Der Selbstmord der NSU-Mitglieder – keine Zweifel?

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Selbstmord – was sonst

oder: eine Patronenhülse zuviel

aktualisiert am 15.11.2013

 Wenn Hunderte von Akten im Zusammenhang mit dem NSU vernichtet werden, wenn ›heißen Spuren‹ in keinem einzigen Fall nachgegangen wurde, wenn Behörden die Existenz von V-Leuten verschweigen, wenn bei allen neun Morden an Menschen mit türkischer und griechischer Abstammung ein rassistischer Hintergrund ausgeschlossen wurde, wenn all dies in allen Behörden und auf allen Ebenen geschieht, dann darf man hinter diesem ›menschlichen Versagen Einzelner‹ ein System vermuten – zumindest sollte man dies nicht ausschließen.
Wenn dies nahe liegt, dann muss man auch den schlimmsten Fall für möglich halten bzw. darf ihn nicht von vorneherein ausblenden.
Haben die namentlich bekannten Mitglieder des NSU, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, am 4. November 2011 in ihrem Campingwagen tatsächlich Selbstmord begangen? Gibt es gute, überprüfbare Gründe, an der bis heute aufrecht erhaltenen Selbstmordthese zu zweifeln? Ja.
Es gibt nicht wenige, die es falsch halten, dass man diesen Fragen nachgeht. Letztendlich wäre es doch egal, wie diese beiden Neonazis umgekommen sind.
Das mag cool erscheinen und emotional verständlich sein – politisch ist es jedenfalls falsch.

 
Wer diese Fragen den Anwälten der Neonazis überlässt, verstellt sich selbst die Möglichkeit, folgenden Fragen nachzugehen: Gibt den dritten Mann, den mehrere Zeugen an Tatort gesehen haben? Was machte der Neonazikader André Kapke in der Nähe des Tatortes? Wenn belegbar ist, dass die Verfolgungsbehörden die Spur zu den namentlich bekannten NSU-Mitgliedern nie verloren haben, dann stellt sich doch zwingend die Frage: Wo waren sie am 4. November 2011?

Die Selbstmordthese ist so evident wie die Behauptung, die NSU-Mitglieder

seien spurlos verschwunden

»Hat der Neonazi Mundlos wirklich seinen Kumpel und dann sich selbst erschossen? Was, wenn alles ganz anders war?«
Dieses kurze Aufblitzen journalistischer Sorgfaltspflicht tauchte im Dezember 2011 im Feuilleton der Frankfurter Rundschau in einem Artikel über einen Krimiautoren auf – als letzter Satz. (Risse in der Fassade, FR vom 30.12.2011). Danach wurde es wieder dunkel.


 
Der Tod der beiden NSU-Mitglieder in Eisenach im November 2011 wird unisono als Selbstmord ›kommuniziert‹. Es ist die Version der Generalbundesanwaltschaft, es ist die Version des OLG in München. Die auflagestarken Medien haben sie übernommen, heute mehr denn je. Ein Verlautbarungsjournalismus, der nahtlos an die Zeit anknüpft, als sie alle Körner aufgepickt und ›unabhängig‹ aufbereitet hatten, die ihnen die Ermittlungsbehörden vor die Füße warfen. Für dieses Versagen entschuldigten sich diese Medien, damals …
Allein die Tatsache, dass es für diesen Tathergang am 4. November 2011 zwei gravierend voneinander abweichende Versionen gibt, müsste stutzig machen.
Die erste Version entstand kurz nach dem Überfall und wird von der Thüringer Allgemeine, die sich dabei auch auf Polizeiangaben stützte, so beschrieben: Die Bankräuber benutzten bei ihrem Banküberfall einen Caravan, dessen Spur Stunden später zu den NSU-Mitgliedern führte. Die Beamten näherten sich dem verdächtigen Caravan. Dann hörten sie »aus dem Innenraum zwei Knallgeräusche …« Kurz darauf brannte der Caravan lichterloh und dann war alles vorbei.
Die zweite Version wurde zwei Monate später nachgeschoben und stammt vom Polizeidirektor Michael Menzel, Leiter der SOKO in Thüringen, der ebenfalls mit seinen Polizeibeamten am selben Tatort war. Als seine Beamten auf den Caravan stießen, wurden sie mit MP-Salven empfangen:

»Wir wussten, dass sie scharfe Waffen hatten. Sie haben sofort auf uns geschossen«, sagte Menzel. (Polizeidirektor Michael Menzel, Leiter der SOKO in Thüringen, Bild.de vom 26.11.2011)

Dann soll die MP geklemmt haben, woraufhin die Schützen sich selbst umbrachten.
Beide Versionen werden von Polizeibeamten erzählt. Welche Polizisten sind echt, welche Version ist echt? Aufgrund des Umstandes, dass beide Versionen in entscheidenden Punkten signifikant voneinander abweichen, sind nuancierte Wahrnehmungsunterschiede auszuschließen.
Die letzte Version hat es bis in die Anklageschrift geschafft:

»Unscharf bleiben auch die Vorgänge im Wohnmobil. So findet sich in der Anklage weiterhin die Behauptung, dass aus dem Fahrzeug heraus ein Schuss auf die Polizeibeamten abgegeben worden sei – die Spurenlage widerspricht dem aber.« (Andreas Förster, der Freitag vom 11.4.2013)

Inszenierter Selbstmord?

