Amadeu Antonio Stiftung enthüllt die neuste Form linken Antisemitismus. Ein Verriss.

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Amadeu Antonio Stiftung enthüllt die neuste Form linken Antisemitismus. Ein Verriss.

Unerschrocken haben sich die Autoren Tom David Uhlig und Volker Koehnen an die gefährliche Mission herangewagt, den linken Antisemitismus aufzuspüren. Ihr Ergebnis findet man als Gastbeitrag auf der Internetplattform der Amadeu Antonio Stiftung:

 

Antisemitismus von links|Die verkürzte ‚Neoliberalismuskritik‘ der ‚NachDenkSeiten‘.“

 

Dafür haben sie die bandaktuellste Variante des Antisemitismus aus seiner Verkleidung gezerrt: den „neoliberalismuskritischen Antisemitismus“.

Danach war alles ganz einfach und glasklar: AfD, PEGIDA und Erika Steinbach bis hin zu „aufstehen“ und den NachDenkSeiten/NDS verbinde „ihre auf den ersten Blick naive, in Wahrheit aber perfide Art, Antisemitismus auf die Person des Juden oder der Jüdin zu reduzieren.“

So flott geht es dabei zu: In einem Satz wird eine Querfront aus Neonazis, der Sammelbewegung „Aufstehen“ und dem Nachrichtenportal „NachDenkSeiten“ gebaut. Danach darf man fast alles.

Die Redaktion der NachDenkSeiten hat bisher mit zwei Beiträgen darauf reagiert:

Die „Antisemiten“ von den NachDenkSeiten – Angriff der Amadeu Antonio Stiftung

Wenn aus dem Antisemitismusvorwurf Willkür wird

Im folgenden Beitrag geht es darum, den Autoren den Vorwurf zu machen, dass sie sich bei ihrem Angriff auf die „NachDenkSeiten“ einen Begriff zusammenbasteln, der nicht einmal Hohn verdient. Das hat nichts mit einem Kampf gegen Antisemitismus zu tun, dafür sehr viel mit der Verteidigung herrschender Verhältnisse und ihre Form der Beteiligungsgesellschaft.

Tom David Uhlig ist Mitarbeiter der Bildungsstätte Anne Frank und Mitherausgeber der „Freien Assoziation. Zeitschrift für psychoanalytische Sozialpsychologie“. Volker Koehnen ist Diplom-Politologe und Systemischer Berater (SG). Er arbeitet zu sozialphilosophischen, gesellschaftskritischen und psychoanalytischen Themen.

Und fürwahr: Was dieses Duo längst wusste, haben sie jetzt noch einmal herausgefunden, erst recht: Die NachDenkSeiten verbreiten zwar auf den ersten Blick keinen Antisemitismus. Das spricht aber ganz und gar nicht für sie, sondern gegen sie, also für ihre besonders perfide Art, antisemitische Ideologien unter die Menschen zu bringen. Das machen sie seit Jahren ganz clever, aber nicht clever genug. Denn nun haben die zwei wackeren Autoren die Tarnung geknackt und das eigentliche Geschäft der NachDenkSeiten enttarnt. Man muss hier nicht erwähnen, dass das ganz schön gefährlich und gewagt war.

Sie haben alles herausbekommen, was die Spatzen seit Jahren vom Dach pfeifen: Wer Israel, also die Staats- und Regierungspolitik Israels kritisiert, täuscht diese nur vor. Das ist nur „sogenannte Israelkritik‘“. So bisschen wie die „sogenannte DDR“.

Denn eigentlich, und das haben wir dieses tapferen Schneiderleins zu verdanken, geht es gar nicht um eine Staats- und Regierungspolitik, sondern um einen gut getarnten Hass auf … jawohl auf Juden, um ganz korrekt zu sein um Hass auf Jud*innen.

Damit nicht genug. Den beiden Autoren ist noch etwas Bahnbrechendes gelungen: Sie haben den antisemitischen „Code“ geknackt. Wenn also in den „NachDenkSeiten“ das Wirtschaftssystem Deutschlands, Frankreichs oder der USA kritisiert und angeprangert wird, dann geht es gar nicht um eine Kapitalismuskritik, sondern um einen „neoliberalismuskritischen Antisemitismus“.

Man reibt sich die Augen, und fragt sich: Gibt es nicht schon genug Ausformungen des Antisemitismus, die etwas erklären, begrifflich eingrenzen sollen: Vom primären zum sekundären Antisemitismus, vom religiösen zum strukturellen, vom ideologischen zum eliminatorischen Antisemitismus und ganz frisch dazugekommen ist der muslimische Antisemitismus.

