Ende einer Dienstfahrt – Aufklärung a la carte

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Ende einer Dienstfahrt – Aufklärung auf

nordkoreanischem Niveau

Florian Heilig sollte am 16.9.2013 seine bereits Mitte 2011 gemachten Aussagen zum Mordanschlag auf Polizisten in Heilbronn 2007 und zur Existenz einer weiteren neonazistischen Terrorgruppe (namens NSS) in Baden-Württemberg wiederholen bzw. präzisieren. Acht Stunden vor dieser Zeugenvernehmung verbrannte Florian Heilig qualvoll in seinem Auto. Die Polizei behauptet einen Selbstmord. Als Motiv gibt sie »Liebeskummer« vor.
Auto-Florian-Heilig-2013
 
Weder die Familie noch die Freundin bestätigen dieses Motiv. Die schlichte Frage stand und steht im Raum: Wurde in alle Richtungen ermittelt? Wurde den Indizien für Fremdverschulden nachgegangen? Welche überprüfbaren, belastbaren Indizien sprechen für Selbstmord, welche für Mord?
Am 12. 12.2013 stellte ich folgende Fragen an die Staatsanwaltschaft Stuttgart:
»In einer Stellungnahme der Polizei findet sich die Aussage, dass ein Zeuge gesehen haben will, wie eine Person in das Auto eingestiegen ist, bevor es in Brand geriet. Dem Zeugen zufolge, der zuerst am Tatort war und die Feuerwehr angerufen hatte, gibt es eine solchen Zeugen nicht. Dieser gibt an, niemanden vorher am oder im Auto gesehen zu haben. Was haben dazu Ihre Ermittlungen ergeben?
Als Grund für den Tod von Florian Heilig werden »persönliche Motive« bzw. »Liebeskummer« genannt. Die Familie Heilig bestreiten vehement, dass ihr Sohn ein Motiv hatte, sich selbst umzubringen. Zu welchem Ergebnis sind Ihre staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gekommen?
Die Familie Heilig schließt Selbstmordabsichten ihres Sohnes oder ein Motiv, das zu Selbstmord führen könnte, aus. Wie kommt die Polizei zu einem Motiv, das niemand aus der Familie und dem Freundeskreis kannte? Was haben Ihre Ermittlungen diesbezüglich ergeben?
Wie in jeden anderen Fall auch wurde im Fall Florian Heilig in alle Richtungen ermittelt. Auf welche Weise wurde ermittelt, ob Fremdverschulden vorliegen könnte?
Die Tatsache, dass Florian Heilig dabei war, Aussagen gegen Neonazis zu machen, sich im BIG-Rex-Programm befand, machte ihm auch Feinde bei seinen ehemaligen Freunden und in der Naziszene, die ihn als Verräter bezeichneten. Sind Ihre Ermittlungen diesen Bedrohungen nachgegangen?
Im Auto von Florian Heilig befanden sich sein Handy und sein Laptop. Wurde diese ausgewertet, um (mittels eines Funkzellenprotokolls bzw. der Verbindungsdaten) rekonstruieren zu können, was sich in den letzten Stunden vor seinem Tod zugetragen hat?
Auf der Sterbeurkunde, die der Familie Heilig ausgehändigt wurde, findet sich ein Todeszeitpunkt vom 15.09.2013 20:30 Uhr bis 16.09.12 9:17 Uhr. Können Sie sich diese große Zeitspanne erklären? Welcher Todeszeitpunkt wurde letztendlich ermittelt?
Wie Sie sicherlich wissen, ist Florian Heilig am Abend zuvor (Sonntag) nicht wie gewöhnlich zur überbetrieblichen Ausbildungsstätte gefahren, wo er sich spätestens um 22 Uhr zurückmelden musste. Er hat sich stattdessen spät abends auf den Weg Richtung Stuttgart gemacht. Was haben diesbezüglich Ihre Ermittlungen ergeben?
Die Überreste, die die Polizei sichergestellt hat, wurden der Familie Heilig zurückgegeben. Können Sie bestätigen, dass bei den zurückgegebenen persönlichen Gegenständen kein Autoschlüssel bzw. Schlüsselbund dabei war?«
 
Im Zuge dieser journalistischen Anfrage entspann sich folgender ›Briefverkehr‹ mit der zuständigen Staatsanwaltschaft in Stuttgart. Er hat kabarettistischen Wert.
E-Mail vom 13.12.2013:

»Sehr geehrter Herr Wetzel,
Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Daher haben wir auch noch keine Ergebnisse, die wir Ihnen mitteilen könnten. Ich möchte Sie bitten, sich zu einem späteren Zeitpunkt – so gegen Anfang Februar 2014 – wieder bei mir zu melden.
Mit freundlichen Grüßen
C.Krauth« (Erste Staatsanwältin, Staatsanwaltschaft Stuttgart – Pressestelle)