Abgesehen von den deutlich voneinander abweichenden Tathergängen, wird als Motiv der schwer bewaffneten Neonazis ihre »aussichtslose Lage« angeführt. Was war daran aussichtslos? Wenn irgendjemand über 13 Jahre hinweg im ›Untergrund‹ sicher war, dann war es der Nationalsozialistische Untergrund! Was war an dieser staatlich lizenzierten Erfolgstory aussichtslos? Warum sollte eine klemmende Schusswaffe der Grund sein, sich selbst zu erschießen, anstatt die zahlreichen anderen Waffen zu benutzen, die sich in geladenem Zustand im Campingwagen befanden?
Und wenn der 4. November 2011 ausnahmsweise aussichtslos war: Warum bringen sich Neonazis um, verbrennen gleichzeitig sich und den Campingwagen? Wer hatte Beate Zschäpe informiert, die wenig später auch ihre gemeinsame Wohnung in Brand setzte? Welchen Grund sollte Beate Zschäpe gehabt haben, sich den Behörden zu stellen, obwohl sie vier Tage Zeit hatte, sich in Sicherheit zu bringen?
Menschen, die sich in aussichtsloser Lage umbringen, kümmern sich nicht um Spuren, die sie zurücklassen. Um die Beseitigung belastender Spuren sorgen sich in aller Regel Lebende!
Das In-Brand-Setzen des Campingwagens, das Abbrennen des Basislagers/Hauses in Zwickau macht nur Sinn, wenn jemand nicht an den Tod denkt, sondern an die Zeit danach. Der Brand des Hauses in Zwickau, das In-Brand-Stecken des Wohnwagens, in dem sie sich umgebracht haben sollen, lassen andere Motive plausibler erscheinen. Wurde hier etwa ein Selbstmord inszeniert?
Warum wurde, warum wird nicht allen Hinweisen und Indizien nachgegangen, die ein ›Fremdverschulden‹ nahelegen?
Die Selbstmordthese erklärt sich weder aus den vorangegangenen Ereignissen, noch gibt es nicht einen überzeugenden Beweis dafür. Für die Möglichkeit eines ›Fremdverschuldens‹ sehr wohl: Nach der offiziellen Version sollen sich die Selbstmorde wie folgt zugetragen haben: Uwe Mundlos nimmt sich ein ca. 117 Zentimeter langes Repetiergewehr, erschießt zuerst Uwe Böhnhardt (durch einen Kopfschuss) und dann sich selbst (Schuss in die Brust). Als Beweis werden zwei Hülsen angeführt, die im Campingwagen gefunden wurden:

»Die beiden ausgeworfenen Patronenhülsen der Marke Benneke waren jeweils 70 Millimeter lang. Polizisten fanden sie direkt neben den Leichen.« (Focus-Magazin, Nr. 38/2012)

Die Tatsache, dass die zwei Patronen aus derselben Waffe stammen, mag stimmen. Dass jedoch zugleich zwei Hülsen gefunden wurden, ist ein Ding der Unmöglichkeit – wenn es ein Selbstmord gewesen sein soll.
Eine Pumpgun ist ein Repetiergewehr: Die Hülsen werden erst ausgeworfen, wenn nachgeladen wird. Dass Uwe Mundlos nachläd, nachdem er seinen Kameraden umgebracht hat, ist nachvollziehbar. Dass Uwe Mundlos ein weiteres Mal nachläd, nachdem er sich selbst umgebracht hat, ist auszuschließen. Für die zweite Hülse kann es nur eine logische Erklärung geben: Es kann nur jemand nachgeladen und die zweite Hülse auswerfen, der noch lebt.
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass sich nicht alle Medien mit diesen eklatanten Widersprüchen abfinden. In der N24-Dokumentation ›Der NSU – Eine Spurensuche‹ vom 4. November 2013 kommt u.a. der Waffenbauer Siegmund Mittag zu Wort. Anhand einer baugleichen Winchester demonstriert er, dass es bei dieser komplett manuell zu bedienenden Langwaffe unmöglich ist, die Selbstmordthese mit den gefundenen zwei ausgeworfenen Hülsen aufrecht zu erhalten: »Geht nicht«, ist seine klare Antwort.
Auch die mittlerweilen nachgereichte Erklärung von Ermittlern, Uwe Mundlos habe im Todeskampf noch einmal nachgeladen, hält der Waffenexperte angesichts der gewendeten Munition für völlig ausgeschlossen.
Dass diese nachgeschobene Erklärung sicher ausgeschlossen werden kann, lässt sich auch am Vergleich verschiedener Munitionskaliber nachvollziehbar erklären:
Flintenlaufgeschoss, Kaliber 18mm (http://www.brenneke-munition.de/cms/classic3.html?&L=1%3B)
Zum Vergleich AK 47: Kaliber 7,62mm (http://thumbs.dreamstime.com/z/ak47-gewehr-munition-6336039.jpg)
Die Querschnittfläche des Flintenlaufgeschosses ist fünfmal so groß wie das der AK 47. Eine AK 47 verschießt spitze Stahlmantelgeschosse, während die Brenneke-Munition flach und weich ist. Dazu ist das Flintenlaufgeschoss bedeutend langsamer, was die Wirkung vergrößert (Energie wird im getroffenen Körper abgebaut). Wer von so einer Kugel getroffen ist (egal an welcher Stelle), der rührt sich nicht mehr. Es ist 100% ausgeschlossen, dass Mundlos nach einem Treffer noch zu einer zielgerichteten Handlung fähig war.
Welche Wirkung die tödlichen Schüsse hinterlassen hatten, beschreibt auch Michael Menzel, Leiter der Sonderkommission als Zeuge im NSU-Prozess in München am 6. November 2013: »Man habe an den beiden Personen großflächige Kopfverletzungen feststellen können« … Wenig später ergänzte Michael Menzel, »die Verletzungen seien so groß gewesen, dass es keine kleinkalibrige Waffe gewesen sein könne. Bei Böhnhardt sei das Gesichtsfeld zerstört gewesen. In der Nähe habe ein ›Pump-Action-Gewehr‹ gelegen.« (NSU-WATCH, Protokoll vom 52. Verhandlungstag)
Gegen eine Selbsttötung sprechen weitere Indizien: Auf der Waffe, eine Winchester, befanden sich keine Fingerabdrücke:

»Auf keiner der Waffen werden Fingerabdrücke gefunden.« (›Das Zwickauer Terror Trio‹, S. 282).

