Politische Gedanken (mit ärztlichem Hintergrund) zu covid und unserem Umgang. Von Honululu

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Corona-Brief Nr. 17

Politische Gedanken (mit ärztlichem Hintergrund) zu covid und unserem Umgang. Von Honululu

 

Wenn führende Vertreter der deutschen (internationalen) Politik sich auf einmal um die Gesundheit der BürgerInnen sorgen und Ihnen daher eindringliche Apelle und Restriktionen auferlegen, dann schrillen in mir doch sämtliche Alarmglocken. Ginge es ihnen wirklich um die Gesundheit der BürgerInnen, wäre der Kapitalismus, als die tödlichste „Krankheit“ weltweit längst abgeschafft. In seinem Namen bzw. im Schatten seiner Profitakkumulation sterben jährlich Millionen von Menschen. Teils einfach als „unnötige Esser“ deklariert.

Wenn das Sagen nur noch „die“ VirologInnen haben und abweichende Meinungen kaum mehr publiziert bzw. öffentlich als unwissenschaftliche Abweichung abgestraft werden und im Namen der „führenden“ VirologInnen die reine Wissenschaft benannt wird, ist dies für mich auch ein stutzendes Moment mehr.

Werden dann noch Ausnahmezustände (manche wie § 129a aus den 1970er Jahren gelten heute immer noch …) politisch legitimiert vom Bundestag beschlossen (DIE LINKE hat zwar nicht zugestimmt, sondern sich enthalten), Vokabeln wie Schleierfahndung fallen gelassen und das Eindringen der Polizei in private Wohnungen und öffentliches Denunziantentum (anomyne web-Seiten von Kommunalverwaltungen zum Melden von BürgerInnen, die sich nicht an die covid-Beschränkungen halten) gerechtfertigt, gehe ich noch mehr auf Abstand.

Kein Scherz: Covid und das Moor. Wüstensachsen 2020

Allenthalben gilt es nur noch sich zu testen, testen und testen, die Restriktionen müssen immer enger gefaßt werden, die Infektionszahlen würden sich sonst nicht in den Griff bekommen lassen. Dabei sind die Zahlen in den Ländern mit strengsten Restriktionen wie Italien und Spanien wieder stark angewachsen. Aber keiner scheint die Strategie hinterfragen zu wollen. Das Diktum der paradoxen Vorsorge macht die Runde, die Zahlen seien ja nur so niedrig (oder hoch – je nach Sichtweise), weil sich glücklicherweise so viele Menschen schon an die Einschränkungen halten würden.

Davon abgesehen, dass wir gar nicht genau wissen, welche Zahlen denn nun zählen (die der Gestorbenen, die der symptomatisch Infizierten, der Beatmeten oder einfach alle …) und sich für jede Zahl schnell wieder eine Gegenzahl aus dem unübersichtlichen Fundus der publizierten Medizinstudien ziehen läßt. Der „Feind“, also das Virus erscheint unsichtbar oder kaum exakt lokalisierbar, soll aber „militärisch“ bekämpft werden …

Vergessen wir nicht, dass der Kapitalismus bisher jede sogenannte Krise (wessen Krise eigentlich … wir halten unsere Zahlen niedrig und weltweit brechen Handelsmöglichkeiten, Subsistenzwirtschaften zusammen, so daß die Zahl der indirekten covid-Toten die/der an oder mit covid-Gestorbenen längst schon weit übersteigt … Impfprogramme, Vorbeugungen gegen Tod an Malaria etc. sind um Jahrzehnte zurück geworfen … Kindersterblichkeit immens gestiegen, auf Werte der Jahrtausendwende … wessen Krise also, die der Reichen?) nutzen konnte, um seine imperialistischen Machenschaften und Ausbeutungsverhältnisse zu restrukturieren und sich neue Absatzmärkte und -felder zu sichern.

Dabei erscheint es mir zentral, dass es nicht mehr um die Anpassung Mensch-Arbeit geht, sondern um die Transformation des Menschen an sich. Tracking, Genschere, permanente Optimierungsvorgaben … nicht mehr die optimierte Arbeit, sondern der optimierte Mensch soll das Ziel sein. Die implantierte künstliche Intelligenz, der zur Maschine gewordene Mensch. Welch bittere Visionen.

