologie im Dezember 2020 veröffentlichte „Politische Soziologie der Corona-Proteste. Grundauswertung“, S. 63

(3) Vgl. Oliver Maksan: „Jeden Tag verliebt sich in Deutschland ein Linker mehr in den starken Staat … In der Corona-Pandemie fallen Politiker links der Mitte zunehmend durch einen autoritären Sound auf, den man eher bei ihren Grosseltern vermutet hätte. … Rechts hingegen wächst die Staatsskepsis“, in: Neue Zürcher Zeitung vom 5.1.2022, Der andere Blick; siehe auch URL: https://www.nzz.ch/meinung/jeden-tag-verliebt-sich-in-deutschland-ein-linker-in-den-starken-staat-ld.1663277

(4) Gerald Grüneklee, Zero Covid/ Eine Polemik, in: untergrund blättle vom 6.3.2021, URL: https://www.xn--untergrund-blttle-2qb.ch/politik/deutschland/zero-covid-eine-polemik-6274.html

 

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