Wenn sich Putschisten in Bolivien und Putschfreunde in Deutschland vereinen …

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Wenn sich Putschisten in Bolivien und Putschfreunde in Deutschland vereinen (Teil I)

 

Über die Akteure, Unterstützer und Hintergründe des Putsches in Bolivien, der mit der Flucht Evo Morales endete, ist bereits einiges geschrieben worden (siehe Quellenhinweise unten).

Was einen Militärputsch kennzeichnet ist ziemlich einfach: Wenn sich das Militär in eine politische Auseinandersetzung einmischt und Politik betreibt, in diesem Fall den Rücktritt der Regierung fordert und dieses „Gesuch“ zwingend macht, indem es mit der Polizeiführung zusammen den Schutz von Regierungsgebäuden aufgibt.

 

 

Wenden wir uns also den Putschbefürwortern hier in Deutschland zu, die partout keinen Putsch erlebt und unterstützt haben wollen:

So erklärte der Regierungssprecher Steffen Seibert in der Pressekonferenz am 11.11.2019, dass er den “Rücktritt” des bolivianischen Präsidenten “als wichtigen Schritt” begrüße. Die Nachfrage, ob es sich dabei um einen Putsch handelte, betrachtete der Regierungssprecher als “eine interessante Wertung von ‚Russia Today‘“.

Auch die Süddeutsche Zeitung sieht für den Putsch nur einen Zeugen, den Regierungspräsidenten Morales, der von einem ‚Putsch‘ spreche. Damit wäre der Putschvorwurf vom Tisch.

Auch der „Spiegel“ hält den Putschvorwurf für eine präsidiale Form der Hysterie: „Boliviens Präsident Morales wettert gegen den ‚Putsch‘.“

Die taz zeigt sich „feministisch“, hält die Ex-Präsidenten Morales und Lula in Brasilien für „Entbehrliche Männer“ und macht für den Putsch nicht die Putschisten verantwortlich, sondern das Putschopfer:

„Evo Morales, der sich über seine eigene Verfassung und das Ergebnis eines Referendums hinweggesetzt und für eine eigentlich verbotene vierte Amtszeit kandidiert hatte, hat sich im Streit über die offenbar von Betrug gekennzeichneten Wahlen vom 20. Oktober selbst ins Abseits geschossen.“ (taz. de vom 10.11.2019)

Das ist eine taz-eigene Beweisführung, die man auf einige Regierungen im Westen anwenden sollte, vorausgesetzt, diese “Rechtsprechung” hat universellen Charakter. Wieviele Regierungen im Westen wären demzufolge selbst schuld an ihrem Sturz?

Wenn also Militärs in Bolivien mit der Opposition auf die Straße gehen, wenn die Militär-und die Polizeiführung die Sicherheitskräfte vor Regierungseinrichtungen abzieht, wenn die Militärführung die Regierung Morales zum Rücktritt auffordert, dann ist das kein Putsch, kein Staatsstreich, sondern „durchsichtige Propaganda“: „Ein von der Rechten orchestrierter Staatsstreich sei im Gange, warnte er (Evo Morales, d.V.) und appellierte an die Solidarität aller Linken. Das war durchsichtige Propaganda.“ (taz.de vom 10. 11. 2019)

Am Ende lässt die taz ganz repräsentativ jubeln: „Inmitten der rot-gelb-grünen Menge küssen sich Juan Carlos Zamora (31) und Vanesa Gallardo (31) eng umschlungen. ‚Wir sind so glücklich wegen der Demokratie‘, sagt er. ‘Meine Frau und ich werden eine Familie gründen und unsere Kinder in einem freien Land aufziehen können!’ Vanesa ist schwanger.“ (taz.de vom 11.11.2019)

Die Partei Bündnis90/DIE GRÜNEN ließ mit ihrem Putschgrüssen nicht lange auf sich warten. Ganz in der Tradition des Pazifismus stehend, verkündete deren außenpolitischer Sprecher Omid Nouripour, „das Militär“ habe „die richtige Entscheidung getroffen, sich auf die Seite der Demonstrierenden zu stellen“.( gruene-bundestag.de 11.11.2019)

Mit diesem Putsch wird nicht die „Demokratie“ wiederhergestellt, sondern die alten, imperialen Herrschaftsverhältnisse, in denen es selbstverständlich ist, über Ressourcen (und Regierungen) anderer Länder frei zu verfügen, und jede Regierung zu stürzen, die es wagt, diese imperialen Selbstverständlichkeiten anzugreifen.