Was hat das alles mit covid zu tun?

Ich gehöre nicht zu den covid-LeugnerInnen, QuerdenkerInnen u.ä.. Aber wenn ein Virus, das wir bisher kaum vollständig verstehen, warum es wen und wann infiziert und warum den neben dran gerade nicht oder nur scheinbar nicht, weil auch krank, aber eben covid-19-PCR negativ krank, eine solche Dynamik entfachen kann und eine solche Unterwürfigkeit, gerade in der Linken, die die besten AbstandshalterInnen mobilisieren, die gehorsamsten Demos veranstalten oder gleich absagen, die „Widerstand“ zur offiziell verordneten Doktrin der Restriktion kaum mehr diskutiert, sondern als rechtsaussen verortet, dann ist das mehr, als nur ein Virus.

Bisher galt es die Schulmedizin kritisch zu sehen und zu hinterfragen und Alternativen zu entwickeln und zu denken. Jetzt sind die podcasts der Professorinnen Cisek und Drosten in alle Munde und gelten als die „Weisheit“.

Es geht nicht darum, sich der Erkrankungsgefahr eines (ggf. tödlichen) Virus schutzlos auszusetzen, aber worin der Schutz bestehen kann und wie er konkret umgesetzt wird, sollte debattiert und nicht von oben herab bestimmt bzw. angeordnet werden. Auch ich bin, gerade als Hausarzt ganz nah dran, habe mittlerweile mehr als 30 nachgewiesene covid-19-Patienten abgestrichen, von den vielen symptomlosen ganz zu schweigen. Darin bin ich vorsichtig, trage Maske und Schutzausrüstung. Ich sehe aber auch das übrige Elend um mich herum, die zunehmende psychosoziale Vereinsamung, die Depressionen und soziale Isolation, nicht nur der Alten, nein, auch der Jüngeren, Kids und alleinerziehenden Mütter.

Dabei wissen wir doch längst, dass der neurohumorale Status einen wesentlichen Einfluß auf das Immunsystem hat. Wer viel lacht und positiv eingestellt ist, überlebt z.B. seine Krebserkrankung länger als pessimistisch eingestellte und isolierte. Wer depressiv und zurückgezogen lebt, ist für grippale Infekte viel anfälliger. Von Herzinfarkten, Hypertonie und der Entwicklung eines Diabetes mellitus ganz zu schweigen.

Und genau diese verordnete Strategie soll jetzt gesundheitsfördernd sein? Oder soll sie nur den Gesundheitsmarkt, die Krankenhäuser und Intensivbetten schützen und kapitalisierbarer machen (die kleinen Häuser werden die Pandemie wohl kaum überstehen …). Es gilt, für den Markt der Zukunft, Biotechnologie, Pharmazie und Gesundheit, den Menschen an die gesetzten Bedingungen anzupassen, nicht die gesellschaftlich verursachten an den Menschen. Warum verdienen denn gerade in der Corona-Zeit ärztliche Praxen, obwohl Sie im hausärztlichen Bereich seit Monaten am Limit arbeiten, 10-20% weniger als vor der Pandemie? Warum erhalten nur 10-15% aller Pflegekräfte die corona-Prämie, weil sie eben nur 28 statt 31 (30 war die Schlüsselzahl) corona-Intensivgepflegte hatten und ihr Krankenhaus wirtschaftlich nicht in der Lage zu sein scheint, Boni zu zahlen?

Warum werden alternative Ideen gleich in Grund und Boden gestampft, die den Schutz der Risikopopulationen anstreben und damit argumentiert, 40% der hiesigen Bevölkerung gehöre zur Risikogruppe. Die Spirale der Angst muß mit zunehmender Pandemie-Dauer immer schneller gedreht werden, damit die durchzusetzenden Maßnahmen alternativlos erscheinen.