Demnach müßte Uwe Mundlos Handschuhe getragen haben oder als Toter die Spuren beseitigt haben. Letzteres sollte man für ausgeschlossen halten. Und Ersteres war nicht der Fall: Auf dem Tatortfoto, das den leblosen Mundlos zeigt, trägt dieser keine Handschuhe.
 All diese eklatanten Widersprüche könnten möglicherweise durch die Öffentlichmachung der kriminal- und waffentechnische Gutachten ›aufgeklärt‹ werden. Aber genau dies geschieht nicht: »Die Generalbundesanwaltschaft hat Polizeiprotokolle, Ermittlungsstände und Obduktionsberichte zum 4. November 2011 unter Verschluß genommen.« (Bodo Ramelow, Staatsgeheimnis um NSU, 11.1.2013)

Wer ›führte‹ Beate Zschäpe nach dem Tod ihrer Kameraden?

Wenn man diesen Tatverlauf ebenfalls für möglich hält, dann dürfte die Nachricht vom Tod der beiden ›Kameraden‹ für Beate Zschäpe ein Schock gewesen sein. Sie musste um ihr Leben fürchten. Um zu verhindern, dass ihr ähnliches geschieht, tat sie etwas scheinbar Irrsinniges. Sie packte die NSU-Videos ein und verschickte sie an Adressen, wo sie sicher sein konnte, dass damit die Existenz des NSU nicht mehr zu leugnen war. Was auf den ersten Blick wie eine Selbstanzeige wirkt, war für sie, in ihrer Situation eine Art Lebensversicherung.
Der Berliner Kurier vom 29.5.2012 rekonstruiert die Ereignisse, kurz nach dem Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt wie folgt: »Etwas mehr als Stunde, nachdem sie ihre Wohnung in der Frühlingsstraße 26 in die Luft jagte, versuchte jemand Zschäpe anzurufen. Das Pikante: Die anrufende Nummer ist im Sächsischen Staatsministerium des Inneren registriert. Wer aus der Behörde in Dresden wollte Zschäpe sprechen – und vor allem warum?«
Das sächsische Innenministerium reagierte auf diese Indiskretion hektisch: Man habe nach dem Brand nach der Person gesucht, die die Wohnung angemeldet habe, um die Wohnungseigentümerin über die Ereignisse zu informieren. Es hätte sich bei den Anrufen also um ganz normale Ermittlungstätigkeiten von Polizeidienststellen gehandelt, die mit dem Brand betreut waren. Die Wohnung in der Frühlingstrasse war auf den Namen “Dienelt” angemietet worden, aber keines der Handys, die Beate Zschäpe benutzt hatte!

Und was hat es mit dieser normalen Polizeidienststelle auf sich? Warum waren die Diensthandys nicht mehr erreichbar, nachdem die Handynummern in die Öffentlichkeit gelangten, und Journalisten versuchten, diese Version zu überprüfen? Woher hatte die Polizeidienststelle die Handy-Nummer von Beate Zschäpe, die mit Sicherheit ein Handy benutzt hatte, das weder auf ihren Namen, noch auf den Namen der Wohnungsanmieterin registriert war?
E gibt noch einen anderen Beleg dafür, dass die Verfolgungsbehörden auf dem Laufenden blieben, was Beate Zschäpes Flucht anbelangt.
Am 4. November 2011, kurz nach dem In-Brand-setzen der Wohnung in Zwickau wurde Beate Zschäpe nicht nur von einer ›Polizeidienststelle‹ angerufen. Sie hatte auch telefonischen Kontakt mit André Eminger. Um 15.29 Uhr sprachen sie eine Minute und 27 Sekunden miteinander, dann tippte Eminger eine SMS an seine Frau Susann …
André Eminger zählt zu den führenden Neonazikadern, eine Schlüsselfigur in der sächsischen Neonazi-Szene. Er ist Mitbegründer der ›Weißen Bruderschaft Erzgebirge‹. Seine Ehefrau Susann Eminger stand ihrem Mann an neonazistischer Tatkraft in nichts nach. André Eminger war der Polizei und den Verfassungsschutzbehörden seit Langem bekannt. Aus einem Schreiben des sächsischen Verfassungsschutzes geht hervor, dass die Behörde im März 2003 ein ›Informationsgespräch‹ mit ihm geführt habe, was nur mühsam umschreibt, dass er als V-Mann angeworben werden sollte. Angeblich habe er abgelehnt, da er keinen Kontakt mehr zur neonazistischen Szene habe. Das wussten die Anwerber besser: Noch im November 2006 gingen Verfassungsschutzämter davon aus, dass er eine »herausgehobene Position« (Spiegel Online vom 10.12.2012) innehabe.
Stand der Ermittlungen ist, dass das Ehepaar Eminger dem NSU sowohl im Untergrund, als auch bei Anschlägen geholfen hat, u.a. besorgte André Eminger im Mai 2009 für Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe Bahncards, welche auf seinen und den Namen seiner Frau ausgestellt waren.
Jenseits der Frage, ob die fehlgeschlagene Anwerbung des Neonazis Eminger eine Legende ist, kann man festhalten, dass ihre Überwachung direkt zu den Mitgliedern des NSU geführt hatte/hätte. Wie eng, wie vertrauensvoll der Kontakt zwischen den NSU-Mitgliedern und André Eminger war, beweist auch das Telefonat, das Beate Zschäpe kurz nach dem Tod von Mundlos und Böhnhardt geführt hat.
Auf welche Weise also die Verfolgungsbehörden über André Eminger an den NSU angeschlossen waren, könnte zweifelsfrei die Auswertung des Handys ergeben, das bei seiner Festnahme am 24. November 2011 beschlagnahmt worden ist. Das Handy wurde zur Auswertung ans BKA geschickt. Obwohl der interne Speicher gelöscht war, konnte das BKA die gelöschten Datensätze wiederherstellen. Doch nun passierte das, was schon in vielen Fällen zuvor der Fall war: Die Rekonstruktion weist auffällige Lücken auf, die man technisch am aller wenigsten erklären kann: »So tauchen etwa Telefonverbindungen erst ab dem Datum 8. November 2011 wieder auf; bei den SMS reicht die Lücke vom 6. November bis zum 14. November 2011.« (Lücken in den Handydaten, FR vom 28.1.2013)
Um ganz sicher zu gehen, dass nichts gefunden wird, was nicht gefunden werden soll, wies das BKA die zuständige Bundespolizeidienststelle an, die Sicherungskopie zu löschen. Kein Versehen, sondern eine ausdrückliche Anweisung, gegen die üblichen Dienstvorschriften zu verstoßen: »Diese Anweisung habe der üblichen Vorgehensweisen widersprochen, wie der Bundespolizei-Direktor Heinz-Dieter Meier in seiner Vernehmung (…) sagte (…): ›Wenn Handys ausgewertet werden, sieht das Standardverfahren vor, dass die Daten archiviert werden‹, sagte Meier laut Aussageprotokoll vom 23. Februar 2012.« (s.o.). Für den Vorsatz der Verschleierung statt Aufklärung hat der Bundespolizei-Direktor eine professionelle Erklärung: »Er deutete an, dass das BKA mit seinem Vorgehen möglicherweise einen Informanten decken wollte, auf den E’s Handydaten hinweisen könnten.« (s.o.)
Markant an den Lücken ist, dass sie einen ganz wichtigen Zeitraum umfassen: Von Beate Zschäpes Flucht bis zu dem Tag, als sie sich den Behörden gestellt hatte! Warum soll unter allen Umständen alles vernichtet werden, was die Zeit zwischen dem 4. und 8. November 2011 aufhellen könnte?
 