All diese Begrifflichkeiten reichen den beiden Autoren nicht und werfen einen „neoliberalismuskritischen Antisemitismus“ in die ahnungslose Runde. Was soll der noch, fragt man sich und bekommt eine atemberaubende Antwort:

Es handele sich dabei um eine „intendierte(n) Kritik gegenwärtiger kapitalistischer Vergesellschaftung – der nomadischen Vereinzelung, gesellschaftlicher Entsolidarisierung, ökologischer Verwüstung usw. – (die) über das Ziel hinausschießt und in den Antiliberalismus mündet, dessen ausgemachtes Feindbild historisch wie aktuell die Jüdinnen und Juden sind.“

Wenig später setzten sie noch einen drauf und behaupten, dass der „Illiberalität die innere Struktur des Antisemitismus kennzeichnet“.

Wow, wie kühn und akrobatisch diese beiden Autoren ihr Werk der erbarmungslosen Enttarnung betreiben. Anfangs sind sie noch gnädig und sprechen milde von „intendierter Kritik gegenwärtiger kapitalistischer Vergesellschaftung“, die natürlich nicht mehr zu bieten hat, als eine gute (also missratene) Absicht. Dann enttarnen sie freihändig das wahre Motiv: einen „Antiliberalismus“. Man muss sich wohl in der Geister/swelt dieser beiden Autoren heimisch fühlen, um sich einen inneren Zusammenhang zwischen einer Kritik an gesellschaftlicher Entsolidarisierung und Antiliberalismus (im Sinne einer damit gemeinten Ablehnung der „Aufklärung“, des „Universalismus“) zu erschließen. Viel beliebiger geht es kaum noch.

Aber das dicke Ende dieser Beweiskette kommt noch: Ist der Kritik an kapitalistischen Verhältnissen das Label „Antiliberalismus“ angeheftet, dann ist es zum Juden als „Feindbild“ nicht mehr weit.

Dass es AutorInnen bei den NachDenkSeiten gibt, die den Wirtschafts-Liberalismus für die Krise des Kapitalismus verantwortlich machen, könnte durchaus eine Diskussion wert sein. Aber den beiden Anklägern geht es ja nicht darum, eine radikale Kapitalismuskritik einzufordern und diese gemeinsam zu leben, oder doch?

Ich bin jetzt ziemlich illiberal und sage: Nein. Ihnen geht es um einen billigen Dreisatz, der allen Ernstes behauptet, dass eine solche Kritik am Wirtschaftsliberalismus im Antisemitismus mündet.

Zur Enttarnungsarbeit der beiden Autoren gehört standartmäßig der Nachweis einer „verkürzten Kapitalismuskritik“. Wer diesen Katalogvorwurf seit Jahrzehnten kennt, muss gähnen. Denn es ist nicht dasselbe, sondern ein gravierender und bedeutender Unterschied, ob eine Kapitalismuskritik zu kurz greift, also einfach nur einen besseren will oder ob man alles Übel im Kapitalismus dem Jüdischen zuschreibt und damit den “anständigen/wertschaffenden“ Kapitalismus retten möchte.

In ihrem Beitrag greifen also die Autoren einige Begrifflichkeiten heraus, die in Beiträgen für die NachDenkSeiten zur Beschreibung von Herrschaftsverhältnissen auftauchen: globalistische (Finanz-)Eliten, Finanzhaie, Banker usw.

Daraus machen die Autoren eine aberwitzige Beweisführung: Zuerst erheben sie den Vorwurf, dass man damit abstrakte (Kapital-)Verhältnisse personifiziere, dass komplexe Strukturen vereinfacht werden.

Jawohl, man kann den Autoren schnell und leichten Herzens zustimmen: Der Kapitalismus ist in der Tat komplex. Er hat sehr viele Akteure, beinhaltet viele Machtzentren, viele Brüche, viele Antagonismen, und komplexe Beteiligungsmodelle.

All dies in all seinen Facetten aufzuzeigen, ist ganz sicher ein Verdient der NDS. Aber, und das ist gut so: Es geht hier nicht nur um Strukturen, Gesetzmäßigkeiten und „unsichtbare Hände“, die den Kapitalismus ausmachen.