Alternativlos sind wir auch, wenn wir nicht mal die wenigen Freiräume, die es gibt und die auch für die Einzelnen emotional gehbar sind, aufgreifen, diskutieren und ggf. auch versuchen umzusetzen. Ja, ich gehe (bzw. bin gegangen) schon lang wieder in Kinos und Cafes und Kneipen, aber mit Abstand und einer FFP2-Maske. Ja, es gibt (bzw. gab) die Möglichkeit, Seminare mit Abstand und Regeln abzuhalten. Auch in größeren Gruppen.

Worum es doch in so einer Zeit gehen muß, ist die Isolation aufzuhalten, gemeinsam sich Freiräume zu organisieren, gemeinsam zu diskutieren und zu streiten und nicht im voraus Restriktionen zu verinnerlichen.

Es ist doch auffällig, wieviel „Angst“ covid wohl in der „Linken“ verbreitet. Ist es die Angst, andere zu verletzen, zu schaden, zu Tode zu bringen? Mir fällt dazu ein, wie wenig immer die Auseinandersetzung mit HIV/Aids, Hepatitis, Tod und Sterben in der Linken als Diskussionsprozeß verankert war. Zumal doch auch absehbar scheint, dass covid nicht so bald ein Gespenst sein wird, sondern in mutierter Form noch jahrzehnte/menschenlang überleben kann/wird. So gab es z.B. initial nur Hepatitis A und B, mittlerweile Hepatitis C/D/E/G …

Wenn es absehbar ist, dass eine kurzfristige, vielleicht auch schmerzhafte Verhaltensänderung (wie z.B. ein Lockdown für wenige Wochen) nicht zu einer anhaltenden Veränderung/Besserung führt und unter den beschlossenen Erlassen immer mehr Menschen leiden, bedarf es Ansätze, um unter diesen Bedingungen „leben“ zu können. Und zum Leben gehört für uns als soziale Menschen der Kontakt und Austausch, gerade auch in Berührung und Nähe als conditio sine qua non dazu. Kasparsche Erfahrungen zeigen eindeutig, dass der Mensch in der Isolation zugrunde geht.

November 2020                                                           Honululu

 

PS:

Ich habe euch noch einen Link von einer Podiumsdiskussion der linken Buchmesse in Nürnberg angehängt. Der erste Beitrag und der dritte von Wolf finde ich sehr empfehlenswert. Ebenso das erschiene Buch dazu J

https://wolfwetzel.de/index.php/2020/11/03/ist-der-kapitalismus-unheilbar-krank/

 

Das Buch „LOCKDOWN 2020. Wie ein Virus dazu benutzt wird, die Gesellschaft zu verändern“ (Hg. Hannes Hofbauer & Stefan Kraft)  enthält zwanzig Beiträge, die das breite Feld abdecken, das Corona nicht entdeckt hat, sondern vorfindet. Es bringt biopolitische, staatstheoretische, ökonomische und gesellschaftliche Überlegungen zusammen. Und manchmal sogar gibt es Verknüpfungen, Übergänge zwischen diesen Disziplinen.

Es ist ein gelungener Versuch, zu belegen, dass nicht Corona unser Leben verändert, sondern jene, die mit „Corona“ handeln.

Es geht um das Wissen und die Erfahrungen, die Angst nicht weiter zu nähren, sondern zu ermutigen, sich nicht das Leben zu nehmen, aus Angst vor dem Tod. Das ist ganz und gar nicht biologistisch und auch nicht theatralisch  gemeint.

 

Die vorangegangenen 16 Corona-Briefe finden sich hier: https://wolfwetzel.de/index.php/2020/09/12/corona-briefe/

 

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Ein Kommentar

  1. Ich frage mich: Warum sehen das viele Linke anders? Ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, was “Honululu” hier schreibt! Ich stimme im Prinzip zu. Ich glaube aber nicht, dass es in erster Linie an einer mangelnden Beschäftigung mit dem Tod liegt. Vielmehr liegt es wohl daran, dass die Gesundheitsideologie voll aufgenommen wird, das Thema der Bio-Politik und Bio-Macht nicht verfangen hat und eine prinzipielle Distanz zu “populären” Bewegungen besteht.

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