Geht man von der offiziellen Version aus, die Verfolgungsbehörden hätten jede Spur zu den NSU-Mitgliedern verloren, sind vier Tage sehr viel Zeit, um abzutauchen. Warum hat Beate Zschäpe diese Zeit nicht dazu genutzt? Warum hat sie die zahlreichen Verbindungen ins Ausland nicht genutzt, um sich sicher abzusetzen?
Warum fühlte sich Beate Zschäpe ab dem 4. November 2011 nicht mehr sicher, wo sie doch die Erfahrung gemacht hatte, dass man in Deutschland selbst nach neun rassistisch motivierten Morden ›sicher‹ in Zwickau wohnen konnte?
Zweifellos könnten die Telefondaten, die Verbindungsdaten von André Eminger eine Antwort darauf geben. Würden sie belegen, dass die Verfolgungsbehörden keine Spur zu Beate Zschäpe hatten, wären sie heute noch existent. Dass sie gelöscht wurden, dass man die Sicherungskopie ebenfalls beseitigte, berechtigt zu der Annahme, dass alles stimmt – nur nicht die offizielle Version.
Die Vernichtung der Handydaten, die Anweisung des BKA, auch die Sicherungskopie verschwinden zu lassen, kann man als gründliche Arbeit verstehen – fast. Wenn es – welchen Aufklärern auch immer – wirklich um Aufklärung und nicht um koordinierte Vertuschung ginge, wäre dieser Fall von Vernichtung von Beweismitteln nicht das Ende gewesen: Denn die Verbindungsdaten werden nicht nur auf dem Handy gespeichert, sondern auch beim Provider! Wenn es wirklich um Aufklärung ginge, wäre der nächste Schritt ein ganz einfacher gewesen: Man hätte alle notwendigen Daten beim Provider abrufen können. Im September 2011 löste die Berliner Zeitung einigen Wirbel aus, nachdem sie veröffentlichte, dass »große Anbieter wie T-Mobile, Vodafone und E-Plus (…) mindestens einen bis sechs Monate lang (speicherten), welcher Mobilfunkkunde wann aus welcher Funkzelle wie lange mit wem telefoniert hat.« (FAZ vom 6.9.2011). Was DatenschützerInnen als klaren Verstoß kritisierten, verstanden alle Anbieter als »eine lange gängige Praxis«, an der sie auch nichts ändern wollten. Es gab also noch genug Zeit, an die Verbindungsdaten zu kommen!
Warum wurde dieser Schritt nicht unternommen? Warum beteiligen sich auch ›Aufklärer‹ an der Vertuschung?
Wurde Beate Zschäpe über André Eminger signalisiert, dass sie keine Chance habe, zu fliehen? Welche Kontakte zur Polizei, zu Verfassungsschutzbehörden hatte Eminger, um einen Deal einzufädeln?
Wer von höchster Stelle die Beseitigung von Beweismitteln anordnet, die auf diese Fragen Auskunft geben könnten, räumt diese Möglichkeit nicht aus, sondern läßt sie als wahrscheinlich erscheinen.
Für Beate Zschäpe ging es darum, ihr Leben zu retten, für die involvierten Verfassungsschutzämter ging es darum, mit ihr einen Deal zu machen, der ihre ›Gewährungsleistungen‹ vertuscht. Nachdem dieser Deal unter Dach und Fach war, stellte sich Beate Zschäpe ›freiwillig‹.
Dass dieser oder ein anderer Ablauf der Ereignisse – noch – nicht bewiesen werden kann, liegt nicht an den KritikerInnen, sondern an jenen, die seit 2011 vor allem mit einem beschäftigt sind: mit der Vernichtung von Beweisen, die der offiziellen Version den Boden unter den Füßen wegziehen würden.