Am 13.12.2013 schrieb die StA Stuttgart (Pressestelle):

»Hallo Herr Wetzel,
in einem laufenden Verfahren gebe ich nie Einzelauskünfte oder beantworte einzelne Fragen zu bestimmten Komplexen.
Viele Grüße |C. Krauth«

Am 17.02.2014 schrieb die StA Stuttgart (Pressestelle):

»Hallo Herr Wetzel,
das Verfahren ist immer noch ein laufendes Verfahren und es ist derzeit auch nicht absehbar, wann mein Kollege das Verfahren abschließen wird. Ich schlage Ihnen vor, dass Sie sich immer wieder bei mir erkundigen.«

Am selben Tag richtete ich folgende Frage an die Staatsanwaltschaft Stuttgart:

»Hallo Frau Krauth,
herzlichen Dank für Ihre Antwort. Ich hätte diesbezüglich nur eine Nachfrage: Wie ist es möglich, dass im EG-Umfeld-Abschlussbericht der Fall Florian Heilig zweifelsfrei als Selbstmord dargestellt wird, wenn die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind? Das kann ich mir vernünftig nicht erklären? Haben Sie darauf eine Antwort?«

Daraufhin bat mich die Staatsanwaltschaft um einen telefonischen Rückruf, der damit endete, dass sich die Staatsanwaltschaft dieses (vorgezogene) Fazit auch nicht erklären konnte/wollte.
Am 16.5.2014 richtete ich folgende E-Mail an die StA Stuttgart:

»Sehr geehrte Frau Krauth,
wahrscheinlich kommt Ihnen dieser Schriftverkehr auch zunehmend kafkaesk vor, aber ich möchte meine Frage dennoch mit demselben Ernst stellen: Sind die Ermittlungen zu den Todesumständen von Florian Heilig mittlerweile abgeschlossen (das Ergebnis wurde – wie Sie wissen – bereits durch die LKA-Ermittlungsgruppe ›Umfeld‹ im Abschlussbericht Januar 2014 bekannt gegeben)? Vielleicht geht dieser Briefverkehr irgendwann einmal in die bundesdeutsche Historie ein?«

Am 16.05.2014 schrieb die StA Stuttgart (Pressestelle):

»Sehr geehrter Herr Wetzel,
das Ermittlungsverfahren ist Ende letzten Monats abgeschlossen worden. Es ist eingestellt worden, weil Fremdverschulden ausgeschlossen werden konnte und wir daher davon ausgehen, dass er sich selbst getötet hat

 
Fassen wir zusammen:
Im Dezember 2013 stand der Beantwortung der Fragen das ›laufende Ermittlungsverfahren‹ im Weg.
Mit Abschluss des Ermittlungsverfahrens Ende April 2014 stand der Beantwortung meiner ruhenden Fragen nichts mehr im Wege? Das sollte man meinen. Da sollte man sich gewaltig täuschen:

»Das Ermittlungsverfahren ist aus den Gründen, die ich Ihnen schon mitgeteilt habe, eingestellt worden. Einzelne Ermittlungshandlung bzw. Ermittlungsschritte und die Frage, wie wir zu dem Ergebnis gelangt sind, möchte ich Ihnen aus Persönlichkeitsschutzgründen nicht mitteilen. Ich darf Ihnen die Einstellungsverfügung – falls Sie überlegen, diese anzufordern – auch nicht zukommen lassen

Ich finde, diese Presse- und Öffentlichkeitsarbeit könnte auch aus Nordkorea stammen.
Man sollte daraus ein Theaterstück machen …
Wolf Wetzel
Der NSU-VS-Komplex. Wo beginnt der Nationalsozialistische Untergrund – wo hört der Staat auf? Unrast Verlag 2013, 2. Auflage

 
Warum im Fall des Todes von Florian Heilig nicht in Richtung Mord ermittelt wurde, geht folgender Beitrag nach: Erst verbrennen Akten, dann Zeugen.
 

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  1. Wer hat ein Interesse daran, den Mord an diesem Jungen zu vertuschen?! Es müssen zumindest Brüder und Schwestern im Geiste jener Leute sein, die gestern in München die Zeugenaussagen zu einem “kleineren, deutlich untersetzten” Bankräuber in Eisenach überhört haben.
    Ich glaube, ich spinne. Das ist doch keine bürgerliche Demokratie.

  2. Lieber Herr Wetzel,
    Sie sollten m.E. Anzeige wegen Strafvereitelung im Amt stellen. Indizien für einen diesbezüglichen Anfangsverdacht sind die Aussagen der Angehörigen, die etwaige suizidäre Hintergründe beim Ableben des Florian H. entschieden verneinen.

  3. Es könnte sich auch um einen Dialog mit der Telekom handeln.
    Das wird auf jeden Fall in die Geschichtsbücher eingehen und es wird einige Hollywoodfilme geben, die das Thema aufgreifen.

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