“NSU 2.0”-Affäre: Hessischer Innenminister zurückgetreten

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“NSU 2.0”-Affäre: Hessischer Innenminister zurückgetreten

1.04.2021

Wiesbaden (epd-mi). Die Affäre um Drohmails und den Abruf von Informationen aus Polizeicomputern in Hessen hat personelle Konsequenzen. Innenminister Peter Beuth erklärte am Donnerstag seinen Rücktritt. Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) gab in Wiesbaden bekannt, er habe der Bitte entsprochen und Beuth in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

Zuvor hatte ihm der Innenminister von Pannen in der Informationspolitik berichtet, wie Bouffier sagte. Danach war im Innenministerium schon seit Wochen bekannt, wer aus einem Wiesbadener Polizeicomputer persönliche Informationen über die Linken-Fraktionschefin im hessischen Landtag, Janine Wissler, abgerufen hat, die mit “NSU 2.0” gezeichnete Todesdrohungen erhielt. Bouffier erfuhr von dem Vorgang nach eigenen Angaben erst am vergangenen Mittwoch.

 

Mit “NSU 2.0” unterzeichnete Drohmails gingen auch an weitere Personen, wie die Berliner Kabarettistin Idil Baydar, derartige Schreiben, wie sie zuerst vor drei Jahren bei der Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz aufgetaucht waren. Auch in ihrem Fall waren persönliche Daten aus einem Wiesbadener Polizeicomputer abgerufen worden, wie Beuth und die Frankfurter Staatsanwaltschaft ohne Namensnennung Baydars bestätigten. Immer wieder werden seitdem Drohmails an Personen des öffentlichen Lebens in Deutschland verschickt – überwiegend an prominente Frauen, die sich gegen Rechtsextremismus und Rassismus engagieren, wie die Linken-Spitzenpolitikerin Janine Wissler: „Und das wichtigste ist, dass man aufhört, das zu verharmlosen, zu vertuschen, zu verschweigen.“

Die Zahl der rechtsextremen Drohschreiben mit dem Absender “NSU 2.0” nimmt weiter zu. Innenminister Peter Beuth (CDU) berichtete am Donnerstag im hessischen Landtag in Wiesbaden von mittlerweile insgesamt 133 verschickten Drohschreiben. Dabei würden die Ermittler 115 dieser Schreiben dem Tatkomplex «NSU 2.0» zurechnen. 18 Schreiben seien mutmaßlich von Trittbrettfahrern verfasst und versendet worden. Empfänger seien überwiegend Personen des öffentlichen Lebens gewesen, vor allem aus der Politik und der Medienwelt.

Die 115 Schreiben hätten sich an 32 Personen und 60 Institutionen in insgesamt 9 Bundesländern und in Österreich gerichtet, sagte der Innenminister. Davon wohnten neun Personen in Hessen, von denen fünf durch das Gefährdungsmanagement des Landeskriminalamts (LKA) individuell betreut werden. Bei den anderen vier Personen handele es sich um Mitglieder von hessischen Justiz- und Sicherheitsbehörden.

Aus gut informierten Kreisen kommen nicht nur Glückwünsche zu diesem Rücktritt. Totgeglaubte melden sich seitdem recht vehement zu Wort.

Der rechtrechte Flügel der CDU in Hessen bekam gleich zwei Namen: Tankstellen- und/bzw. Stahlhelmfraktion

 

Unter anderem soll der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) gesagt haben, dass er Beuth für ein Weichei halte. Er erinnere sich stolz daran, wie man Millionen DM als „jüdische Vermächtnisse“ getarnt für die Partei eingetrieben und gewaschen habe.Bin ich deshalb zurückgetreten?“, fragt Koch, „nur, weil man es herausbekommen hat?“

Auch ein weiterer Totgeglaubte aus der Tankstellenfraktion hielt sein Schweigen nicht mehr länger aus: Manfred Kanther war fast außer sich, als er sich zur Causa Beuth äußerte:

„Man hat mich damals zu 18 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und als Bewährungsauflage zur Zahlung von 25 000 Euro verurteilt, weil ich Geld veruntreut haben soll. Genau das Gegenteil war der Fall: Ich habe das Schwarzgeld auf Konten in Lichtenstein und der Schweiz nicht veruntreut, sondern – jetzt hören Sie mal genau zu – getreulich vermehrt. Ich habe weder das Urteil akzeptiert, noch habe ich mich vom Geschwätz über kriminelle Machenschaften ab- und aufhalten lassen. Wir können also etwas einstecken, wenn sein muss, auch ziemlich viel. Und dann kommt so ein Waschlappen wie Beuth daher, und wirft wegen ein paar läppischen Datenabfragen über Rotsocken das Handtuch. Also den möchte ich hier nicht mehr sehen.“

Der noch aktuelle Ministerpräsident Volker Bouffier, den seine Vertrauten auch „Buffi“ nennen, dankte jedenfalls in einem persönlichen und sehr emotionalen Gespräch seinem Parteifreund:

 

„Er hat sich hoch professionell verhalten. Er hat geschwiegen, wo es notwendig war. Er hat Dinge, die er nicht wissen musste, auch nicht wissen wollen. Er hat – wie sagt man im Volksmund so blumig – Leichen im Keller übernommen, die man nie ganz beerdigen kann. Und wenn es zum Himmel stank, hat er auf Durchzug gestellt. Er hat schnell und viel gelernt – auch von mir. Wir werden ihm dankbar sein und er wird unter uns einen Ehrenplatz einnehmen und seinen Rücktritt keine Minute bereuen. Für so jemand wie Beuth gibt es immer eine verdienstvolle Aufgabe und Verwendung. Darauf gebe ich mein Ehrenwort.“

 

 

 

1.April 2021

Wer mehr darüber wissen will:

Der Hessenkrimi

 

 

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2 Kommentare

  1. Ich dachte schon, die schöne Tradition, die Menschheit in den April zu schicken, sei am Corona-Virus oder seinen vielen Derivaten gestorben. Stattdessen sind sogar einige Stammväter der AfD wieder auferstanden. Na ja, so nah wie in diesem Jahr liegt Ostern ja auch selten am 1. April.

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