Die dritte Person

Wenn es also für einen anderen Ablauf der tödlichen Ereignisse am 4. November 2011 mehr Belege und Indizien gibt, als für die offizielle Version, bleibt die Frage zu klären, wer die andere Person sein könnte, die diese Morde begangen haben könnte: »Sowohl Zeugenaussagen als auch DNA-Spuren deuten auf eine dritte Person hin.« (N24-Reportage ›Der NSU – Eine Spurensuche).
In der Dokumentation wird ausdrücklich auf den Neonazi André Kapke verwiesen, der zur Tatzeit in der Nähe des Tatorts in Eisenach war. Angeblich soll dieser gesagt haben, dass er rein zufällig in dieser Gegend gewesen sei. Diese Art von Zufällen teilen sich Neonazis und deutsche Behörden auffällig oft. André Kapke ist im ›Braunen Haus‹ in Jena wohnhaft. Der bemühte Zufall liegt von Jena ca. 113 Kilometer entfernt.
Über diesen ›Zufall‹ machte sich auch der Vater von Uwe Mundlos seine Gedanken, als er am 11.11.2013 als Zeuge vor dem Thüringer NSU-Ausschuss geladen wurde: »›Kapke war zum Abschied [1998] da und Kapke war auch am 4. November [2011] da‹, resümiert der Vater in Anspielung auf Kapkes geloggten Handystandort zur Tatzeit in Eisenach.« (Protokoll der Befragung von Prof. Dr. Siegfried Mundlos)
Was er damit andeuten wollte, machte er an einer anderen Stelle der Befragung deutlich: »Die Tatsache, dass die Frau Walther als Vertrauensperson für den VS gearbeitet hat, lässt ja den Schluss zu […] dass der Herr André Kapke mit Sicherheit eine Quelle des Verfassungsschutzes ist.« (s.o.)
Man wird sehr bald sehen, ob André Kapke plötzlich verschwunden ist oder aber als nicht vorgesehenes ›Opfer‹ notwendig gewordener Korrekturen verhaftet wird.

15.11.2013
Wolf Wetzel
Der NSU-VS-Komplex. Wo beginnt der Nationalsozialistische Untergrund – wo hört der Staat auf?, Unrast Verlag, Münster, 180 Seiten,2. Auflage, Oktober 2013

Für weitere Informationen und Hinweise bin ich sehr dankbar.
Ein älterer Beitrag findet sich hier: http://www.jungewelt.de/2013/04-17/007.php

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25 Kommentare

  1. Wie haltet ihr das alles aus? Sicher, manche haben einen linksradikalen Hintergrund und eh schon lang kein Vertrauen mehr in das System. Aber was machen die normalen Leute, zu denen ich mich rechnen muss? In München werden die Grundfesten dieses merkwürdigen Staates verhandelt, das spüren doch viele. Wenn auch nur die Hälfte von dem wahr ist, was ihr da schreibt, dann steht das alles auf tönernen Füßen. Da zerfallen die tragenden Institutionen, das kann man auch durch Propaganda nicht mehr wegbügeln.

  2. Hallo Herr Wetzel,
    kein Problem, aber ganz konspirativ wird’s nicht 😉
    Hier 2 Zitate, die meine Aussage nachvollziehbar machen:
    – seit November 2011 ist Kapke als mindestens ehemaliger enger Freund von Uwe Mundlos, Beate Zschäpe & Uwe Böhnhardt wieder verstärkt von Interesse für die Polizei geworden, er bietet sich dem BKA freiwillig für Befragungen (über die rechte Szene in Thüringen & das Trio) an
    – Am 5. Februar 2013 durchsuchten Fahnder die Wohnung von Andre Kapke, Grund war ein von Generalbundesanwalt Harald Range am 28. Januar 2013 eingeleitetes Ermittlungsverfahren gegen einen weiteren NSU-Verdächtigen. Kapke sei nun der 14. Beschuldigte im gesamten Komplex. Kapke geriet nach der Auswertung von Handydaten ins Visier, kapp zwei Stunden nachdem Mundlos zu erst Böhnhardt und dann sich selbst nach dem Banküberfall in Eisenach am 4. November 2011 erschossen hatte, buchte sich Kapkes Handy für zwölf Minuten in eine Eisenacher Funkzelle ein – genau der Sendebereich, in dem das Wohnmobil mit den beiden Liechen parkte. Der Fokus berichtete, dass Kapke verdächtig würde, über eine Intertverbindung Kontakt zu Zschäpes Mobiltelefon aufgebaut zu haben. Dessen Anwalt dementiert jedoch, Kapke sei an jenem Tag zusammen mit seinem Vater in der Nähe von Eisenach wegen eines Autokaufs unterwegs gewesen, sei Handy könnte sich schließlich von der Autobahn aus in jene Funkzelle eingeloggt haben
    (der zweite Punkt stand auch mal in anderen Artikeln der Thüringer Wurstpresse, finde ich aber grad nich online)
    Quelle: http://haskala.de/2013/02/23/infos-zu-andre-kapke-mutmaslicher-unterstutzer-des-nsu/

  3. der artikel ist von dem widersrpüchlichen zitat “caravan in zwickau” befreit. das ist gut.
    aber *ARGH* – warum folgt im update am textende ein neuer zwickau-zusammenhang, der wieder ein eisenach-zusammenhang ist? (zitat “In der Dokumentation wird ausdrücklich auf den Neonazi André Kapke verwiesen, der zur Tatzeit in der Nähe des Tatorts in Zwickau war. Angeblich soll dieser gesagt haben, dass er rein zufällig in dieser Gegend gewesen sei.”)
    meines bescheidenen wissens nach gab es diese ansage zu kapkes anwesenheit nahe dem tatort in bezug auf eisenach und das wohnmobil. und es gibt auch die offizielle erklärung seines anwalts, kapke habe in der gegend dienstlich zu tun gehabt und sei grade just zufällig in diesem moment auf der autobahn vorbeigefahren, weswegen sein handy in der selben funkzelle wie der tatort eingebucht war.
    *hüstel* davon kann man halten, was man will, wenn man aber “dienstlich” in bezug auf den IM-tätigkeit liest, liegt man vielleicht doch nahe am geschehen 😉 und hier zeigt sich, dass ermittler spannenderweise doch auf die damals gespeicherten vorratsdaten der mobilfunkprovider zugegriffen haben… nur eben nicht bei zschäpes telefon…