Für diesen Putsch sind nicht die (in der Tat begangenen) Fehler der Regierung Morales ursächlich, sondern die Tatsache, dass die Regierung Morales die erste Regierung war, die diese imperialen Selbstverständlichkeiten nicht für unantastbar hielt.

Wenn in Deutschland also ein breites „Bündnis“ von faz bis taz einen Putsch begrüßt, dann wissen die Bündnispartner sehr genau, dass dieser Putsch eines garantiert ausschließt: noch mehr Demokratie, noch mehr Selbstbestimmung über den Reichtum dieses Landes, noch mehr Beteiligung von unten, noch weniger Einmischung von „außen“.

Und weil sie alle zusammen sehr genau um die lange Geschichte von Putschen in Lateinamerika wissen, um den blutigen Kern dieser Putsche, gleicht ihre Fürsprache für diesen Staatsstreich der Fürsprache für den Staatstreich gegen die Regierung Allende in Chile 1973.

In dieser blutigen Tradition stehen sie bis heute.

 

Laut Süddeutscher Zeitung vom 13. November 2019 hat sich Morales „bereits auf den Weg ins Exil in Mexiko gemacht. ‚Schwestern und Brüder, ich breche nach Mexiko auf‘, schrieb er am Montag auf Twitter: „Es schmerzt mich, das Land aus politischen Gründen zu verlassen, aber ich werde mich immer kümmern. Bald komme ich mit mehr Kraft und Energie zurück.”

 

 

 

 

Anleitung zu Regierungstürzen

Wenn man der schwarz-grünen Mitte dieses Landes folgt, dann kann man doch wertfrei folgendes Fazit ziehen:

  • Wenn man mithilfe einer sehr willigen „Prüfstelle“ (OAS) einer Regierung Wahlmanipulationen vorwirft (bevor die Prüfung abgeschlossen ist)
  • wenn man einer Regierung vorhält, zu lange an der Regierung zu sein,
  • wenn man eine Regierung satt hat, weil sie einfach die falsche ist,
  • dann darf man den Präsidenten aus dem Land jagen, Regierungsgebäude besetzen und anzünden, Regierungsanhänger jagen,
  • sich selbstherrlich zu Weiß-Gott-Was ernennen
  • ganz hemmunglos auf das pfeifen, was man den „anderen“ vorwirft
  • kurzum alles tun, was das Herz begehrt
  • und dabei auf ganz viele Freunde setzen, wie zum Beispiel den US-Präsidenten Trump

Lassen Sie uns kurz und abschließend auch die positive Seite dieses Drehbuches hervorheben.

Das ist doch die perfekte Anleitung zu Regierungstürzen von „Experten“, die davon etwas verstehen. Machen wir uns ans Werk! Es gibt viel zu tun.

Lassen Sie uns mit dem Noch-US-Präsidenten Donald Trump anfangen. Wie alle Welt weiß, wird ihm Amtsmissbrauch und Wahlmanipuationen vorgeworfen. Gegen ihn läuft ein Amtsenthebungsverfahren (Impeachment-Ermittlungen). Kürzen wir das Verfahren doch mit seiner eigenen Stimme ab und sorgen dafür, dass er – wie heißt es doch noch einmal – „zurücktritt“ und ein Land findet, das ihn aufnimmt.

Wolf Wetzel

Quellen und Hinweise:

Geleakte Audiodateien deuten auf Vorbereitungen für einen US-gestützten Putsch in Bolivien hin, RT vom 7.11.2019

Wen interessieren schon Fakten: Regierungssprecher Seibert über Bolivien und den OAS-Wahlbericht, RT vom 12.11.2019

Warum es in Bolivien einen Putsch gab, Harald Neuber/telepolis vom 12.11.2019

Die Allianz aus Putschisten in Venezuela und Putsch-Willigen in den USA und in Europa

Ein sehr guter Beitrag von Frederico Füllgraf findet sich auf den NachDenkSeiten: Bolivien – Nach Staatsstreich, Exil von Evo Morales und Selbsternennung der neuen Präsidentin erhebt sich Widerstand gegen rechtsextremen Terror

 

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