Buchankündigung für die 2. Auflage des Buches:
Der NSU-VS-Komplex
Der Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer des Nationalsozialistischen Untergrundes/NSU wurde am 6. Mai 2013 in München eröffnet. Über 30 Prozesstage liegen hinter uns. Von über 600 Zeugen wurden 98 befragt. Terminiert ist die Urteilsverkündung für Dezember 2014. Was in dieser Zeit zur Sprache kam, fällt meilenweit hinter das zurück, was aufmerksame BeobachterInnen längst wissen (müssten).
Ganz offensichtlich macht gerade das die Schar der Meinungsmacher sehr zufrieden: Das Bedürfnis, mit der Justiz, den Verfolgungsorganen, den Geheimdiensten auskömmlich zu leben, ist riesengroß. So überschreibt die Frankfurter Rundschau ihre Analyse mit dem Titel: ›Das Ende der Schlamperei‹ und kehrt zu der Berichterstattung zurück, die dreizehn Jahre die neonazistische Mord- und Terrorserie begleitete: »Ab dem 4. November 2011, als Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt tot im gemieteten Wohnmobil gefunden wurden (…), scheint seitens Polizei, Staatsanwaltschaft und Sachverständigen die Serie von Fehleinschätzungen, Schlampereien und politischer Blindheit endlich beendet worden zu sein.« (FR vom 5.9.2013)
Exakt ab diesem Zeitpunkt wurde eine Beweisvernichtungsmaschinerie quer durch alle Behörden angeworfen, die auch die Frankfurter Rundschau mit großem Entsetzen und viel Empörung dokumentierte. Kann die Frankfurter Rundschau nicht einmal mehr ihre eigene Zeitung lesen?
In einem ähnlichen Delirium bewegt sich das Magazin Der Spiegel und zieht fröhlich Zwischenbilanz: »Rasant in Richtung Wahrheit«. (7.8.2013)
Für eine psychiatrische Anstaltszeitung wäre das sicherlich ein gelungener Aufmacher.
Glücklicherweise verläuft nicht alles ›in geordneten Bahnen‹. Nach Fertigstellung der Manuskripte für die erste Auflage kamen neue Fakten hinzu und ab und an versagte auch die Geheimhaltung und der Verweis ›Nur für den Dienstgebrauch‹.
Aus diesem Grunde kann diese 2. Auflage um einige wichtige Beiträge ergänzt werden: Neu hinzugekommen sind Texte zu dem Nagelbombenanschlag in Köln 2004, zum Mord in Kassel 2006 und zu dem Mordanschlag auf zwei Polizisten in Heilbronn 2007 – in Verbindung mit einem Interview mit Petra Senghaas, ehemalige V-Frau des Verfassungsschutzes in Baden-Württemberg, mit dem Decknamen ›Krokus‹.
Letzterer Text war der schwierigste. Während es bei allen anderen Morden – nach offizieller Lesart – so gut wie keine Spuren gab, so wurde man in diesem Fall mit DNA-Spuren, Hinweisen und Mutmaßungen geradezu überschüttet: Sie reichten von Andeutungen, die ins kriminelle Milieu führen sollten, über das Wattestäbchen-Phantom, über ein US-amerikanisches Geheimdienstprotokoll (veröffentlicht im Magazin Stern), bis hin zu den entwendeten Dienstwaffen, die 2011 im Campingwagen der beiden namentlich bekannten NSU-Mitglieder gefunden wurden.
Die Entscheidung, diesen Mordanschlag mit aufzunehmen, verdanke ich im Wesentlichen einer ungewöhnlichen Zeugin, einer ehemaligen V-Frau, die seit Oktober 2006 unter dem Decknamen ›Krokus‹ für den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg arbeitete. Sie hatte den Auftrag, über Aktivitäten von Neonazis im Raum Schwäbisch Hall zu berichteten.
Ans Herz legen möchte auch einen Text, der sich mit der vielerorts verwendeten Metapher vom ›tiefen Staat‹ auseinandersetzt und auf diese Weise versucht, die Verfasstheit dieses Staates noch einig wenig präziser zu fassen.
Zu guter Letzt möchte ich mich bei allen bedanken, die dazu beigetragen haben, dass es zu dieser zweiten erweiterten Auflage gekommen ist. Bei denen, die das Buch gekauft haben, bei jenen, die mich auf Fehler hinwiesen, bei denen, die sich bei der Spurensuche beteiligt haben, bei denen, die ›Geheimnisverrat‹ begingen und bei Petra Senghaas alias Krokus, die trotz Bedrohungen und Flucht bei dem bleibt, was sie wenige Tage nach dem Mordanschlag auf die Polizisten in Heilbronn erfahren und ihrem V-Mann-Führer mitgeteilt hatte.
Das Buch hat jetzt 180 Seiten, kostet zwei Euro mehr – die hoffentlich besser angelegt sind, als auf einem (Ent-)Sparbuch.
Wolf Wetzel
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