    1. Danke für die abermalige Korrektur: irgendwie zwickt das Wort “Zwickau”..
      Was die Andeutungen (IM-Tätigkeit, Vorratsdaten) angeht, dass die Ermittler doch auf die gespeicherten Daten beim Provider zugegriffen haben, so fehlt das Konkrete: Was können Sie sagen, was über das im Text benannte hinausgeht? Es macht einfach keinen Sinn, etwas anzudeuten, was wichtig sein könnte, und dann im Nebel zu verschwinden. Wenn es Ihnen wichtig ist, und Sie selbst Angst haben, dann nehmen Sie den Schlüssel (zum Verschlüsseln der Nchricht) oder ins Internetcafe, wo man anonym Nachrichten verfassen kann.
      Nur so macht Aufklärung Sinn, wenn man nicht die offizielle Art der “lückenlosen Aufklärung” wiederholen will.
      In diesem ermutigenden Sinne
      Wolf Wetzel

  4. “Auch die mittlerweilen nachgeschobene Erklärung von Ermittlern, Uwe Mundlos habe im Todeskampf noch einmal nachgeladen, hält der Waffenexperte angesichts der gewendeten Munition für völlig ausgeschlossen.”
    Flintenlaufgeschoss, Kaliber 18mm
    http://www.brenneke-munition.de/cms/classic3.html?&L=1%3B
    Zum Vergleich AK 47: 7,62mm,
    http://thumbs.dreamstime.com/z/ak47-gewehr-munition-6336039.jpg
    Die Querschnittfläche des Flintenlaufgeschosses ist 5 mal so groß wie das der AK 47.
    AK47 verschießt spitze Stahlmantelgeschosse, während die Brenneke-Munition flach und weich ist.
    Dazu ist das Flintenlaufgeschoss bedeutend langsamer, was die Wirkung vergrößert (Energie wird im getroffenen Körper abgebaut).
    Wer von so einer Kugel getroffen ist (egal an welcher Stelle), der rührt sich nicht mehr. Es ist 100% ausgeschlossen, dass Mundlos nach einem Treffer noch zu einer zielgerichteten Handlung fähig war.

    1. Danke für den Hinweis: Die Frage ist ja nicht, ob der NSU Verbindungen zu anderen neonazistischen Terrorgruppen und weniger ideologisch geprägten Banden hatte, sondern wann dies den Ermittlern und dem OLG im München um die Ohren fliegt?

  5. Ist das nur ein Freudscher Verschreiber des Herrn Wetzel oder ein Fehler von N24, wenn im ersten Satz von einem ausgebrannten Wohnmobil in ZWICKAU die Rede ist?
    Das stand noch immer in Eisenach… Ich bitte um transparente Korrektur, sonst les ich den Text nicht weiter.

  6. Fragen über Fragen……
    1. Weshalb interessiert sich Andre Kapke so sehr, ob und welche Spuren es bei dem “Selbstmord” von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gibt? (TÜK Kapke) Der treue Kamerad machte sich ja solche Sorgen……
    2. Es scheinen umfangreiche Spurenverfolgungen zu laufen, was Zigarettenreste angeht. (Ist Kapke eigentlich Raucher betr. Speichelauswertungen). Frage in die Runde, raucht Kapke und wenn ja, welche Marke? Bis zur letzten Zigarette äh sorry – Patrone.
    3. Es existieren ja diverse Untersuchungen zum Tatablauf. Man sollte die Ermittlungsbehörden nicht immer kritisieren. Vorallen Dingen das BKA scheint hervorragende Arbeit im Bezug auf das Wohnmobil gemacht zu haben. Aber das wissen ja alle investigativen und staatlich subventionierten Verschwörer schon…. hängt ja in jeder Behördenkantine am schwarzen Brett.
    Da ich Laie bin, wenn Mundlos zunächst Böhnhardt erschoss, dann Feuer legte, in Folge sich erschoss, wäre dann Mundlos als Tatverdächtiger tot? Na gut, wenn sich Mundlos erst erschoss, dann das Feuer legte (es gibt ja auch Cem-Trails und Reichsflugscheiben…) – ja, so müsste es theoretisch gewesen sein. Weil nämlich der ermittelte Todeszeitpunkt speziell von Mundlos schon seltsam ist…..
    Darf ich? Danke, ich bin doch Laie! Es könnte aber auch so gewesen sein, Böhnhardt erschoss Mundlos, dann erschoss er sich selbst, ungefähr 20 – 25 Minuten später legte er dann das Feuer. Leyendecker war doch anwesend, d.h. er müsste uns ja erklären können, ob er sich sicher ist, dass Mundlos erst Böhnhardt erschoss, dann sich selbst und in Folge Feuer legte?
    Wobei? Was für eine Sehstärke bei Brille hat unser guter Hans Leyendecker eigentlich, waren ja Beide ganz schlimm aussehende Glatzen…. vielleicht hat er die ja verwechselt und Böhnhardt erschoss Mundlos, stop, habe fast vergessen, aus einem nicht existierenden Rückfenster imaginär auf eine Hauswand wo man drei Tage lang nach Einschussloch suchte…. erschoss sich selbst und legte dann nachdem Er bei Thor und Konsorten zu lange an Pforte stand per Feuerblitz den Brand.
    Wie schiesst man sich eigentlich mit einer 117 cm langen Unterlaufrepetierflinte in Brust? Wie lange Arme hatten die Jungs eigentlich. Müsste man mal diese rechtsterroristische Sexbombe fragen, die müsste das ja wissen. Und dann flog Mundlos “über” Böhnhardt weil ja die Flinte so seltsam dalag….
    Dass man relativ schnell die beiden Waffen aus Heilbronn ermittelt hat, lag am behördlichen Prägestempel. Das geht schon in Ordnung. Nur, wenn Mundlos und Böhnhardt diese Waffen seit 2007 aufbewahrt hatten, wieviele dazugehörige 9 mm. Patronen hat man eigentlich im Versteck Friedensstrasse in Zwickau aufgefunden? Keine? Das ist nun wieder so eine blauäugige Laienfrage. Ähm, wieviele dazu gehörige Patronen hat man im Wohnmobil aufgefunden? Nicht, dass die noch in Hosentasche eines Tatverdächtigen sind?
    Das mit den vergessenen Patronen liegt ersichtlich daran, dass das unsichtbare Stay-Behind-Gladio-Killerkommando auch schon in die Jahre gekommen ist.
    4. Seit 2 Wochen suche ich den Begriff “Tatverdächtiger” bei Selbstmord? Kommt irgendwie in keinem Fall eines Selbstmordes vor. Weil man ja bei Selbstmord (siehe Florian Heilig) davon ausgeht, dass keine Fremdeinwirkung, dh. dritte Personen beteiligt sind und somit auch das Unwort “Tatverdächtiger” ausgeschlossen werden kann. Gab es nicht auch “Beziehungsprobleme” bei Mundlos und Böhnhardt mit dieser Dreierbeziehung? Wenn das der Führer gewusst hätte, dass seine Speerspitze für das Vierte Reich in Rassenschande leben – oioioi…!!!
    Bei solchen sündigen prähistorischen Germanen könnte es selbstverständlich auch so gewesen sein, der Feuergott Lodur (für die braune Oi-oioi Fraktion – auch Loki der Geile genannt) war entzürnt und wollte die Sündigen in Hölle schmoren lassen. (Wer rechnet bei diesen ur-germanischen Gottheiten schon mit der freiwilligen Feuerwehr Eisenach…)
    Diesen Generalbundesanwalt Dr? Herbert Diemer braucht man garnicht zu fragen, der fährt ja auch mit seinem Diesel-Daimler an Elektrotankstelle und wundert sich, dass der Anschlussstecker nicht an seinen Tankstutzen passt, obwohl er doch seit Kretschmann in Nachbarstadt sitzt so grün um Nase ist…..
    Bleibt mir nur noch die Undercover – Dönerbude in Nürnberg oder unseren persischen Hellseher aus SOKO Hamburg…… da wird einem bestimmt geholfen!