Es geht auch um Klassenverhältnisse, um Herrschaftsverhältnisse, in denen es ein Oben und Unten gibt, in denen es eine Elite gibt, in dem „Arbeitnehmer“ und „Arbeitgeber“ nicht dasselbe sind. Es geht um Herrschaftsverhältnisse, in denen jene, die nicht gewählt sind das Sagen haben und die, die gewählt werden, nicht die Macht haben. Es geht um ganz Wenige, die sich dumm und dämlich verdienen und um Millionen von Menschen, die sich für diesen Irrsinn krankschuften und kaputthetzen. Es geht um die Zurückweisung des liberalen Irrsinns, dass irgendwie alle schuld sind, dass jeder also „frei“ ist, sich ausbeuten zu lassen oder andere auszubeuten.

Die Autoren wissen darum, man sollte es zumindest bei ihnen vermuten: Es geht in der Kritik, die auf NachDenkSeiten formuliert wird, nicht darum, die Herrschaftsverhältnisse zu verschleiern, um dann die „Juden“ fürs ganze Elend verantwortlich zu machen. Im Antisemitismus geht es um das genaue Gegenteil: die Herrschaftsverhältnisse auf den Kopf zu stellen und damit Machtverhältnisse zu suggerieren (wie die der Weltmacht der Juden), um von den eigentlichen Machtverhältnissen abzulenken.

Das ist ein wesentlicher Kern bei allen angebotenen und gebotenen Formen des Antisemitismus.

Wer wie diese beide Autoren dieses Wissen, dieses Grundwissen, hintergeht, der bekämpft nicht Antisemitismus, sondern beschützt die herrschenden Verhältnisse. Dass sie dabei eine apologetische Form wählen, „die liberal-rechtsstaatliche Auffassung von der prinzipiellen und globalen Gleichheit aller Menschen“ beweist, dass Verkürzungen von Lebenswirklichkeiten nicht immer gelingen, nicht immer antisemitisch sein müssen.

Wolf Wetzel

 

Quellen:

Antisemitismus von links|Die verkürzte „Neoliberalismuskritik“ der „NachDenkSeiten“ vom 7.12.2018

Antisemitismus von links: Die verkürzte „Neoliberalismuskritik“ der „NachDenkSeiten“

 

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4 Kommentare

  1. Liebe Lola,

    Münteferings Heuschrecken schon vergessen?! Der von dir angegriffene Beitrag der Amadeo Antonio Stiftung argumentiert inhaltlich doch klar nachvollziehbar, wenn auch leider hoch abstrakt: Kritiken des Neoliberalismus sind politisch-ideologisch bekanntlich anfällig für Antisemitismus, falls nicht angesprochen wird, daß der Neoliberalismus lediglich die logische Antwort des Kapitals auf sich, infolge seiner stark wachsenden organischen Zusammensetzung, deutlich verschärfende Profitkrisen ist. Und auch die NWO ist kapitalistisches Business as usual bzw. eine Strategie, den Verheerungen des tendentiellen Falls der Profitrate durch Weltfaschismus (Profitentlastung mittels z.B. Beseitigung unnützer Esser) zu entkommen. Angeführt wird dieser brutale big job vom big business bzw. vom Geldwesen, politisch unterstützt aber wird er vom gesamten Kapital, weil in seinem vitalen Interesse.

    Daß das große Geld nun einmal häufig prominent von jüdischen Menschen angeführt wird, ist ein Umstand, der nun um so mehr eine klare Solidarität mit diesen verlangt! Denn die Münteferings, Hitlers & Co. beuten diesen historisch und soziologisch leicht zu erklärenden Umstand zum Nutzen ihrer völkisch-sozialdemokratischen bzw. national-sozialistischen faschistischen Propaganda immer wieder ruchlos aus.

    Zu kommunizieren ist: Nicht “Juden”, sondern zinstragendes Geld besitzt die komfortable Sonderstellung, nicht wie das warenproduzierende Kapital unmittelbar und direkt vom tendentiellen Fall der Profitrate attackiert zu werden. Denn das große Geld bricht erst im Nachgang zu den Warenproduzenten ein, nämlich wenn diese ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen können. Fazit: Nicht der Neoliberalismus oder das Finanzkapital ist Scheiße, sondern auf Herrschaft von Menschen über Menschen fußende Lebens- und Produktionsweisen. Wie wir mit uns selbst und anderen umgehen, nur darauf kommt es an. Es gibt keine gute gesellschaftliche Ordnung ohne Respekt und Liebe. Das müssen wir ALLE lernen, nicht nur Israelis und Palästinenser.

    Frohes neues dir und dem großartigen Blog, für den du schreibst von

    Bluebalou

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