  7. Warum setzte WDR 5 Beitrag über NSU-Ausschuss ab ?: “Der Beitrag ( “Zehn Morde und ihr parlamentarisches Nachspiel” ) wurde kurz vor der Sendung vom Redaktionsleiter, gegen den ausdrücklichen Willen des verantwortlichen Redakteurs, aus dem Programm genommen.Hintergrund der Reportage: In dem Beitrag ging es inhaltlich um die Aktenzurückhaltung durch den MAD, um die Vernehmung des hessischen Verfassungsschützers Temme, der beim Mord in Kassel vor Ort war, um den baden-württembergischen ex-Verfassungsschützer Stengel, der 2003 einen Bericht, in dem Mundlos und NSU auftauchten, im Amt vernichten sollte und um seinen Chef, den Ex-LfV-Präsidenten von Baden-Würtemberg, Schmalzl. Das Stück war angenommen, von dem verantwortlichen Redakteur betreut, abgenommen und produziert gewesen. Am Dienstag vor der Ausstrahlung stand es als Vorankündigung sogar noch im Netz. Doch am Mittwoch Vormittag veranlasste der Redaktionsleiter die Absetzung.”
    http://machtelite.wordpress.com/2013/05/05/warum-setzte-wdr-5-beitrag-uber-nsu-ausschuss-ab/

  8. Sehr geehrter Herr Wetzel,
    Gestern (!!!) wurden im Ausschuss in Berlin die damaligen Vorgesetzten von Günter Stengel aus dem Landesamt für Verfassungsschutz in Stuttgart vernommen, die laut Stengels Aussage vor dem Ausschuss am 13.9.2012 seinen Bericht im Jahr 2003 vernichten liessen, in dem von 5 Namen, darunter “Mundlos” und einer “RAF-ähnlichen Zelle” namens NSU berichtet worden war. Sie kennen den Beitrag von Thomas Moser ja, er hat am 10.4.2013 eine Kurzzusammenfassung bei Kontextwochenzeitung gebracht.
    Gestern war also nun die Vernehmung von Stengels Vorgesetzten im Landesamt, von Rück, Neumann und Rannacher, aber der einzige Artikel von der Bundestagsverwaltung lässt den Leser hilflos zurück:
    Auszug mit Link:
    Zeugin räumt ”Erkenntnislücke” ein
    Zu den von einem ehemaligen Mitarbeiter des Stuttgarter Geheimdiensts vor dem Untersuchungsausschuss gemachten Angaben, 2003 habe ein Pfarrer in einem Gespräch die Begriffe “NSU” und “Mundlos” fallen lassen, meinte die Zeugin, diese Information sei bei ihr damals “nicht angekommen”, da sei sie “hundertprozentig sicher”.
    http://pressespiegel.de.gg/?p=21965
    Der Pfarrer hat übrigens gar nichts ausgesagt, er hat lediglich den Kontakt zum LfV hergestellt. Merkwürdig genug.
    Der Informant, dessen “realer Name” Günter Stengel angeblich bekannt ist, nannte sich “Stauffenberg”:
    Auszug folgt, endet mit Link:
    Der nannte sich zunächst “Stauffenberg”, Stengel kennt aber seinen wirklichen Namen.
    Informant Stauffenberg, so der Zeuge weiter, nannte ihm fünf Personen. Einer hieß Mundlos. Den habe er sich merken können, weil er damals witzelte: das passe ja zu seiner Tätigkeit als Geheimdienstler. Die vier anderen Namen habe er notiert, wisse sie aber nicht mehr. Schließlich habe der Informant noch eine rechtsterroristische Vereinigung namens NSU genannt. Er habe nachgefragt, ob er richtig gehört habe, denn NSU steht für Neckarsulm, das wisse jeder in Baden-Württemberg. Der Informant habe den Namen bekräftigt und erklärt, das sei eine Organisation wie einmal die RAF auf der linken Seite.
    Der Verfassungsschutz sagt, es gebe keine Organisation namens NSU
    Das Gespräch dauerte vier Stunden. Verfassungsschützer Stengel fuhr zurück in sein Büro und fertigte einen Bericht. Doch dann forderten seine Vorgesetzten ihn auf, diesen Bericht zu vernichten. Begründung: eine Organisation namens NSU gebe es nicht, das LfV würde nur bekannte Organisationen beobachten. Und Einzelpersonen würden auch nicht beobachtet. Er sollte lediglich einen Vermerk schreiben, dass das Gespräch mit dem Informanten stattgefunden habe, aber ohne konkreten Inhalt. Es dürfe von den Namen nichts übrig bleiben, sei er angewiesen worden. Mundlos und NSU habe er sich aber aus den genannten Gründen merken können.
    http://www.kontextwochenzeitung.de/newsartikel/2012/09/nsu-ist-nicht-neckarsulm/
    Herr Wetzel, wenn das so stimmt, dann war der “NSU” von einer Gruppe innerhalb der Dienste gesteuert, die man durchaus als “Tiefer Staat” bezeichnen könnte. Meiner Meinung nach schon vor dem “Abtauchen” im Jan. 1998.
    Ursprünglich wohl gedacht als VS-U-Boot zum Ausspähen der Neonaziszene: Glaubwürdigkeit erlangte die VS-Zelle innerhalb der Szene durch das nie gewogene und schon Ende 1998 vernichtete “TNT”, überbracht von Thomas Starke, einem Spitzel.
    http://www.otz.de/web/zgt/politik/detail/-/specific/Beweismittel-zu-NSU-Bombentrio-bereits-vernichtet-654327993
    Der Schutz des NSU nach dem Abtauchen vor der Polizei wird auch deutlich durch die Rolle des BKA-Staatsschutzmannes Michael Brümmendorf, der 1998 nach Erfurt zum LKA reiste und dafür sorgte, dass die bei der Razzia aufgefundenen Telefonlisten des NSU nicht an die Fahndung gingen, sondern in nutzlosen Asservatenkammern verschwanden.
    Es scheint also der Wahrheit nahe zu kommen, dass zu diesem “Tiefen Staat” nicht nur die Schlapphüte, sondern auch Teile des BKA gehören, ebenso wie einige Staatsanwälte etc pp. Also ähnlich wie bei man das auch aus der Türkei kennt, oder aus Italien (Gladio). Ganz aktuell fliegt Stay behind ja dieser Tage vor Gericht in Luxemburg auf, angeblich hat der BND (Stay behind) die Münchner Oktoberfestbombe 1980 gelegt. Aussage unter Eid von Andreas Kramer.
    Der BND-Präsident hiess damals Klaus Kinkel. Trau schau wem 😉
    Die “kollegialen Grüsse” Ihrerseits haben mich erfreut, ich bin aber nur ein interessierter Laie, zudem knapp 10.000 km entfernt. Bin aber “im Stoff drin”, soviel Eigenlob muss sein 😉
    Gruß

  9. Sehr geehrter Herr Wetzel,
    Ihr Kollege Thomas Moser schreibt, das Phantombild wurde eingesehen, und es sieht Mundlos/Böhnhardt nicht ähnlich.
    Der Stiefvater von Martin Arnold sei Verfassungsschützer.
    Artikel von April 2013:
    “Phantombilder der Ermittlungsakten
    Kontext konnte mehrere Phantombilder aus den Ermittlungsakten einsehen. Das Bild, das nach Angaben von Martin A. von dem Mann erstellt worden war, der sich den beiden Polizisten auf seiner Wagenseite näherte, zeigt weder Mundlos noch Böhnhardt. Auch die anderen Phantombilder, die die Polizei aus Zeugenaussagen erstellen ließ, ähneln den beiden Männern nicht.”
    http://www.kontextwochenzeitung.de/newsartikel/2013/04/spuren-des-terrors/
    Wie Sie ja schreiben, passt der Heilbronner Mord nicht so recht.
    Sehe ich genau so.
    Gruß

    1. Hallo
      danke für die Ergänzung. Ich befürchte ja, dass in diesem besonders delikaten Fall viele falsche Spuren, auch professionell- amtlich gelegt werden, damit am Ende ein wirres Bild entstehen muss! Ich bin folglich nach wie sehr vorsichtig, welche Spuren die echten sind: Was ein anderer Kollege schreibt ist in der Tat sehr wichtig: Im Gegensatz zu Michele Kiesewetter, hatte ihr Polizeikollege Martin Arnold nicht die Schicht gewechselt, das heißt, den Tätern ging es folglich um diesen Polizeibeamten. Dafür spricht auch folgende Information: “Im Jahr 2003 wird bekannt, dass es eine rechtsterroristische Gruppe mit dem Namen NSU gibt. Spätestens im Jahr 2005 erlangt man Gewissheit, da die Top Quelle Corelli darüber beim BfV berichtet. Man tauscht sich in Folge rege aus und übermittelt Akten (welche ja angeblich nie gefertigt wurden …) Entgegen den Beteuerungen, Beate Zschäpe wäre 2001 das letzte Mal in Baden Württemberg gewesen, war sie im Sommer 2006 bei Sigrun Häfner und Matthias Brodbeck in Ilshofen. Und als Krokus (eine V-Frau) dem LfV kurz nach dem Mord an Michele Kiesewetter mitteilt, dass die Rechtsextremen, auf welche sie angesetzt ist, den schwerverletzten Martin Arnold im Krankenhaus Ludwigsburg ausspähen, wird ihr mitgeteilt, es wäre Sache der Polizei, dies herauszufinden, sie solle sich da heraus halten…”
      mit kollegialen Grüßen
      Wolf Wetzel

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